Flexirente – Segen oder Fluch?

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Die öffentlichen Kontroversen über den flexiblen Zugang in die Teilrente ab 60 Jahren muten an wie „Ball verkehrt“. Anlass ist der Beschluss der Großen Koalition in ihrem gerade durchgeboxten Rentenpaket mehr Flexibilität beim Übergang in die Altersrente zu prüfen. Damit wurden die Gegner der abschlagsfreien Rente mit 63 in den Reihen des Wirtschaftsflügels der CDU besänftigt. Eingesetzt wird dazu eine Arbeitsgruppe unter Mitwirkung der Arbeitgeber und Gewerkschaften, die in den nächsten Tagen mit ihrer Arbeit beginnen soll.

Der DGB hat dazu im Vorfeld Vorschläge einiger Mitgliedsgewerkschaften aufgegriffen und eine größere Flexibilität von Teilrentenmodellen ab 60 Jahren angemahnt. Ausgerechnet von den Flexibilitäts-Aposteln im Wirtschaftsflügel der CDU wird jetzt „Zeter und Mordio“ geschrien. Wieder einmal wird die Demographie beschworen, die es nicht zulasse, auf die Erfahrungen der älteren Mitarbeiter zu verzichten. Bleibt nur sarkastisch zu fragen: Was hat die Wirtschaft in den vergangenen Jahren getan, um den seit Jahren bekannten demographisch bedingten Rückgang bei der Erwerbstätigkeit sowie der zunehmenden Alterung der Beschäftigten zu begegnen. Zwar ist die Beschäftigung der Arbeitnehmer über 50 und 55 Jahren erheblich angewachsen. Allerdings ist die Erwerbsbeteiligung der sog. rentennahen Jahrgänge –mithin über 60 Jahre- immer noch sehr niedrig und nimmt weiter ab, je näher sie an das Rentenalter heranrücken.

Zudem weisen die Arbeitsmarktstatistiken der Bundesagentur für Arbeit Monat für Monat aus: Die spürbare Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt ist bei den älteren Arbeitslosen, wobei das Altern bereits mit 55 Jahren beginnt, kaum angekommen. Trotz der ständigen medialen Propaganda über den Arbeits- und Fachkräftemangel haben die Älteren wenig Chancen, überhaupt einen Arbeitsplatz zu ergattern, noch weniger, über das Arbeitsprekariat mit Minijobs, Befristung, Leiharbeit, Werkverträgen zu Niedrigstlöhnen hinauszukommen- geschweige denn einen solche Arbeit zu erhalten, in der sie ihre beruflichen Erfahrungen überhaupt einbringen können. Während es in einem Teil der Großbetriebe durchaus Leuchttürme für eine Personalpolitik mit der alternsgerechten Gestaltung von Arbeitsbedingungen gibt, ist dies bisher gerade in den kleinen und mittleren Betrieben wenig ausgeprägt.

Wenn daher jetzt gerade der CDU Mittelstand auf den längeren Verbleib älterer Arbeitnehmer drängt, wäre dringend zu empfehlen, ein alternsgerechtes Personalmanagement einzuführen. Dann wären viele Qualifikationspotentiale bei den älteren Arbeitnehmern zu heben. Nach Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit könnten durch geeignete inner- und außerbetriebliche Arbeitsmarktpolitik bei den über 55-jährigen Arbeitnehmern in den nächsten 10 Jahren 1,2 Mio. zusätzliche Arbeitskräfte gewonnen werden – etwa ein Fünftel der gesamten demographisch bedingten Fachkräftelücke.

Die Möglichkeit einer größeren Zeitsouveränität für die älteren Arbeitnehmer durch mehr Flexibilität bei der Kombination von Teilzeitarbeit und Teilrente könnte hierbei einen wesentlichen Beitrag leisten. Wie arbeitsmedizinische Untersuchungen und betriebliche Erfahrungen deutlich zeigen, können durch eine derartige Entzerrung zwischen Arbeits- und Freizeit die gesundheitlichen Voraussetzungen erheblich verbessert und ein somit ein längerer Verbleib im Erwerbsleben ermöglich werden. Dies setzt allerdings erhebliche Kreativität und Anpassung im betrieblichen Personalmanagement sowie in der außerbetrieblichen Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik voraus.

Es wäre hilfreich, wenn sich die Arbeitsgruppe zur Flexirente auf praktikable Vorschläge zur Altersteilzeit und Teilrente verständigen könnte. Dabei ist eine wesentliche Voraussetzung, dass der Übergang in die Altersrente tatsächlich in Teilzeit und nicht in Blockmodellen mit einer weiteren generellen Vorziehung des Rentenalters erfolgt. Nur dann kann auch die Mehrheit der älteren Arbeitnehmer davon Gebrauch machen, die sich einen immer weiter vorgezogenen Rentenbeginn mit niedrigeren Renten gar nicht leisten können. Dies wäre auch eine gute Hilfe für diejenigen, die über das Rentenalter im Erwerbsleben verbleiben wollen – vorausgesetzt natürlich, dass ihnen die Arbeitgeber dazu überhaupt humane Arbeitschancen ermöglichen. Bleibt es bei den bisherigen Blockmodellen bei der Altersteilzeit mit vorgezogenem Ruhestand würde die soziale Ungerechtigkeit der Rente mit 63 auf Kosten aller Beitragszahler weiter fortgesetzt.

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