Schwarz-gelbes Kürzungsdiktat bei Arbeitsmarktpolitik

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Am 25. Mai verabschiedete das Bundeskabinett seinen  Gesetzentwurf zur ”Eingliederung der betroffenen Menschen auf dem Arbeitsmarkt“. Dies ist zwar eine ansprechendere Verpackung als der ursprüngliche Titel der Vorlage aus dem Hause der Bundesarbeitsministerin (“Verbesserung von Leistungsfähigkeit und Effizienz auf dem Arbeitsmarkt”) – ändert aber nichts an dem grundlegenden
Kürzungsdiktat für die Bundesagentur für Arbeit, das in der Zwischenzeit sogar  noch ausgedehnt wurde. Eingespart werden sollen bis zu 8 Mrd. Euro im Jahr.

Ursprünglich waren es Eckpunkte der Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen zur Verbesserung von Leistungsfähigkeit und Effizienz auf dem Arbeitsmarkt. Schon dabei fielen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander.

Als Zielsetzung propagiert wurde die passgenaue, auf den individuellen Fall der Beschäftigten und Arbeitslosen zugeschnittene flexible Eingliederung der Ausbildung und Arbeit suchenden Menschen. Den Mitarbeitern in den Arbeitsagenturen und Job Centern wurden mehr Übersichtlichkeit und größere Entscheidungsspielräume für die Erhöhung der Entscheidungsbefugnisse der Mitarbeiter in den Arbeitsagenturen und Job Centern versprochen. Dabei war klar, dass dieses arbeitsmarktpolitische Reformprojekt vor allem der Umsetzung des 80 Milliarden schweren Sparpaketes  der Bundesregierung (bis 2014) zur Finanzierung der gigantischen Bankenrettung  dienen sollte. Allein auf die Bundesagentur für Arbeit entfallen 16 Milliarden Euro an Kürzungen. Zusätzlich werden ihr für die Finanzierung der Kinderleistungen bei der Hartz IV Reform bis zu 4,5 Milliarden Euro aus der ihr zustehenden Mehrwertsteuer kurzerhand gestrichen. Der jüngste „Coup“ aus dem Hause der Bundesarbeitsministerin: Entfallen wird in Zukunft auch die Erstattung der Rentenversicherungsbeiträge für behinderte Menschen in Werkstätten.

Unter dem Kürzungsdiktat wurden arbeitsmarktpolitische Pflichtleistungen kurzerhand in Ermessensleistungen umgewandelt; Maßnahmen zur Existenzgründung für Arbeitslose drastisch zusammengestrichen; sogar das Recht auf Nachholen des Hauptschulabschlusses sollte entfallen. Die Privatisierung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen wurde fortgesetzt: In Zukunft sollen auch für die Aktivierung und Eingliederung arbeitsloser Menschen Vermittlungsgutscheine für die Nutzung privater „Dienstleister“- gegen Entgelt, versteht sich – eingesetzt werden. Berechtigte Sorgen bestanden darüber hinaus, dass vor allem die Maßnahmen für besonders benachteiligte Personengruppen -ältere, behinderte und schwerbehinderte Menschen- dem Rotstift zum Opfer fallen würden.

In dem anschließenden Entwurf des Gesetzes aus dem Hause der Bundesarbeitsministerin wurde nach lautstarken Protesten das Recht auf Nachholen des Hauptschulabschlusses wieder eingeführt sowie die Maßnahmen zur  Eingliederung der behinderten und schwerbehinderten Arbeitnehmer weitgehend erhalten. Es blieben jedoch die erheblichen Einschränkungen bei der Förderung des Gründungsausschusses – einem der wenigen Instrumente, das nach der Wirkungsforschung erfolgreich zur Eingliederung Arbeitsloser beigetragen hat.

Am 25. Mai verabschiedete das Bundeskabinett seinen diesbezüglichen Gesetzentwurf nicht mehr unter Ausrichtung auf Effizienz- und Leistungsorientierung, sondern auf die „Eingliederung der betroffenen Menschen auf dem Arbeitsmarkt“. Dies ist zwar eine ansprechendere Verpackung – ändert aber nichts an dem grundlegenden Kürzungsdiktat, das in der Zwischenzeit noch ausgedehnt wurde. Eingespart werde sollen damit bis zu 8 Mrd. Euro bis 2015.

Privatisierung schreitet voran

Zusammengefasst werden die Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung: Hierbei geht es um die Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt; Feststellung, Verringerung und Beseitigung von Vermittlungshemmnissen; Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung; Heranführung an eine selbständige Tätigkeit; Stabilisierung einer Beschäftigungsaufnahme. Die Arbeitsagenturen sollen größere Spielräume erhalten, am individuellen Bedarf orientierte Maßnahmenangebote zu machen. Allerdings steht dies auch unter dem generellen Vorbehalt mangelnder finanzieller Spielräume.

Zur Vermittlung beruflicher Kenntnisse“ im Rahmen der „Aktivierung und beruflichen Eingliederung“ wird zusätzlich zur Vergabe an externe Dienstleister die Gewährung von Gutscheinen zur freien Wahl der Weiterbildungsanbieter durch die Arbeitslosen vorgesehen. Die Vergabe derartiger Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheine ist grundsätzlich Ermessensleistung der Vermittlungsfachkräfte in den Arbeitsagenturen und Job Centern. Allerdings haben Arbeitslose nach 6 Monaten Arbeitslosigkeit Anspruch auf einen derartigen Gutschein zur Wahl eines externen Dienstleisters. Hierzu wird in der Begründung festgestellt: „Die privaten Arbeitsvermittler werden durch die Einbindung ihrer Leistungen in die Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung zu Partnern der Agenturen für Arbeit und der Job Center …“.

Bestehen bleiben die bisher schon geltenden Einschränkungen der Dauer betrieblicher Trainingsmaßnahmen von nicht mehr als 4 Wochen und bei der beruflichen Bildung von nicht mehr als 8 Wochen.

Diese weitere Privatisierung wird erhebliche Nachteile gerade für die schwer vermittelbaren Arbeitslosen zur Folge haben. Nach Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) mit der Umsetzung der Bildungsgutscheine in der beruflichen Fort- und Weiterbildung werden vor allem die bildungsfernen schwer vermittelbaren Arbeitslosen benachteiligt. Dies verschärft sich weiter, wenn die Vergabe von Bildungsgutscheinen in Zukunft auch für die Aktivierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen erfolgt. Ohne ausreichende Beratung und Heranführung an geeignete Bildungsträger dürften gerade sie überfordert sein. Damit erhöht sich die Gefahr der finanziellen Förderung ungeeigneter bzw. unqualifizierter Träger zu Lasten der Beitragszahler sowie der betroffenen Arbeitslosen. Ebenfalls zeigt die Evaluationsforschung deutlich, dass  Qualifizierungsmaßnahmen gerade bei den schwer vermittelbaren Arbeitslosen nicht durch einen zu engen Zeitrahmen begrenzt werden sollten. Sie sind umso erfolgreicher, je mehr sie auf die individuellen Qualifizierungsdefizite eingehen und mit anerkannten Abschlüssen beendet werden.

Zusammengeführt werden auch die vielfältigen kaum mehr überschaubaren Instrumente bei: Berufsorientierung; Berufseinstiegsbegleitung; Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen. Vorgesehen ist zudem die Kofinanzierung derartiger Maßnahmen mit 50 Prozent durch „Dritte“. Seit Jahren sind die Bundesagentur und damit die Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Beitragszahler jährlich mit mehreren Milliarden Euro für diese Maßnahmen zur Eingliederung benachteiligter Jugendlicher belastet. Damit müssen die gravierenden Defizite des Bildungssystems aufgefangen werden. Zu finanzieren wären sie vom Steuerzahler in Bund und Ländern als Verantwortliche für die Bildung. Allerdings darf diese Auseinandersetzung nicht auf dem Rücken der benachteiligten jungen Menschen ausgetragen werden.

Grundsätzlich zu begrüßen ist die Absicht, schwerbehinderte Schüler und Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarf bei der Ausgestaltung der Berufsorientierungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Damit kann der bisherigen Isolierung und Benachteiligung dieser jungen Menschen in Sondereinrichtungen entgegengewirkt und die Integration und Inklusion vorangebracht werden. Fraglich ist allerdings vor dem Hintergrund der gravierenden finanziellen Beschränkungen der Arbeitsmarktpolitik, ob die hierfür erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden können.

Nicht ohne Probleme ist zudem die Begründung für diese „erweiterte Berufsorientierung“ für junge Menschen mit sonderpädagogischen Förderungsbedarf und schwerbehinderte junge Menschen in allgemeinbildenden Schulen einschließlich der Förderschulen. So heißt es dazu in der Begründung: „Insbesondere junge Menschen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung und junge Menschen mit schweren körperlichen Behinderungen können …. Alternativen zum Übergang in eine Werkstatt für behinderte Menschen erarbeiten und umsetzen. Die Zugänge in die Werkstatt für behinderte Menschen sollen damit reduziert werden“. In jedem Fall ist es  wünschenswert, den behinderten jungen Menschen mehr Möglichkeiten im Zugang zum ersten Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu eröffnen. So entspricht es den Erfahrungen, dass in der Vergangenheit für diese Jugendlichen zu wenig Initiativen und Erfolge darauf ausgerichtet und zu schnell in Werkstätten überwiesen wurde. Gleichermaßen ist jedoch vor überzogenen Erwartungen an die Bereitschaft der Wirtschaft zu warnen, die behinderten Jugendlichen in eine geeignete und qualifizierte Ausbildung und Arbeit zu übernehmen. Ihnen muss daher auch in Zukunft der Zugang in die Werkstätten offen stehen. Auch bei anhaltend guter Konjunktur und der generellen Warnung aus der Wirtschaft vor einem Mangel an  Arbeits- und Fachkräften ist kaum zu erwarten, dass die erforderlichen Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden sind.

Kürzung bei beruflicher Weiterbildung

Erfreulich ist, dass die Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung älterer und gering qualifizierter Arbeitnehmer in kleinen und mittleren Unternehmen (Wegebau) entfristet und mit der Qualifizierung Arbeitsloser zusammengeführt werden. Höchst problematisch sind jedoch gerade bei der beruflichen Weiterbildung die generellen Kürzungsvorgaben. Dabei zeigen alle Untersuchungen und die Erfahrungen, dass gerade bei der beruflichen Weiterbildung für Ältere und gering Qualifizierte in kleineren und mittleren Betrieben in der Bundesrepublik besonders große weiße Flecken bestehen.

Hierbei wären Rechtsansprüche und präventive Fördermaßnahmen der Arbeitsagenturen und  Job Center mit ausreichender finanzieller Förderung besonders notwendig. Entsprechendes gilt für die Verzahnung von Kurzarbeit und Qualifizierung in wirtschaftlichen Krisenzeiten und zur Anpassung an Umbrüche in den Wirtschafts- und Beschäftigungsstrukturen. Notwendig wären darüber hinaus Verbesserungen der Inhalte der förderungsfähigen beruflichen Weiterbildung. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Lernerfordernisse der benachteiligten Personengruppen mit personalpolitischer, sozialer und lern-pädagogischer Unterstützung.

Wie sehr bei diesem Gesetzentwurf Anspruch und Realität auseinanderlaufen, zeigt sich auch daran, dass die bis Ende 2011 befristete Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer dem Kürzungsdiktat zum Opfer fallen soll. Sie gilt für Arbeitslose, die das 50.Lebensjahr vollendet haben und eine neue Beschäftigung aufnehmen, bei der die Nettoentgeltdifferenz mindestens 100 Euro beträgt. Mit der ursprünglich vorgesehenen Entfristung dieser Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer sollte dem Tatbestand Rechnung getragen werden, dass „flexible“ und „atypische“ Beschäftigungsformen erheblich an Bedeutung gewinnen und zu Einkommensverlusten führen können.

Wenn diese Mindestregelung zum Schutz älterer Arbeitnehmer vor einem starken Einkommensabfall Ende 2011 auslaufen soll, steht dies der erklärten Politik der Bundesregierung zur Verbesserung der Beschäftigungschancen der älteren Menschen auf dem Arbeitsmarkt entgegen. Erforderlich ist im Gegenteil: die dauerhafte Einführung eines Rechtsanspruchs älterer Arbeitsloser auf Entgeltsicherung. Zudem wäre die Information, Aufklärung und Beratung der Älteren über die Nutzung dieser Einkommenssicherung erheblich zu verbessern, wenn die bisher geringe Inanspruchnahme verbessert und damit die berufliche Eingliederung älterer Arbeitsloser gefördert werden soll.

Ein-Euro Jobs: gefangen in der Hartz IV-Falle

Höchst problematisch sind die vorgesehenen Neuregelungen zur öffentlich geförderten Beschäftigung für besonders schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose.  Gefördert werden in Zukunft nur noch: Ein-Euro Jobs und die sog. Job Perspektive, das sind Lohnkostenzuschüsse bis zu 75 Prozent bei Eingliederung Langzeitarbeitsloser mit mehreren Vermittlungshemmnissen in eine gemeinnützige Tätigkeit. Vollständig gestrichen werden damit nicht nur die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, sondern auch die bisherigen Arbeitsgelegenheiten mit Entgelt. Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen haben trotz aller Unzulänglichkeiten zumindest die Möglichkeit eines arbeitsrechtlichen Arbeitsverhältnisses mit Einkommenspauschalen geboten. Arbeitsgelegenheiten mit Entgelt wurden nach tariflichem und ortsüblichem Entgelt entlohnt. In beiden Fällen war ein begrenzter sozialversicherungsrechtlicher Schutz vorgesehen. Somit konnte die Abhängigkeit von den entwürdigenden Hartz IV Verfahren verringert werden. Dies ist bei den 1-Euro Jobs- nachweislich nicht möglich. Sie haben sich nach allen Untersuchungen und Erfahrungen als perspektivlos und mit hohen Missbräuchen und Mitnahmeeffekten behaftet erwiesen. Ginge es tatsächlich nach der Wirkungsforschung, müssten sie schnellstmöglich durch eine Eingliederung der betroffenen Menschen in längerfristige sinnvolle existenzsichernde öffentliche Tätigkeiten ersetzt werden. Dieser Weg wird mit der vorgesehenen Neuregelung   praktisch abgeschnitten. Höchst zweifelhaft ist somit das Schicksal der vom Bundesarbeitsministerium erst vor wenigen Monaten mit großem Medienwirbel als Pilotprojekte begonnenen Bürgerarbeit mit einer Pauschale von 900 Euro brutto für 30 Wochenstunden im Monat.

Eine grundsätzliche Korrektur dieser Neuregelungen der öffentlich geförderten Beschäftigung  ist dringend erforderlich: Für ansonsten nicht in den Arbeitsmarkt zu vermittelnde Langzeitarbeitslose sind  öffentliche Tätigkeiten anzubieten, die ihnen den Weg aus der Hartz IV Falle ermöglichen. Dabei muss die Förderungsdauer an den Erfordernissen der arbeitslosen Menschen sowie der zu erbringenden Leistung orientiert sein, ein existenzsicherndes Einkommen einschließlich der Sozialversicherung ermöglichen – d.h. tarifliche, oder ortsübliche Löhne, in jedem Fall nicht unter einem Mindestlohn von 8Euro50 –  und Möglichkeiten der Qualifizierung bieten. Über die Förderung derartiger Maßnahmen öffentlicher Beschäftigung für Langzeitarbeitslose müssen verbindlich einzurichtende Job Beiräte bei allen Job Centern entscheiden, wobei Arbeitgeber und Gewerkschaften ein Vetorecht haben.

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