Allenthalben wird in den Medien das „Beschäftigungswunder“ in der Bundesrepublik bejubelt und der Mangel an Fachkräften beklagt. Dies gilt allerdings nicht für die immer noch etwa drei Millionen registrierten Arbeitslosen und vor allem Langzeitarbeitslosen sowie die über 7 Millionen Menschen in Niedriglohnsektoren und Armut bei Arbeit. Auch in Berlin und Brandenburg liegen Arbeitslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit weit über dem Bundesdurchschnitt.
Dabei ist ebenfalls festzustellen: Trotz genereller Verbesserung der Beschäftigung ist die Arbeitslosigkeit für behinderte und schwerbehinderte Menschen weiterhin überdurchschnittlich hoch und ihr Anteil an den Arbeitslosen steigt weiter an – bis 2011 auf 6 Prozent. Betroffen sind vor allem ältere Arbeitnehmer/innen mit Behinderungen/Schwerbehinderungen und wenig Chancen, in eine humane Beschäftigung eingegliedert zu werden. Wenn sie überhaupt wieder eine Arbeit finden, ist dies häufig prekäre Beschäftigung in Niedriglohnsektoren und Hungerlöhnen. Etwa die Hälfte von ihnen müssen Hartz IV beziehen. Es zeigt sich einmal mehr mit aller Härte, dass die Verbesserung der generellen Beschäftigung bei der guten konjunkturellen Wirtschaftslage weitgehend an den Menschen mit Behinderungen und Schwerbehinderungen vorbei geht. Dies ist besonders bitter, nachdem die Bundesregierung gerade ihren Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN Menschenrechtskonvention für Menschen mit Behinderungen mit großem Public Relations Wirbel gestartet hat. Wie die Erfahrung und Untersuchungen deutlich zeigen, sind gerade Behinderte und Schwerbehinderte darauf angewiesen, dass ihr Selbstwertgefühl durch erlebte Selbstbestimmung und berufliche Teilhabe gesteigert wird. Unabdingbare Voraussetzung hierzu ist die humane und nachhaltige Inklusion in das Erwerbsleben.
Die gesetzliche Beschäftigungsquote für schwerbehinderte Menschen und die zu ihrer Durchsetzung vorgesehene Ausgleichsabgabe haben nach wie vor große Bedeutung. Dabei zeigt sich, dass das mit der Absenkung der Beschäftigungsquote von 6 auf 5 Prozent angestrebte Ziel von 50 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen für Schwerbehinderte keinesfalls erreicht ist. Sie muss daher wieder auf 6 Prozent erhöht werden. Darüber hinaus ist die Ausgleichsabgabe spürbar aufzustocken, die Betriebe zahlen müssen, die ihrer Beschäftigungspflicht für Schwerbehinderte nicht nachkommen.
Die Anzahl der schwerbehinderten Menschen wird weiter zunehmen: Von 2005 bis 2011 stieg ihre Zahl um 6 Prozent, bis 2021 sollen es sogar 10 Prozent werden. 2009 haben nach wie vor über 37 000 Unternehmen trotz gesetzlicher Pflicht keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigt.
Die Anstrengungen dürfen nicht abgebaut, sondern müssen erhöht werden, die gesetzlich vorgegebene Beschäftigungspflichtquote in der Praxis durchzusetzen und dafür auch die vorgesehenen Sanktionsmaßnahmen der Ausgleichsabgabe einzusetzen. Nach dem Gesetz sind Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitern verpflichtet, die Beschäftigungsquote zu erfüllen. Verstöße gegen die Beschäftigungspflicht sind von der Bundesagentur für Arbeit als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeldern bis zu 10 000 Euro zu ahnden. Dies muss mit aller Konsequenz durchgeführt werden.
Dabei ist nicht nachzuvollziehen, dass das Aufkommen aus der Ausgleichsabgabe 2010 um etwa 10 Prozent deutlich auf 466,5 Mio. Euro zurückgegangen ist.
Bei dem anhaltend hohen Anteil von Betrieben, die sich der Beschäftigungspflicht Schwerbehinderter entziehen, ist eine spürbare Erhöhung der Ausgleichsabgabe erforderlich. Dies muss vor allem dann erfolgen, wenn Unternehmen ihrer Beschäftigungspflicht dauerhaft nicht nachkommen. Nur dann kann ihre Anreiz- und Ausgleichsfunktion überhaupt zur Wirkung kommen. Darüber hinaus müssen alle Instrumente verstärkt und eingesetzt werden, um die Ausbildung, Einstellung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen zu verbessern. Es ist ein Skandal, dass der Anteil der Jugendlichen mit Behinderungen in einer betrieblichen Berufsausbildung an allen Auszubildenden nur ein Prozent beträgt. Hier liegt eine wesentliche Verantwortung von Politik und Wirtschaft gerade auch in Berlin und Brandenburg, mehr Ausbildungschancen für behinderte und schwerbehinderte Jugendliche zur Verfügung zu stellen. Dies ist am besten geeignet, dem ständig beklagten Mangel an Auszubildenden sowie Arbeits- und Fachkräften.