Tarifautonomie versus Tarifeinheit

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Tarifautonomie versus Tarifeinheit

Der Streik der Lufthansa Piloten lässt wieder einmal den Ruf nach einem Eingriff des Gesetzgebers in die Tarifautonomie laut werden. BDA und DGB verlangen, dass die Tarifeinheit per Gesetz festgelegt wird. Diese Forderung war bereits vor zwei Jahren  an die vorherige schwarz-gelbe Bundesregierung herangetragen worden. Bereits damals hat sich der Vorsitzende von Verdi, Frank Bsirske gegen diese gemeinsame Initiative von BDA und DGB gewandt. Auch der ehemalige Koalitionspartner FDP war dagegen.

Jetzt ist diese Forderung nach einer gesetzlichen Festlegung der Tarifeinheit  im Koalitionsvertrag der GoKo enthalten. Das heißt, in einem Betrieb soll immer nur ein Tarifvertrag gelten. Dieser wird von der Gewerkschaft verhandelt, bei der die Mehrzahl der Beschäftigten in einem Betrieb organisiert ist. Für die Gültigkeitsdauer dieses Tarifvertrages gilt die Friedenspflicht – auch für konkurrierende Gewerkschaften im Betrieb.

Bezogen auf die Vereinigung Cockpit würde dies bedeuten: Obwohl die große Mehrheit der Lufthansa Piloten bei ihr organisiert sind, hätte sie kein Recht, eigenständige Tarifverhandlungen zu führen und zur Durchsetzung ihrer Forderungen im Notfall auch einen Arbeitskampf zu führen. Ihr wäre damit die wesentliche Existenzgrundlage entzogen.

Dieses Prinzip der Tarifeinheit hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 7. Juli 2010 aufgehoben. Seither hatte es verschiedene in der Öffentlichkeit viel beachtete Streiks der sogenannten Spartengewerkschaften im Rahmen ihrer Tarifverhandlungen gegeben. Besonderes öffentliches Aufsehen erregt haben die Streiks der Krankenhausärzte, organisiert im Marburger Bund oder der Gewerkschaft der Lokführer (GdL) für die große Mehrzahl ihrer Berufsgruppe bei der Deutschen Bahn. In allen diesen Fällen haben sich die betroffenen Berufssparten in eigenständigen Gewerkschaften organisiert, während die Mehrzahl der Beschäftigten ihrer Betriebe bei Verdi organisiert ist. Es ist daher besonders hervorzuheben, dass sich die am meisten betroffene Gewerkschaft im DGB, Verdi, selbst gegen eine derartige Initiative zur Gewerkschaftseinheit wendet.

Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass ein derartiges Gesetz zur Tarifeinheit gegen das Verfassungsgebot zur Vereinigungsfreiheit und Tarifautonomie in §§ 8 und 9 unseres Grundgesetzes verstoßen würden. Darin ist klar geregelt, dass Arbeitnehmer das Recht haben, Gewerkschaften ihrer Wahl zu gründen.  Und Gewerkschaften haben das Recht, zur Durchsetzung von Tarifforderungen Arbeitskampfmaßnahmen zu ergreifen. Beides hat grundsätzlich ohne Einmischung des Staates zu geschehen. Diese Gebote des Grundgesetzes als wesentliche Eckpfeiler unseres Sozialstaates basieren auf Internationalen Normen der Internationalen Arbeitsorganisation. Dort ist auch der DGB seit Jahrzehnten tätig, um diese Grundsätze der Vereinigungsfreiheit und Tarifautonomie in der ganzen Welt durchzusetzen. Jetzt soll dieses Prinzip ausgerechnet in der Bundesrepublik mit einer besonders starken Stellung der Tarifparteien nicht mehr gelten.

Sollte es tatsächlich zu einer gesetzlichen Regelung der Tarifeinheit kommen und damit den Spartengewerkschaften eine wesentliche Grundlage ihrer Existenz- die Tarifautonomie – genommen werden, ist dies nicht nur ein Verstoß gegen die Vereinigungsfreiheit und Tarifautonomie in unserem Grundgesetz. Darüber hinaus könnte sich dies auch früher oder später als Bumerang gegen die etablierten DGB Gewerkschaften richten.

Erforderlich ist vielmehr, dass auch die Spartengewerkschaften ihre Verantwortung für die Verhältnismäßigkeit ihrer Tarifforderungen sowie der Arbeitskampfmaßnahmen übernehmen. Dazu setzen ihnen die Reaktionen der betroffenen Menschen- z.B. von Streiks der Krankenhausärzte, Lokführer und Piloten -  die  gesellschaftlich notwendigen Grenzen. Ebenfalls ist dies eine ständige Herausforderung für die jeweils größere Gewerkschaft- in diesem Fall Verdi – sich wirksamer um die  Durchsetzung der Interessen dieser Berufsgruppen zu kümmern. Dies gilt umso mehr, als Verdi dabei die große Verantwortung hat, sicherzustellen, dass nicht kleine spezielle Berufsgruppen für sich besonders hohe Forderungen durchsetzen, die zu Lasten der großen Mehrzahl der Beschäftigten in den jeweiligen Betrieben führen – seien dies die Beschäftigten in den Krankenhäusern, der Bahn oder der Lufthansa.

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