Die unendliche Geschichte der Lohnlücke

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Die Wirtschaft startet einen erneuten Versuch, das ungeliebte Entgeltgleichheitsgesetz zu verhindern. In der kürzlich der Öffentlichkeit  vorgelegten Lohnstudie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) wird „alter Wein in neue Schläuche“ gefüllt. Der Anspruch der Wissenschaftlichkeit wird mit der Auswertung des Sozialökonomischen Panel (SOEP) begründet. Dabei sind die Fakten unstrittig und seit Jahren bekannt: Mädchen und Frauen haben zwar in Bildung und Ausbildung bis zur Hochschulbildung gegenüber den Jungen und Männern aufgeholt und sie teilweise sogar überholt. Auch in den ersten Jahren nach der Einstellung sind die Lohnunterschiede zu ihren männlichen Kollegen vergleichsweise niedrig. Allerdings steigen sie mit zunehmendem Lebensalter – insbesondere mit dem Beginn der Familiengründung und vor allem Kindererziehung. Beim anschließenden beruflichen Wiedereinstieg sind diese Lohnlücken nicht mehr zu schließen

Dabei wird auf die ebenfalls seit Jahren bekannten Tatbestände hingewiesen, dass Frauen nach wie vor Ausbildungsgänge und Berufe mit schlechterer Entlohnung wählen, häufiger in kleinen und mittleren Betrieben mit niedrigeren Einkommen tätig sind, und vor allem mit 40 Prozent Teilzeit arbeiten, wodurch die berufliche Entwicklung und natürlich auch die Entlohnung gegenüber den Männern erheblich abfallen. Ausgemacht wird darüber hinaus der enge Zusammenhang zwischen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben für Familientätigkeit und Kindererziehung sowie Übergang auf Teilzeit und Verzicht auf berufliche Karriere.

Die simple Schlussfolgerung lautet: Die Frauen sind selbst schuld an der nach wie vor großen Lohnlücke von über 20 Prozent, da sie die falschen Berufe, Wirtschaftszweige und Unternehmen wählen und zudem für die Erziehung der Kinder zu lange aus dem Berufsleben fern bleiben. Unter Berücksichtigung dieser Gründe schmilzt die Lohnungleichheit zu Lasten der Frauen auf nur wenige Prozente. Ein Entgeltgleichheitsgesetz für mehr Transparenz über die bestehenden Lohnungleichheiten sei daher nicht erforderlich. Leider übt sich das IW erneut in Enthaltsamkeit, woher diese hartnäckigen Gründe für die Lohnungleichheit von Frauen resultieren, wie sie zu beseitigen sind und welche Verantwortung der Wirtschaft dabei zukommt.

Koalitionsvereinbarung für Entgeltgleichheit

Dabei ist die Entgeltgleichheit einer der noch nicht erfüllten Aufträge aus der Koalitionsvereinbarung. Wie inländische und ausländische Untersuchungen seit Jahren zeigen, verharrt die statistische Lohnlücke zu Lasten der Frauen in der Bundesrepublik seit Jahren bei 20 bis 25 Prozent. Damit liegt Deutschland nach wie vor im Vergleich der EU bei der Entgeltgleichheit im unteren Drittel. Daran haben auch die in regelmäßigen Abständen öffentlichkeitswirksam verbreiteten Ermahnungen aus der EU Kommission sowie die jährlichen Internationalen Frauen- sowie Equal Pay Tage mit ihren vielfältigen nationalen, regionalen und lokalen Veranstaltungen bisher nichts geändert.

Die Groko stellt in ihrer Koalitionsvereinbarung dazu fest: „Die Koalitionspartner sind sich einig, dass die bestehende Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen nicht zu akzeptieren ist.“ Für die Umsetzung des Prinzips „gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ sollen Unternehmen ab 500 Beschäftigte verpflichtet werden, Transparenz über die Frauenförderung sowie Entgeltgleichheit an Hand gesetzlicher Kriterien herzustellen. Auf dieser Grundlage soll ein „individueller Auskunftsanspruch“ für Arbeitnehmer festgelegt werden. Damit sollen strukturelle Entgeltungleichheiten in Tarifverträgen gemeinsam mit den Tarifparteien erkannt und überwunden werden.

Darüber hinaus will die Groko mit den Tarifparteien die „Feststellung des Wertes von Berufsfeldern, von Arbeitsbewertungen und die Bewertung von Fähigkeiten, Kompetenzen und Erfahrungen voranbringen.“ Ebenfalls will sie zu einer geschlechtergerechten Berufswahl durch eine verbindliche Berufsorientierung in Schulen sowie Berufs- und Studienberatung beitragen. Begegnet werden soll damit gleichzeitig dem Fachkräftemangel in den mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Tätigkeitsbereichen sowie den Sozial-,Bildungs-und Gesundheitsberufen.

Gesetzentwurf zur Entgeltgleichheit blockiert

Bundesfamilienministerin Schwesig hat bereits im Dezember 2015 zu diesem komplexen Auftrag einen nicht minder umfangreichen Gesetzentwurf vorgelegt.

Dieser enthält die Verpflichtung von Unternehmen über 500 Beschäftigten zur Herstellung von Transparenz über Lohnungleichheit sowie eine jährliche Berichterstattung über Durchschnittslöhne und Tätigkeitsbereiche von Männern und Frauen sowie Maßnahmen zur Herstellung von Entgeltgleichheit. Ebenfalls enthalten ist der individuelle Auskunftsanspruch der Beschäftigten über die Entlohnung für gleiche und gleichwertige Arbeit. Festgestellte Lohnungleichheiten müssen vom Arbeitgeber drei Jahre rückwirkend und auch abweichend von tariflichen Regelungen ausgeglichen werden.

Die Wirtschaft läuft dagegen Sturm und beklagt übermäßige Belastungen und Kosten für die Unternehmen. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Mehrheit der CDU/CSU geht der Gesetzentwurf über den Koalitionsvertrag hinaus und wird deshalb bereits seit einem halben Jahr blockiert. Jetzt soll eine Arbeitsgruppe zwischen Bundesfrauenministerin Schwesig und Bundeskanzleramtschef Altmeier eine Lösung finden. Die jüngste Lohnstudie des IW wird hierzu kaum einen nützlichen Beitrag leisten können.

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