Podiumsdiskussion am 13. Oktober 2017 zwischen Uwe Jean Heuser, Leiter des Wirtschaftsressorts Die Zeit, und Ursula Engelen-Kefer, ehem. Stellvertretende Vorsitzende des DGB. Die Moderation hatte Kai Doering, Stellvertretender Chefredakteur Vorwärts.
Einigkeit herrschte zwischen den beiden Podiumsteilnehmern, Uwe Jean Heuser und Ursula Engelen-Kefer, dass die Spaltung in unserer Gesellschaft Wasser auf die Mühlen des gesellschaftlichen und politischen Populismus ist. Letztlich hat dies auch zu dem politischen „Erdrutsch“ bei den letzten Bundestagwahlen am 24. September 2017 beigetragen – insbesondere das Erstarken der AFD mit ihren rechtsradikalen Elementen einerseits und den Verlusten bei CDU/CSU und SPD andererseits. Weniger dramatisch, aber nicht minder deutlich ist der erneute Aufstieg der FDP bei gleichzeitiger weitgehender Stagnation der Parteien Die Grünen und Die Linke. Dabei darf nicht vergessen werden, dass auch die beiden letztgenannten Parteien aus Unzufriedenheit mit der Politik der sog. Volksparteien CDU/CSU und SPD entstanden sind, wenn auch mit unterschiedlicher inhaltlicher und politischer Schwerpunktsetzung.
Unterschiedliche Auffassungen bestanden allerdings darüber, wie diese Spaltung in der Gesellschaft überwunden werden könne und welche Rolle die SPD dabei übernehmen müsse. Dabei brach Heuser gleich mehrere „Lanzen für die SPD“. Sie habe bewiesen, stets aus Fehlern gelernt zu haben. Am Beispiel der Durchsetzung des gesetzlichen Mindestlohnes ab 2015 zog er die Schlussfolgerung, sie habe alles richtig gemacht und sei trotzdem nicht über 25 Prozent Zustimmung hinausgekommen. Mithin stehe seiner Meinung nach nicht die Umverteilung von Einkommen und Vermögen im Mittelpunkt der Interessen der Menschen an sozialer Gerechtigkeit. Es gehe nicht um eine Neuausrichtung der SPD nach „Alt Links“, sondern um eine Politik des „Progressiv Links“. Dafür sind für ihn wichtige Themenfelder die Verbesserung von Teilhabe in der Bildung; die Überwindung der Spaltungen zwischen ländlichen Gebieten und Metropolen, die Probleme bei den explodierenden Kosten für Wohnen/Mieten. Besonders große Bedeutung maß er dem Schutz personenbezogener Daten im Internet bei.
Engelen-Kefer machte hingegen darauf aufmerksam, dass etwa 20 Prozent der Bevölkerung nach wie vor vom Wohlstand abgehängt sind. Dazu haben die Sozial- und insbesondere Rentenpolitik, aber auch die Arbeitsmarktreformen der SPD in der ehemaligen rot-grünen Koalition unter Ex-Kanzler Gerhard Schröder maßgeblich beigetragen. Diese Fehler müssen erst einmal nachhaltig korrigiert werden. Sonst könne die SPD ihre Glaubwürdigkeitslücke nicht überwinden, die einen erheblichen Anteil an den Wahlverlusten der SPD bis zu dem dramatischen Abstieg bei den letzten Bundestagswahlen habe. Dies sei auch maßgeblich für den jähen Auf- und Abstieg des kurzfristig eingewechselten Ex-Kanzlerkandidaten der SPD, Martin Schulz, bei den jüngsten Bundestagswahlen. Besondere Zustimmung habe er mit seinen Forderungen nach einer generellen Korrektur der Agenda 2010 gefunden, anschließend aber versäumt, hierzu glaubwürdige Konzepte vorzulegen.
Dabei gehe es für viele Menschen nach wie vor um eine gerechtere Verteilung von Einkommen und Vermögen. Ergänzend hinzu komme für die Wiederherstellung der sozialen Gerechtigkeit vor allem die Überwindung der Spaltung bei Bildung, Wohnen, aber auch der gesamtgesellschaftlichen Gerechtigkeit in der Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik. Ohne soziale Regulierung dieser Rahmenbedingungen können die übrigen Maßnahmen in der Bildung, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik nicht ausreichend, finanziell, personell und inhaltlich gestaltet werden. Dies gelte auch für den ohne Zweifel wichtigen Bereich der Sicherung personenbezogener Daten in der digitalen Welt von Industrie-, Dienstleistungen und Arbeit 4.0.