Steiniger Weg zum gesetzlichen Mindestlohn

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SPD, Gewerkschaften und Sozialverbände haben mit der  Entscheidung in der Großen Koalition zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes von 8,50 einen sozialpolitisch wesentlichen Etappensieg errungen. Jetzt kommt es bei den parlamentarischen Beratungen zu dem Entwurf des „Tarifstärkungsgesetzes“ darauf an, diesen Mindestlohn auch ohne Durchlöcherung durchzusetzen. Bereits die im Gesetzentwurf enthaltenen Ausnahmen für Jugendliche und Langzeitarbeitslose können einer Unterwanderung die gesetzlichen Tore öffnen. Dies gilt noch mehr für die von Teilen der Wirtschaft und der CDU geforderten zusätzlichen Ausnahmen für Praktikanten oder Saisonarbeitskräfte.

Geradezu eine Zerfledderung würde erfolgen, wenn die Minijobs ausgenommen werden. Wenn ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro die ausufernden Niedrig- und Armutslöhne eingrenzen soll, muss er gerade für die prekären Arbeitsverhältnisse gelten. Dabei geht es um einen großen Teil der 800 000 Leiharbeitnehmer, die in überdurchschnittlichem Ausmaß ergänzende Hartz IV Leistungen beziehen müssen. Aber noch bei weitem größer ist die Armut bei Arbeit für die ausufernden über 7 Millionen Minijobber, davon zwei Drittel Frauen und viele ältere Arbeitnehmer sowie Rentner.

Der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro muss grundsätzlich für alle Arbeitsverhältnisse gelten- mithin auch für Jugendliche, Langzeitarbeitslose, Praktikanten, Saisonarbeitskräfte und alle Wirtschaftsbranchen. Dann brauchen auch keine verwirrenden Debatten über die Definition von Praktika zu Ausbildungszwecken, die vielfältigen Maßnahmen zu Berufsvorbereitung und Berufseinstieg, Saisonarbeit oder die Einbeziehung z.B. des Gaststättenbereichs, der Austrägerdienste oder der Taxi- und Friseur Innung  geführt werden.

Die Doppelbödigkeit der Argumente wird besonders deutlich, wenn junge Menschen vom Mindestlohn ausgeschlossen werden sollen, da sie dann angeblich auf eine Ausbildung verzichten. Dabei wollen Teile der Wirtschaft noch weit über die im Gesetzentwurf vorgesehene Altersgrenze von 18 Jahren hinausgehen und sie auf 21 oder sogar 23 Jahre heraufsetzen. Dies würde Umgehung und Missbrauch Tür und Tor öffnen. Deshalb muss es bei dem Grundsatz bleiben: Der gesetzliche Mindestlohn gilt grundsätzlich für alle Arbeitsverhältnisse – unabhängig vom Alter der Betroffenen. Wir können nicht von jungen Menschen die Übernahme von Verantwortung in Wirtschaft und Gesellschaft verlangen und ihnen andererseits durch Vorenthaltung des gesetzlichen Mindestlohnes die eigene Entscheidung über Ausbildung oder Arbeit verwehren.

Auch Langzeitarbeitslose dürfen durch Vorenthaltung des gesetzlichen Mindestlohnes für die ersten sechs Monate nicht noch weiter zu Menschen zweiter und dritter Klasse degradiert werden. Gerade sie sind am meisten auf einen gesetzlichen Mindestlohn angewiesen. Dabei werden sie sich bei der vorgesehenen Einstiegshöhe von 8,50 Euro nur in einem Teil der Fälle überhaupt aus der Hartz IV Falle befreien und vor Armut im Alter bewahren können. Eine  Aushöhlung des Mindestlohnes würde erfolgen, wenn die Sanktionsregelungen weiter verschärft werden. Dies würde den Druck auf Langzeitarbeitslose erhöhen, Niedrigstlöhne und prekäre Arbeitsbedingungen zu akzeptieren. Dies steht der erklärten Zielsetzung des gesetzlichen Mindestlohnes entgegen, dass bei Vollzeitarbeit zumindest ein existenzsichernder Lohn zu erzielen sein muss.

Gerade für langzeitarbeitslose Menschen ist zudem entscheidend, dass die erste Erhöhung nicht- wie im Gesetzentwurf vorgesehen- erst 2018 erfolgt, sondern vorgezogen wird. Wie Untersuchungen zeigen, bedarf es der weiteren regelmäßigen Anhebung um etwa 3 Prozent, um nicht trotz gesetzlichem Mindestlohn bei Arbeit und Rente weiter in die Hartz IV Spirale nach unten zu geraten. Dies muss auch Maßstab sein, wenn die im Gesetzentwurf vorgesehene ständige Mindestlohnkommission der Tarifparteien die Steigerungsraten des Mindestlohnes „nachlaufend an der Tarifpolitik“ festlegt.

Als Vorsitzende des Arbeitskreises für Sozialversicherung im Sozialverband Deutschland (SoVD) bin ich an dem Bündnis für Mindestlohn ohne Ausnahmen beteiligt. Dies wurde von den Gewerkschaften ins Leben gerufen. Beteiligt sind zusätzlich zu den Gewerkschaften insbesondere die maßgeblichen Wohlfahrts- und Sozialverbände sowie Erwerbsloseninitiativen. Anlässlich der Beratungen des Gesetzentwurfs zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes im zuständigen Bundestagsausschuss am 30.Juni ruft das Bündnis zu einer Demonstration auf.

>>> Gemeinsamer Aufruf zum Mindestlohn

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