Die FAZ und ihr Kampf gegen gesetzliche Mindestlöhne

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Die Gegner des von der Großen Regierungskoalition vereinbarten gesetzlichen Mindestlohnes von 8,50 Euro in der Stunde wittern Morgenluft. Auf Initiative der FAZ  (31. Januar, S. 11) wird ein neues Aufregerthema durch die Medien getrieben: Wieder einmal geht es um die Korrektur der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA). Diesmal musste die Zahl der Aufstocker mit Vollerwerbstätigkeit erheblich nach unten korrigiert werden. Damit – so die FAZ – seien die Argumente für den von der Großen Koalition vereinbarten gesetzlichen Mindestlohn, dass bei Vollerwerbstätigkeit ein existenzsichernder Lohn erzielt werden müsse, hinfällig.

Der Versuch einer Neuauflage des politisch und medial hochgespielten Skandals um die Vermittlungsstatistik der BA von 2002 kann allerdings auch diesmal nicht gelingen – so auch die Selbsterkenntnis der FAZ. Es reicht weder für den „Traum“ einer Agenda 2020 oder sogar einer verschärften Neuauflage der Hartzgesetze. Außerdem fallen die notwendigen Korrekturen bei der Anzahl der Aufstocker mit Vollzeittätigkeit vor allem in die Verantwortung  der Betriebe und ihrer Meldungen an die Beschäftigtenstatistik.

So ist es ohne Zweifel korrekturbedürftig, wenn zur Jahresmitte 2013 nicht 335 000 Personen mit Vollerwerbstätigkeit wegen zu niedriger Löhne auf Hartz IV angewiesen sind, sondern „nur“  218 000.  Auch bezüglich des von Armut betroffenen Personenkreises handelt es sich nicht – wie ursprünglich statistisch festgestellt – um 6,4 Prozent alleinstehende Vollerwerbstätige, sondern mit 3,9 Prozent etwas mehr als der Hälfte. Aufstocken müssen daher mehr alleinverdienende Erwerbstätige mit mehreren Kindern. Dabei rechnet die FAZ vor, dass bei einem Paar mit drei Kindern ein Anspruch auf Grundsicherung über ALGII von 2088 im Monat besteht, der einen zweistelligen Mindestlohn erforderlich machen würde, um ein armutsfestes Einkommen zu erzielen. Damit soll natürlich verdeutlicht werden, dass für solche Fälle auch der von der GroKo beschlossene gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde keinesfalls ausreichen würde. Allerdings dient dies nicht zu der konsequenten Begründung, der gesetzliche Mindestlohn müsse höher liegen – sondern umgekehrt soll dies die Unsinnigkeit der GroKo Vereinbarung zu einem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde deutlich machen.

Erst im zweiten Teil des FAZ Beitrages zu diesem Mindestlohn-„Aufreger“ wird die „Katze aus dem Sack“ gelassen. Denn spiegelbildlich zur Korrektur der Aufstocker bei den Vollzeitbeschäftigten nach unten muss die Zahl der Teilzeitbeschäftigten mit Armutseinkommen und entsprechenden Ansprüchen an ALGII und Hartz IV nach oben korrigiert werden. Sie war um 119 000 höher und betrug zur Jahresmitte 2013  mit 363 000 erheblich mehr als bisher statistisch dargestellt.

Auch den eigentlichen Skandal verschweigt die FAZ nicht – allerdings ohne Konsequenz:  Eine halbe Million Aufstocker üben nur einen Minijob aus. Bei der verheerenden Explosion der Minijobs auf über 7 Millionen müssen eine halbe Million von ihnen über Aufstockungsleistungen vor der Armut bewahrt werden. Die Armut bei Arbeit mit zwischen 1,3 und 1,4 Millionen Menschen ist ein gigantischer Kombilohnsektor vor allem zugunsten der Arbeitgeber, den die Steuer- und Beitragszahler jährlich mit über 10 Milliarden Euro finanzieren müssen.  Die Rechtfertigung, damit würde der Zugang in den regulären Arbeitsmarkt ermöglicht, hat sich bislang in den meisten Fällen als „Illusion“ erwiesen. Schon allein, um die massenhafte „Nutzung“ der Minijobs zur Senkung der Löhne zu beenden,  ist ein existenzsichernder gesetzlicher Mindestlohn unabdingbar.

Anstelle „beckmesserisch“ die bereits löcherige GroKo Entscheidung für einen gesetzlichen  Mindestlohn von 8,50 Euro zu geißeln, sollten eher Vorschläge gemacht werden, wie Unkultur und Missbrauch bei den Minijobs endlich wirksam begegnet werden kann. Dazu ist aber leider in der GoKo Koalitionsvereinbarung nichts zu erkennen.  Einheitliche gesetzliche Mindestlöhne – beginnend mit 8,50 ohne Durchlöcherung wie ein Schweizer Käse, dafür aber möglichst baldige Anhebung – sind eine unabdingbare Voraussetzung. Mindestens so notwendig ist die möglichst baldige Beendigung des Skandals der Minijobs im Deutschen Arbeitsmarkt, mit über zwei Drittel zu Lasten der Frauen. Dringend erforderlich ist die grundsätzliche Einbeziehung aller Arbeitsverhältnisse – ob Vollzeit oder Teilzeit – in die Sozialversicherung und die Ausdehnung der Teilzeit gemäß der Wünsche der betroffenen Arbeitnehmer/innen. Die GroKo hat dazu die Mehrheiten – aber offensichtlich nicht die politische Kraft.

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