Kinder und Jugendliche sind Verlierer der Finanz- und Wirtschaftskrise

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Jetzt hat es auch die Bertelsmann Stiftung mit Ihrem Sozialen Gerechtigkeitsindex 2015 bestätigt: Armut und Ausgrenzung von Kindern und Jugendlichen haben in der EU im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrisen seit der Lehmann Pleite 2008 dramatisch zugenommen. Nur wenige Mitgliedsländer in der EU haben sich dem Zuwachs bei der Arbeitslosigkeit insbesondere der jungen Menschen entziehen können. Die Bundesrepublik konnte hierbei mit hohen Beschäftigungszuwächsen, rückläufiger Arbeitslosigkeit und derzeit der niedrigsten Jugendarbeitslosigkeit ihre günstige Arbeitsmarktentwicklung durchhalten.

Ebenfalls steigt das Gefälle der EU Mitgliedsländer zu Lasten der südeuropäischen Krisenstaaten – vor allem Griechenland, Spanien, Portugal – mit Arbeits- und Perspektivlosigkeit für bis zur Hälfte der jungen Menschen.  Bei 26 Mio. – mithin 28 Prozent der Kinder und Jugendlichen bis 18 Jahren, die von Armut und Ausgrenzung bedroht sind – rückt die von den EU Mitgliedsländern feierlich vereinbarte Agenda Europa 2020 für die Menschen in den Krisenländern in weite Ferne. Danach soll die Beschäftigungsquote auf 75 Prozent erhöht und die Anzahl der von Armut und Ausgrenzung betroffenen Menschen um 20 Millionen verringert werden.

Kinder und Jugendliche in der EU sind die „verlorene Generation“ einer Finanzpolitik der Privatisierung von Gewinnen und Sozialisierung von Verlusten. Während  die hunderten von Milliarden Verlusten der Finanzbranche von den Bürgern über Steuern und durch gravierende Kürzungen bei  Sozialleistungen, öffentlicher Infrastruktur und Daseinsvorsorge bezahlt werden müssen, konnten und können die Wohlhabenden und Reichen ihr Vermögen ungeniert in Steueroasen innerhalb und außerhalb Europas schaffen. Die üppige Finanzausstattung durch die Europäische Zentralbank bis an die Grenzen des Zulässigen und die „Dehnung“ des Lissabon-Vertrages mit seiner klaren Absage an die EU als Transferunion bietet  hierfür einen großzügigen Rahmen.

Gegenüber den hunderten von Milliarden Euro an Zahlungen und Haftungsrisiken für die Steuerzahler in der EU sind die in wahlwirksamen Gipfelkonferenzen versprochenen 6 bis 8 Mrd. Euro für die Jugendbeschäftigungsgarantie ein Tropfen auf den heißen Stein. Darüber hinaus sind sie mit hohen bürokratischen Hürden versehen, so dass sie bisher kaum in Anspruch genommen werden – dabei auch nicht von den Krisenländern, in denen die jungen Menschen sie am nötigsten brauchen.  Ebenfalls scheinen die mit großen öffentlichkeitswirksamen Ankündigungen versehenen Initiativen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit immer weiter in den Hintergrund zu rücken. Vielmehr standen oben auf der politischen Agenda in der EU und auf nationaler Ebene zunächst die Finanz- und Wirtschaftskrisen in Griechenland. Jetzt  dreht sich das Politkarussel der EU und der Mitgliedsregierungen um die Begrenzung, Verteilung und Integration der eskalierenden Zuwanderungen von Asylanten und Flüchtlingen.

Weniger günstig schneidet die Bundesrepublik in dem Sozialen Gerechtigkeitsindex der Bertelsmann Stiftung insgesamt ab, der im jährlichen Turnus erstellt wird. Gemessen an allen Indikatoren liegt Deutschland auf Platz 7 der insgesamt 28 Mitgliedsstaaten. Einbezogen werden dabei: Verhinderung von Armut, gerechte Verteilung der Bildungschancen, Zugang zum Arbeitsmarkt, Sozialer Zusammenhalt und Nichtdiskriminierung, Gesundheit, Soziale Gerechtigkeit zwischen den Generationen.

Ohne eine detaillierte Bewertung der Meß- und Bewertungskonzepte dieser Indikatoren vorzunehmen, soll auf folgende Problematik hingewiesen werden. Die Differenzen bei der sozialen Gerechtigkeit zwischen den Generationen sind zwar in der Bundesrepublik wenige stark ausgeprägt als in vielen anderen Mitgliedsländern der EU. Allerdings scheint es verfehlt, hiermit die ältere gegen die jüngere Generation auszuspielen, wie dies häufig  in den politischen Bewertungen der solidarischen Sozialversicherungssysteme – auch in der Bundesrepublik und vor allem bei der gesetzlichen Rentenversicherung – geschieht, um damit Leistungskürzungen bei den Altersrenten zu begründen. Vielmehr geht es hierbei um massive soziale Konflikte in Wirtschaft und Gesellschaft. Gelöst werden können sie nur durch Gerechtigkeit bei der Verteilung von Arbeits- und Lebenschancen insgesamt – insbesondere bei  Bildung, Arbeit, Einkommen, Vermögen und  sozialer Sicherheit.

>>> link zur Bertelsmann Studie

>>> link zu meinem Buch „Eine verlorene Generation? Jugendarbeitslosigkeit in Europa”

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