Systemgastronomie – Vorreiter für Mindestlohn

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Mit dem Beginn des neuen Jahres 2015 ist der einheitliche gesetzliche Mindestlohn für Ost und West von 8,50 Euro in Kraft getreten (Mindestlohngesetz). Ausgenommen sind allerdings Jugendliche (bis 18 Jahre), Langzeitarbeitslose (bis 6 Monate), Praktikanten und Zeitungszusteller. Außer sind für zwei Jahre Abweichungen von  diesem gesetzlichen Mindestlohn nach unten in den Branchen zugelassen, in denen die Tarifparteien sich darauf verständigen.

Die Gewerkschaften vor allem in den personenbezogenen Dienstleistungen – Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi  und die zuständige Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gastätten – haben sich seit beinahe 10 Jahren für einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn von zuletzt 8,50 Euro eingesetzt. Die Industriegewerkschaft Bauen Agrar Umwelt BAU hat bereits seit 18 Jahren tarifliche Mindestlöhne für die Bauwirtschaft und seit 7 Jahren für das Baureinigungsgewerbe durchsetzen können.Seit der Verbesserung des Arbeitnehmerentsende- und Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes 2009 sowie der Allgemeinverbindlichkeitserklärung nach dem Tarifvertragsgesetz wurde die Anzahl der tariflich geschützten Mindestlöhner (zwischen 7,20 und 14,20 Euro) auf 4,6 Millionen erheblich erhöht – allerdings bei weit über 30 Millionen abhängig Beschäftigten immer noch eine Minderheit. Dabei müssen seit den Hartzgesetzen nach 2002 über 7 Millionen Menschen in Niedriglohnsektoren arbeiten

Besonders betroffen ist die Systemgastronomie mit etwa 150 000 Beschäftigten insbesondere bei Mc Donald mit bereits über der Hälfte der Beschäftigten) Burger King, Starbucks, Pizza Hut, Nordsee, deren Löhne teilweise erheblich unterhalb des gesetzlichen Mindestlohnes liegen. Die zuständige Bundesvereinigung der Systemgastronomie(BdS) mit 730 Mitgliedsfirmen hat sich zum Ziel gesetzt, nur Arbeitgeber in ihren Verband aufzunehmen, wenn sie die Tarifbindung akzeptieren. In ihrer Charta der Systemgastronomie ist dazu festgeschrieben:  „Als verantwortungsvolle Arbeitgeber stehen wir für tariflich festgelegte und transparente Arbeitsbedingungen. Wir bekennen uns zu geltendem Recht sowie zu Tarifverträgen und halten diese ein.“

Die verantwortliche Gewerkschaft NGG konnte sich mit dem Arbeitgeberverband BdS schon frühzeitig darauf verständigen, den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde ohne Karenzzeit am 1.1.2015 einzuführen. Allerdings waren die diesbezüglichen Tarifverhandlungen besonders belastet, da sowohl der Entgelt- wie  der Manteltarifvertrag neu verhandelt werden mussten. Die Arbeitgeberseite verfolgte das Interesse, die teilweise erheblichen Lohnsteigerungen durch die Einführung des Mindestlohnes bis 20 Prozent vor allem in den neuen Bundesländern durch Abstriche bei Weihnachts-, Urlaubsgeld sowie Feiertags- und Mehrarbeitszuschlägen auszugleichen.

Nach monatelangen erfolglosen Verhandlungsrunden haben sich beide Tarifparteien in der Systemgastronomie NGG und BdS auf eine freiwillige Schlichtung verständigt und mich als Schlichterin bestellt. Dabei konnte nach mühseligen Schlichtungsrunden am 16.12.2014  bis nach Mitternacht  ein von beiden Seiten akzeptiertes Ergebnis erzielt werden. Dies wurde von der Bereitschaft beider Tarifparteien getragen,  tarifliche Verbindlichkeit und Zusammenarbeit fortzuführen.

Fazit

Bedeutsam bei diesem Tarifergebnis für den Entgelt- und Manteltarifvertrag ist, dass  die Einführung des Mindestlohnes, die in der Systemgastronomie teilweise zu erheblichen Lohnaufbesserungen führen wird,  nicht von den Beschäftigten mit einer Verschlechterung ihrer Leistungen aus dem Manteltarifvertrag bezahlt werden muss– vor allem bei Weihnachts-, Urlaubsgeld oder vermögenswirksamen Leistungen sowie Feiertags-,Mehrarbeits- oder Nachtzuschlägen. Für neu einzustellende Beschäftigte mit dem höheren Mindestlohn in den unteren Lohngruppen werden diese Jahressonderzahlungen nach einer Übergangszeit ebenfalls gewährt. Die Arbeitgeber ließen sich davon überzeugen, dass dies besonders wichtig sei, um genügend und qualifizierte Fachkräfte für die Systemgastronomie bei dem demografisch bedingten Rückgang der jüngeren Generationen zu gewinnen. Gleichzeitig erfordern die veränderten Lebensgewohnheiten mit einer Zunahme des Fast Food Konsums und gleichzeitig das größere Ernährungsbewußtsein eine Verbesserung der Qualität an Stelle der Dumping-Konkurrenz. Noch zu verhandeln bleibt für beide Tarifparteien, ob und inwieweit der Aus- und Aufbau einer betrieblichen Altsersversorgung vorangebracht werden sollte.

Dass dieses Tarifergebnis für Entgelt- und Manteltarifvertrag zustande kommen konnte, haben die Beschäftigten mit ihren erstmaligen und sichtbaren Warnstreiks erheblich befördert

Für die Gewerkschaften und Arbeitnehmer würde eine derartige Aufrechnung des gesetzlichen Mindestlohnes gegen die Jahressonderzahlungen ihren jahrelangen Einsatz für einheitliche gesetzliche Mindestlöhne erheblich gefährden und  gegen die Zielsetzung des Mindestlohngesetzesvon 2014 verstoßen. Dies wäre zudem ein erheblicher Aderlaß, da die in der Systemgastronomie Beschäftigten bei den besonders harten Arbeitsbedingungen sowie der Schichtarbeit mit niedrigen Verdiensten auf die Sonderzahlungen dringend angewiesen sind. Zudem wäre dies ein gefährliches Präjudiz für weitere Tarifverhandlungen in den Niedriglohnsektoren. Die Erfahrungen zeigen erhebliche Ausweichmanöver gegenüber den bisher vor allem tariflichen Mindestlöhnen. Darunter leiden nicht nur die betroffenen Arbeitnehmer, sondern ebenso Arbeitgeber, die sich korrekt nach Mindestlohngesetz und Tarifverträgen verhalten.

Dies gilt auch für die Systemgastronomie, die besonders unter der Billiglohnkonkurrenz leidet. Eine wesentliche Aufgabe sehen beide Tarifparteienseit Jahren darin, die praktische Durchsetzung der Tarifbedingungen sicher zu stellen. Die in der Öffentlichkeit durch die Enthüllungen des Team Wallraff Reporter Undercover bekannt gewordenen gesetz- und tarifwiderigen Verstöße in 89 Filialen des Burger King Franchisers Yi Ko Holding  sind der jüngst bekannt gewordene besonders spektakuläre Fall. Die öffentliche Empörung bis zur kurzfristigen Insolvenz von Burger King Yi Ko Holding haben nicht nur die 3000 Beschäftigten, darunter viele Frauen im höheren Lebensalter, ausgerechnet zum Jahresende 2014 in Existenzängste gestürzt. Auch bei Mc Donald hat dies zunächst zu Umsatzeinbrüchen beigetragen, da ein Teil der Kunden keine Unterschiede machte, von welchem Franchiser der Hamburger stammt.

Mit welch harten Bandagen in dieser Branche gearbeitet wird, zeigt derAustritt des ehemaligen Geschäftsführers von Yi Ko Holding Ergün Yildis aus dem Arbeitgeberverband BdS. Danach hätten neueingestellet Mitarbeiter ab März 2015 nur noch den gesetzlichen Mindestlohn erhalten. Alle weiteren Leistungen aus dem Manteltarifverträg wären entfallen: Weihnachts- und Urlaubsgeld,  Mehrarbeits-, Feiertags- und Nachtzuschläge sowie vermögenswirksame Leistungen. Inzwischen ist die fristlose Entlassung dieses verantwortungslosen Burger King Geschäftsführers erfolgt. Mit der vorübergehenden Insolvenz wurden die Gehaltszahlungen und sonstigen Leistungen an die betroffenen Mitarbeiter gewährt und die Wiedereröffnung der 89 Filialen ermöglicht.

Insgesamt könnten diese Tarifergebnisse sowohl des Entgelt- wie Manteltarifvertrages ein gutes Beispiel für weitere Tarifverhandlungen bei der Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes auch in anderen Niedriglohnbranchen sein.

>>> Anlage 1 Gemeinsame Pressemeldung

>>> Anlage 2 Wesentliche Fakten zur Systemgastronomie

>>> Anlage 3 Presseberichte

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