CDU Ministerinnen: Streit um Frauenquote

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Bundesfamilienministerin Kristina Schröder und Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen streiten über die Frauenquote in der Wirtschaft. Frau Schröder will eine flexible Selbstverpflichtung der Wirtschaft für den Anteil von Frauen in Führungsfunktionen und Frau von der Leyen eine feste Quote als Untergrenze von je mindestens 30 Prozent für Männer und Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen. Seit vielen Jahren gibt es bereits eine freiwillige Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Wirtschaft über die Förderung von Frauen in Führungsfunktionen. Diese ist allerdings “krachend” gescheitert, wie Frau von der Leyen feststellt. Eine gesetzliche Quote für die Besetzung der Vorstände und Aufsichtsräte ist überfällig. Zur Bekämpfung der grundgesetzwidrigen vielfältigen Diskriminierung gegenüber Frauen im Erwerbsleben ist darüber hinaus ein Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft dringend erforderlich.

Ablenkungsmanöver und Aktionismus

Mit sicherem Medien-Instinkt versucht Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen von ihrer glücklosen Baustelle Hartz IV abzulenken. Sie hat sich ein neues medienträchtiges Politikfeld ausgesucht: die Frauenquote. Dabei ficht es sie auch nicht an, wenn sie damit ihrer Parteikollegin und Bundesfrauenministerin Kristina Schröder in die Parade fährt. Die beiden Top CDU Frauen eint der Bericht der Sachverständigenkommission zum Ersten Gleichstellungsbericht. In Auftrag gegeben hatte ihn Frau von der Leyen 2008. Übergeben wurde er vor Kurzem im Bundesfamilienministerium – allerdings ohne Beteiligung der neuen Ministerin Schröder. Der Bericht dürfte zur wieder aufgeflammten Quotendebatte seinen Beitrag leisten. Er enthält in bemerkenswert deutlicher Form detaillierte und konkrete Hinweise auf die „verfassungswidrigen“ Formen der Diskriminierung gegenüber Frauen in Arbeit und Gesellschaft. Auch die Schlussfolgerungen sind außergewöhnlich klar ausgefallen: Von Mindestlöhnen, über eigenständige Soziale Sicherheit, Beseitigung des Skandals der Minijobs sowie der gravierenden Benachteiligungen in Leiharbeit und bei der Arbeitsmarktpolitik bis zur Ausrichtung der Vergabe öffentlicher Aufträge an der Frauenförderung im Betrieb.

Nur bei der Quote für Frauen in Aufsichtsräten und Führungspositionen ist zwar die Analyse der krassen Benachteiligung von Frauen deutlich, aber die Schlussfolgerungen dürftig. So empfiehlt die Kommission dem Gesetzgeber „Modelle für branchenspezifische sowie auch eine branchenübergreifende Mindestsanteilsregelung zu eruieren“. Schon diese gespreizte Sprache -im auffälligen Gegensatz zu den sonstigen eher plakativen Empfehlungen- zeigt, wie schwer sich die Kommissionsmitglieder mit einer klaren Position bei der Quotenregelung getan haben. Noch weniger Einigkeit herrscht jedoch bei diesem unzweifelhaft „sensiblen“ Thema in der Regierungskoalition. Frau von der Leyen will noch in diesem Jahr einen Vorschlag vorlegen – an Stelle einer genauen Vorgabe will sie eine 30 Prozent Mindestgrenze in Aufsichtsräten und Vorständen für Männer und Frauen einführen. Bleibt die entscheidende Frage: Warum nur 30 Prozent, wenn der Anteil der Frauen am Erwerbsleben über 40 Prozent beträgt. Eine derartige 40 Prozent Quote wurde in Norwegen mit gutem Erfolg bereits praktisch umgesetzt. Frankreichs Parlament hat erst kürzlich beschlossen, dass Unternehmen innerhalb der nächsten 6 Jahre mindestens 40 Prozent der Posten in ihren Vorstandsetagen mit Frauen besetzen müssen.

Frau Schröder hingegen will nur einen Stufenplan für eine  gesetzliche Verpflichtung zur Selbstverpflichtung einführen – bereits ein Widerspruch in sich selbst: Entweder gibt es eine gesetzliche Verpflichtung oder es bleibt bei freiwilligen Vereinbarungen. Nach ihrem Vorschlag sollten Unternehmen ab einer gewissen Größe selbst eine Frauenquote festlegen, die innerhalb von zwei Jahren erfüllt werden müsste. Was ist, wenn sie dies nicht oder nur halbherzig tun? Offensichtlich scheint der Ministerin Schröder entgangen zu sein, dass die bisherigen Selbstverpflichtungen der Deutschen Wirtschaft „krachend gescheitert“ sind – wie selbst Frau von der Leyen urteilt. Auch die saarländische Arbeitsministerin Kramp-Karrenbauer, die als Anwärterin auf die Nachfolge von Peter Müller als Ministerpräsidentin gilt, und schon etwas längere praktische politische Erfahrungen aufweist als Frau Schröder, spricht sich in gewundenen Worten für eine „letzte Chance“ der Wirtschaft mit freiwilligen Verpflichtungen aus.

Die Bundesjustizmninisterin Leuthäuser-Schnarrenberger (FDP) hat sich umgehend gegen starre Frauenquoten geoutet. Und die Wirtschaft schreit bereits „Zeter und Mordio“ gegenüber jeglicher Quotenregelung und selbst gegenüber Gesetzesvorgaben zu freiwilligen Selbstverpflichtungen. Nach FDP Generalsekretär Christian Lindner gingen die Liberalen davon aus, dass „Unternehmen aus eigenem Interesse in ihre Führungen die Bestqualifizierten berufen“. Bleibt die bange Frage: Woran wird die „Bestqualifizierung“ gemessen? An ihren Voraussetzungen bei Bildung und Ausbildung kann es wohl kaum liegen. Die sind nämlich im Schnitt mindestens gleichwertig, wenn nicht sogar besser als die ihrer männlichen Konkurrenten. Bei den Abiturienten/innen stellen Frauen über 55 Prozent und bei den Absoventen/innen eines Studiums mehr als 51 Prozent.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in der ihr eigenen Art der Streitschlichtung ihre beiden Ministerinnen aufgefordert, miteinander Gespräche zu führen und im März ein Treffen mit den Arbeitsdirektoren der 30 DAX Unternehmen zu organisisieren. Danach werde es „zeitnah“ einen Vorschlag der Bundesregierung geben – was immer dies auch bedeuten mag. Allerdings drängt die Zeit. Die zuständige EU Kommissarin will bereits im April eine Initiative zur Frauenquote in der Wirtschaft vorlegen.

Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft überfällig

Wenn die Ministerinnen von der Leyen und Schröder nicht nur Ablenkungsmanöver und Aktionismus betreiben wollen, müssen sie sich gemeinsam für die Durchsetzung einer Frauenquote von mindestens 40 Prozent in Aufsichtsräten und Führungsetagen unserer Wirtschaft  einsetzen. Allerdings reicht das nicht aus. Denn es hilft nicht den vielen Millionen Frauen in den 400- und 1-Euro Jobs, der massenhaft boomenden Leiharbeit, der befristeten Beschäftigung oder der kaum existenzsichernden Selbständigkeit von einem Projekt zum anderen – alles natürlich zu Niedriglöhnen. Zwei Drittel der 7 Millionen Niedriglöhner in Deutschland sind Frauen. Deutschland hält im Vergleich der Mitgliedsländer in der Europäischen Union bei der Lohnlücke mit 23 Prozent nach Malta und Zypern die „Rote Laterne“ und liegt weit über dem EU Durchschnitt von 17,4 Prozent.

Ein Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft ist längst überfällig. An Vorstößen hat es nicht gefehlt: Bereits Christine Bergmann, Bundesfrauenministerin in der Rot-Grünen Koalition, unternahm einen ersten Versuch. Unterstützt und aktiv begleitet wurde dies von den Frauen in den Gewerkschaften. Vorgesehen waren verbindliche Vorgaben für die Gleichstellung von Frauen bei Einstellung, Entlohnung, Qualifizierung, Aufstieg sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – insbesondere bei den Arbeitsbedingungen für Männer und Frauen. Hohe Priorität legte dieser Gesetzentwurf auf die Verbesserung der Verhandlungsmacht von Gewerkschaften und Betriebsräten sowie die praktische Umsetzung über ein Verbandsklagerecht, um Frauen vor Repressionen zu schützen.  Diese Gesetzesinitiative scheiterte jämmerlich an der Mehrheit und Macht der Männer.

Heraus kam die Einigung auf ein Bündnis von Bundesregierung und Wirtschaftsverbänden zu freiwilligen Vereinbarungen über die Gleichstellung und Frauenförderung in der privaten Wirtschaft. Die bisherigen Ergebnisse sind mehr als dürftig und stehen in keinem Verhältnis zu den großangelegten Öffentlichkeitsevents bei ihrer Verkündung. Seit 2001 gibt es ein Gleichstellungsgesetz für die Bundesverwaltung, das in der Folgezeit verbessert werden konnte. Darin ist eine relative Quotenregelung enthalten. Seitdem werden Stellen im öffentlichen Dienst mit dem Zusatz versehen, dass bei gleicher Qualifikation Bewerberinnen bevorzugt werden. Trotzdem sind bis heute nur wenige Frauen bis zu den begehrten Stellen von Unterabteilungsleiter/innen und Abteilungsleiter/innen vorgedrungen – geschweige denn darüber hinaus.

Es wäre ein weiterer schwerer Rückschlag für das Gleichstellungsgebot in unserem Grundgesetz und unsere Zukunft, wenn sich die derzeitige Diskussion um Frauenquoten in der Wirtschaft als „Sturm im Wasserglas“ erweisen würde.

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