Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt

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Am 25. Mai hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt beschlossen. Aufgabe ist, die Effektivität und Effizienz der Arbeitsmarktpolitik zu erhöhen, die Eingliederung Arbeits- und Ausbildungssuchender  zu verbessern und dabei die Personengruppen mit Vermittlungshemmnissen und Qualifizierungsbedarf besonders zu berücksichtigen. Diese Grundsätze und Ziele des Gesetzentwurfs sind auf den ersten Blick durchaus einleuchtend. Allerdings werden sie vor dem Hintergrund des eisernen Spardiktats gerade für die Arbeitsmarktpolitik zu einem „Bumerang“ für die betroffenen Menschen.

Am 25. Mai hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt beschlossen. Aufgabe ist, die Effektivität und Effizienz der Arbeitsmarktpolitik zu erhöhen, die Eingliederung Arbeits- und Ausbildungssuchender zu verbessern und dabei die Personengruppen mit Vermittlungshemmnissen und Qualifizierungsbedarf besonders zu berücksichtigen. Diese Reform soll sich an den Ergebnissen der umfangreichen  Evaluationsforschung im Rahmen der Hartz Gesetze ausrichten. Das Gesetz soll bis zum 1. April 2012 verabschiedet werden.  Als Ziele werden vorgegeben: Mehr Dezentralität bei den Entscheidungskompetenzen; höhere Flexibilität bei der Anpassung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen auf die jeweiligen Problemsituationen; größere Individualität bei Beratung und Arbeitsmarktförderung; höhere Qualität derjenigen, die Arbeitsmarktdienstleistungen erbringen; mehr Transparenz der verfügbaren Maßnahmen und Instrumente. Vorgesehen ist eine Verringerung der Zahl der arbeitsmarktpolitischen Instrumente. Dies soll dadurch erreicht werden, dass unwirksame Maßnahmen wegfallen und andere Detailregelungen zusammengeführt werden. Zudem sollen die Zulassungsverfahren für Träger von Maßnahmen durch Zertifizierung verschärft und damit die Qualität ihrer arbeitsmarktpolitischen Leistungen verbessert werden.

 Bewertung

 Diese Grundsätze und Ziele des Gesetzentwurfs sind auf den ersten Blick durchaus einleuchtend. Allerdings werden sie vor dem Hintergrund des eisernen Spardiktats gerade für die Arbeitsmarktpolitik zu einem „Bumerang“ für die betroffenen Menschen. So sieht die Finanzplanung der Bundesregierung bis 2014 vor, dass im Rahmen des Kürzungsprogramms von 80 Mrd. Euro alleine 16 Mrd. Euro auf die Bundesagentur für Arbeit entfallen. Massive Streichungen erfolgen bei der Arbeitsmarktpolitik: 2 Milliarden Euro 2011; 2,5 Milliarden Euro 2012 und danach pro Jahr 3 Milliarden Euro. Zusätzlich wird der Bundesagentur zur Finanzierung der Kinderleistungen in der Hartz Reform bis zu 4,5 Milliarden Euro an Einnahmen aus der ihr zustehenden Mehrwertsteuer gestrichen. Darüber hinaus streicht die Bundesregierung ihre Erstattungspflicht für die Rentenversicherungsbeiträge der Beschäftigten in Werkstätten für Behinderte. Damit werden die Beitragszahler zur BA erneut mit hunderten von Millionen Euro belastet. Die Bundesagentur für Arbeit wird somit wieder in das finanzielle Defizit und damit eine größere Abhängigkeit von der Bundesregierung gezwungen, die von ihr einen ausgeglichenen Haushalt und die Bildung von finanziellen Rücklagen erwartet. Dies führt ohne weitere gesetzliche Leistungseinschränkungen und/oder Erhöhung der Beiträge, was beides von der Bundesregierung bislang ausgeschlossen wird, zu weiteren Kürzungen bei der Arbeitsmarktpolitik. Der Anspruch dieses Gesetzentwurfs -Verbesserung von Effektivität und Effizienz der Arbeitsmarktpolitik- ist somit nicht zu erfüllen: Auf der einen Seite soll die Autonomie der Bundesagentur für Arbeit gestärkt werden, Arbeitsvermittler mehr Flexibilität bei der Ausgestaltung der Arbeitsmarktprogramme erhalten – auch, indem Pflichtleistungen in Ermessensleistungen umgewandelt werden. Gleichzeitig werden die finanziellen Mittel für die Arbeitsmarktpolitik jedoch erheblich zusammengestrichen. Gekürzt wird damit vor allem bei den Schwervermittelbaren – vor allem gering qualifizierten Jugendlichen, älteren und behinderten Menschen.

 1. Aktivierung und berufliche Eingliederung (§§ 45 ff.)

 Hierbei geht es um folgende Maßnahmen: Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt; Feststellung, Verringerung und Beseitigung von Vermittlungshemnissen; Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung; Heranführung an eine selbständige Tätigkeit; Stabilisierung einer Beschäftigungsaufnahme. Dabei soll in Zukunft auf gesetzliche Vorgaben über die Ausgestaltung dieser Maßnahmen weitgehend verzichtet und stattdessen die damit verfolgten Zielsetzungen in den Vordergrund gestellt werden. Die Arbeitsagenturen sollen somit größere Spielräume erhalten, am individuellen Bedarf orientierte Maßnahmenangebote zu machen. Dies ist zwar grundsätzlich zu begrüßen, aber unter den generellen Vorbehalt mangelnder finanzieller Spielräume zu stellen. Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf weitere Bedingungen und Einschränkungen vor, die vor allem zu Lasten der benachteiligten Personengruppen wirken.

 (a) Zur „Vermittlung beruflicher Kenntnisse“ im Rahmen der „Aktivierung und beruflichen Eingliederung“ wird zusätzlich zur Vergabe an externe Dienstleister die Gewährung von Gutscheinen zur freien Wahl der Weiterbildungsanbieter durch die Arbeitslosen vorgesehen. Die Vergabe derartiger Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheine ist grundsätzlich Ermessensleistung der Vermittlungsfachkräfte in den Arbeitsagenturen und Job Centern. Allerdings haben Arbeitslose nach 6 Monaten Arbeitslosigkeit Anspruch auf einen derartigen Gutschein zur Wahl eines externen  Dienstleisters. Hierzu wird in der Begründung festgestellt: „Die privaten Arbeitsvermittler werden durch die Einbindung ihrer Leistungen in die Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung  zu Partnern der Agenturen für Arbeit und der Job Center…“ (S.188).

 Bestehen bleiben die bisher schon geltenden Einschränkungen der Dauer betrieblicher Trainingsmaßnahmen von nicht mehr als 4 Wochen und bei der beruflichen Bildung von nicht mehr als 8 Wochen.

 Nach Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) mit der Umsetzung der Bildungsgutscheine in der beruflichen Fort- und Weiterbildung (IAB Discussion Paper 17/2008) werden vor allem die bildungsfernen schwer vermittelbaren Personengruppen durch die Ausgabe von Bildungsgutscheinen benachteiligt. Damit wird auch keinesfalls der Mangel an ausreichenden Weiterbildungsangeboten für Langzeitarbeitslose behoben.

 Bei Übertragung der Vergabe von Bildungsgutscheinen auf kurzfristige Maßnahmen der Aktivierung und Eingliederung -z.B. Bewerbungstraining- besteht das Problem mangelnder Markttransparenz und Sicherstellung ausreichender Qualität. Die betroffenen benachteiligten Personengruppen sind ohne eine  Beratung und Heranführung an geeignete Maßnahmeträger vielfach überfordert. Hierfür enthält der Gesetzentwurf keine Angebote.

 Die Vergabe von Vermittlungsgutscheinen an externe Dienstleister für die Aktivierungs- und Eingliederungsmaßnahmen (nach § 45) sollten daher vor dem Hintergrund der Evaluierungsergebnisse des IAB grundsätzlich überdacht werden. Es ist in hohem Masse problematisch, die „Privatisierung“ der Arbeitsvermittlung und Arbeitsmarktpolitik noch weiter auszudehnen. Dies gilt besonders für die Aktivierung und berufliche Eingliederung der schwer vermittelbaren Personengruppen. In jedem Fall sind sie mit ausreichenden Informations- und Beratungsleistungen zu verbinden.

Beibehalten werden sollen die starren zeitlichen Grenzen für die betrieblichen Trainings- und Weiterbildungsmaßnahmen von 4 bzw. 8 Wochen. Zwar ist einerseits sicherzustellen, dass  die Wirtschaft ihrer eigenen Verantwortung für die berufliche Qualifizierung nachkommt und dies nicht auf die Beitragszahler zur Bundesagentur für Arbeit abgewälzt wird. Andererseits handelt es sich bei den schwer vermittelbaren Arbeitslosen vielfach um Personen, die ohne eine  zusätzliche Trainings- oder Weiterbildungsmaßnahme nicht vermittelt werden können. Allerdings ist gerade hierbei sicherzustellen, dass auf den Einzelfall angepasste Qualifizierungsförderung ermöglicht wird. Dabei zeigen die Evaluierungsuntersuchungen, dass diese Maßnahmen nicht auch einen ausreichenden Zeitrahmen brauchen, um nachhaltig wirksam zu sein.

(b) Höchst fragwürdig ist zudem, dass  in § 47 eine Verordnungsermächtigung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vorgesehen ist. Damit wird die grundsätzliche Zielsetzung größerer Spielräume für die Arbeitsagenturen und mehr Orientierung am individuellen Fall des jeweiligen Arbeitslosen in Frage gestellt. Diese Verordnungsermächtigung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sollte daher gestrichen werden.

(c) Die Einkaufs- und Vergabeverfahren sind stärker auf die jeweiligen lokalen und regionalen Arbeitsmarktbedingungen sowie die speziellen Erfordernisse der benachteiligten Arbeitslosen auszurichten. Die Qualität der externen Dienstleister ist durch geeignete Zertifizierungsverfahren zu gewährleisten. (s. Kapitel 5: „Zulassung von Trägern und Maßnahmen“- §§ 177 ff.)

2. Berufswahl und Berufsausbildung (§ 48 ff.)

(a) Zu unterstützen ist die Zusammenführung und Neugliederung der vielfältigen kaum mehr überschaubaren Instrumente bei: Berufsorientierung; Berufseinstiegsbegleitung; Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen. Dies gilt ebenso ebenso für die vorgesehene Kofinanzierung derartiger Maßnahmen durch Dritte. (§ 48,1) Hier wäre jedoch mehr Flexibilität gegenüber der vorgesehenen starren 50 Prozentregelung vorzusehen. Bereits heute ist die Bundesagentur für Arbeit und damit die Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Beitragszahler mit erheblichen finanziellen Aufwendungen für benachteiligte Jugendliche belastet, die vom Steuerzahler in Bund und Ländern zu finanzieren sind. Allerdings darf diese Auseinandersetzung nicht auf dem Rücken der benachteiligten jungen Menschen ausgetragen werden.

(b) Grundsätzlich zu begrüßen ist die Absicht, schwerbehinderte Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarf  bei der Ausgestaltung der Berufsorientierungsmaßnahmen zu berücksichtigen (§48,3). Fraglich ist allerdings vor dem Hintergrund der gravierenden finanziellen Beschränkungen der Arbeitsmarktpolitik, ob die hierfür erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden können.

Nicht ohne Probleme ist die Begründung für diese „erweiterte Berufsorientierung“ für junge Menschen mit sonderpädagogischen Förderungsbedarf und schwerbehinderte junge Menschen in allgemeinbildenden Schulen einschließlich der Förderschulen. So heißt es dazu in der Begründung: „Insbesondere junge Menschen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung und junge Menschen mit schweren körperlichen Behinderungen können …. Alternativen zum Übergang in eine Werkstatt für behinderte Menschen erarbeiten und umsetzen. Die Zugänge in die Werkstatt für behinderte Menschen sollen damit reduziert werden“ (S. 193). In jedem Fall ist es  wünschenswert, den behinderten jungen Menschen mehr Möglichkeiten im Zugang zum ersten Ausbildungs- und Arbeitsmarkt  zu eröffnen.  So entspricht es den Erfahrungen, dass in der Vergangenheit  für diese Jugendlichen zu wenig Initiativen und Erfolge darauf ausgerichtet und zu schnell in Werkstätten überwiesen wurde. Gleichermaßen ist jedoch vor überzogenen Erwartungen an die Bereitschaft der Wirtschaft zu warnen, die behinderten Jugendlichen in eine geeignete und qualifizierte Ausbildung und Arbeit zu übernehmen. Ihnen muss daher auch in Zukunft der Zugang in die Werkstätten offen stehen.  Auch bei anhaltend guter Konjunktur und der generellen Warnung aus der Wirtschaft vor einem Mangel an  Arbeits- und Fachkräften ist kaum zu erwarten, dass die erforderlichen Ausbildungs- und Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden sind.

(d) Zu begrüßen ist insbesondere unter Berücksichtigung der schwer vermittelbaren benachteiligten jungen Menschen die Aufrechterhaltung des Rechtes auf das Nachholen des Hauptschulabschlusses (§ 5). Dabei ist sicherzustellen, dass dies nicht dem Spardiktat zum Opfer fällt.

(e) Die bisher in den §§ 235a und 236 geregelten Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung behinderter und schwerbehinderter Menschen werden in §73 zusammengefasst. Damit soll die Transparenz erhöht und die Normendichte reduziert werden. Zudem werden die Zuschüsse an Arbeitgeber für behinderte Menschen denjenigen der Schwerbehinderten angepasst. (Einbeziehung des pauschalierten Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag in die Zuschüsse zur Ausbildungsvergütung, entsprechend den Zuschüssen zur Ausbildungsvergütung schwerbehinderter Menschen (Begründung, S.203)).

3. Förderung der beruflichen Weiterbildung (§§ 81 ff.)

(a) So erfreulich es ist, dass die Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung älterer und gering qualifizierter Arbeitnehmer in kleinen und mittleren Unternehmen (Wegebau) entfristet, hinsichtlich der Kostenübernahme durch die BA flexibler ausgestaltet  und mit der Qualifizierung Arbeitsloser zusammengeführt werden (§ 82), so problematisch sind die generellen Kürzungsvorgaben. Derartige Ermessensleistungen werden damit ebenfalls dem Spardiktat unterworfen. Dabei zeigen alle Untersuchungen und die Erfahrungen bei der schwierigen praktischen Umsetzung dieser Weiterbildungsförderung der BA, dass gerade bei der beruflichen Weiterbildung für Ältere und gering Qualifizierte in kleineren und mittleren Betrieben in der Bundesrepublik besonders große weiße Flecken bestehen. Hierbei wären Rechtsansprüche und präventive Fördermaßnahmen der Arbeitsagenturen und  Job Center mit ausreichender finanzieller Förderung besonders notwendig. Entsprechendes gilt für die Verzahnung von Kurzarbeit und Qualifizierung in wirtschaftlichen Krisenzeiten und zur Anpassung an Umbrüche in den Wirtschafts- und Beschäftigungsstrukturen.

(b) Notwendig wären darüber hinaus Verbesserungen der Inhalte der förderungsfähigen beruflichen Weiterbildung. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Lernerfordernisse der benachteiligten Personengruppen mit personalpolitischer, sozialer und  lern-pädagogischer Unterstützung gemäß den individuellen Anforderungen. Dringend erforderlich ist, über die vorgesehenen Gutscheinlösungen passgenaue, nicht standardisierte Lernangebote „über den Bildungsgutschein“ hinaus zu gewährleisten.

Erforderlich sind gerade für die benachteiligten Personengruppen längerfristig (über die meistens nur 6 Monate angebotenen Qualifizierungsmaßnahmen hinaus) ausgerichtete Lernangebote, die modular ausgestattet und mit anerkannten Bildungsabschlüssen beendet werden.

4. Aufnahme einer Erwerbstätigkeit

(a) Zu unterstützen ist die Zusammenfassung der vielfältigen Eingliederungszuschüsse (§§ 88 bis 92 – bisher 217 bis 222). Dabei wird es auch künftig für die spezifischen Belange behinderter und schwerbehinderter Menschen erweiterte Förderungstatbestände geben. Zu begrüßen ist die Erweiterung der maximalen Förderungsdauer für besonders betroffene schwerbehinderte Personen unabhängig vom Alter von 36 auf 60 Monate. Dies galt bisher nur für die betroffenen Schwerbehinderten ab dem vollendeten 50.Lebensjahr. Allerdings entfällt dafür die Möglichkeit der Förderungsdauer bis zu 96 Monaten für über 55-jährige Schwerbehinderte, da sie nur in seltenen Ausnahmefällen genutzt worden sei. Darüber hinaus wird die Absenkung der Förderung nach Ablauf von 12 Monaten (und für besonders betroffene schwerbehinderte Arbeitnehmer nach Ablauf von 24 Monaten) auf einheitlich 10 Prozent festgelegt.

(b) Die zunächst vorgesehene Entfristung der Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer ist gestrichen und wird somit Ende 2011 auslaufen. Sie gilt für Arbeitslose, die das 50.Lebensjahr vollendet haben und eine neue Beschäftigung aufnehmen, bei der die Nettoentgeltdifferenz mindestens 100 Euro beträgt. Mit der zunächst vorgesehenen Entfristung dieser Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer sollte dem Tatbestand Rechnung getragen werden, dass „flexible“ und „atypische“ Beschäftigungsformen erheblich an Bedeutung gewinnen und zu Einkommensverlusten führen können. Wenn diese Mindestregelung zum Schutz älterer Arbeitnehmer vor einem starken Einkommensabfall Ende 2011 auslaufen soll, steht dies der erklärten Politik der Bundesregierung zur Verbesserung der Beschäftigungschancen der älteren Menschen auf dem Arbeitsmarkt entgegen.

Die gegenteilige Politik wäre erforderlich: Dieses Instrument müsste entfristet und der Rechtanspruch erhalten bleiben. Zudem wäre die Information, Aufklärung und Beratung der Älteren über die Nutzung dieser Einkommenssicherung erheblich zu verbessern, wenn die bisher geringe Inanspruchnahme verbessert und damit die berufliche Eingliederung älterer Arbeitsloser gefördert werden soll.

(c) Die Regelungen zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben (§§ 113 bis 130) entsprechen im Wesentlichen den bisherigen Vorschriften (§§ 95 bis 115)

5. Öffentlich geförderte Beschäftigung (SGB II, §§ 16 ff.)

Höchst problematisch sind die vorgesehenen Neuregelungen zur öffentlich geförderten Beschäftigung für besonders schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose. Die Instrumente der öffentlich geförderten Beschäftigung werden zu zwei Instrumenten zusammengefasst: Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung und zusätzliche Arbeitsverhältnisse durch Zuschüsse zum Arbeitsentgelt (§ 16 d). Diese sollen gegenüber den Pflichtleistungen der Vermittlung und den Ermessensleistungen zur Eingliederung nachrangig eingesetzt werden. Für beide Instrumente gelten die Fördervoraussetzungen -wie bisher- „Zusätzlichkeit“ und  „öffentliches Interesse“. Darüber hinaus wird die „Wettbewerbsneutralität“ als zusätzliche eigenständige Fördervoraussetzung in das Gesetz aufgenommen.

Gestrichen werden damit nicht nur die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, sondern auch die bisherigen Arbeitsgelegenheiten mit Entgelt. Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen haben trotz aller Unzulänglichkeiten zumindest die Möglichkeit eines arbeitsrechtlichen Arbeitsverhältnisses mit Einkommenspauschalen geboten. Arbeitsgelegenheiten mit Entgelt wurden nach tariflichem und ortsüblichem Entgelt entlohnt. In beiden Fällen war ein zumindest begrenzter sozialversicherungsrechtlicher Schutz vorgesehen. Somit konnte die Abhängigkeit von den entwürdigenden Hartz IV Verfahren zumindest grundsätzlich verringert werden. Dies ist bei den Arbeitsgelegenheiten mit Aufwandsentschädigung -den sog. 1-Euro Jobs- nachweislich nicht möglich. Sie haben sich nach allen Untersuchungen und Erfahrungen als perspektivlos und mit hohen Missbräuchen und Mitnahmeeffekten behaftet erwiesen. Ginge es tatsächlich nach der Wirkungsforschung, müssten sie schnellstmöglich durch eine Eingliederung der betroffenen Menschen in längerfristige sinnvolle existenzsichernde öffentliche Tätigkeiten ersetzt werden. Höchst fragwürdig ist zudem, wie die vom Bundesarbeitsministerium erst vor wenigen Monaten als Pilotprojekte begonnene Bürgerarbeit (900 Euro brutto für 30 Wochenstunden Arbeit) bei dieser rigorosen Beschränkung der Förderung öffentlicher Beschäftigung überhaupt fortgeführt werden soll.

Eine grundsätzliche Korrektur dieser Neuregelungen der öffentlich geförderten Beschäftigung  ist dringend erforderlich: Für ansonsten nicht in den Arbeitsmarkt zu vermittelnde Langzeitarbeitslose sind sinnvolle existenzsichernde öffentliche Tätigkeiten anzubieten, die ihnen den Weg aus der Hartz IV Falle ermöglichen. Dabei muss die Förderungsdauer an den Erfordernissen der arbeitslosen Menschen sowie der zu erbringenden Leistungen orientiert sein, ein existenzsicherndes Einkommen einschließlich der Sozialversicherung ermöglichen -d.h. tarifliche, oder ortsübliche Löhne, in jedem Fall nicht unter einem Mindestlohn von 8Euro50- und Möglichkeiten der Qualifizierung bieten. Die Streichung der Arbeitsgelegenheiten mit Entgelt ist daher rückgängig zu machen. Die Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwand (Ein-Euro Jobs) sind mittelfristig abzuschaffen. Die Lohnkostenzuschüsse bis zu 75 Prozent im Rahmen der Beschäftigungsperspektive sind an die Gewährleistung eines Mindestlohnes von nicht unter 8Euro 50 zu binden. Über die Einrichtung und Förderung derartiger Maßnahmen öffentlicher Beschäftigung für Langzeitarbeitslose muss ein „Job Beirat“ verbindlich entscheiden, in dem Arbeitgeber und Gewerkschaften ein Vetorecht haben.

6. Fazit

Das berechtigte Anliegen der Neuordnung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente wird zu einem reinen Kürzungsprogramm auf dem Rücken der Betroffenen und zu Lasten der Beitragszahler. Dabei sind die wiederholten Versicherungen des BMAS, dass nicht bei benachteiligten und behinderten Menschen sowie bei der beruflichen Rehabilitation gespart werden solle, schnell Makulatur. In der arbeitsmarktpolitischen Realität werden der Bundesagentur für Arbeit bei der Genehmigung des defizitären Haushaltes generelle Sparauflagen aufgezwungen. So bedeuten die Kürzungsbeschlüsse von Bundesregierung und Bundestag im Rahmen des sog. „Zukunftspaketes“, dass die Ausgaben für die aktive Arbeitsmarktförderung in den nächsten drei Jahren zu halbieren sind. Die Bundesagentur kann bei diesem rigorosen Spardiktat zwischen „Pest und Cholera“ wählen. Erfüllt sie diese Kürzungszwänge, muss sie die arbeitsmarktpoltischen Fördermaßnahmen drastisch einschränken. Dies geht unweigerlich zu Lasten der Schwächsten. Erfüllt sie die Sparzwänge nicht oder nur unzureichend, werden wieder diejenigen politischen Kräfte die Oberhoheit  erlangen, denen sie schon längst ein Dorn im Auge ist und die sie am liebsten abschaffen wollen.

Der gesamte Hartz IV- Bereich (SGB II) wird immer mehr zur Makulatur. Nach der ständig weiteren Übertragung von Ausgaben für die Arbeitsmarktpolitik im SGB II auf die Beitragszahler zur BA und damit den Bereich des SGB III  ist die Begründung für die Einführung von Hartz IV immer mehr entfallen: die saubere Trennung der beitragsfinanzierten Arbeitslosenversicherungsleistungen im SGB III von den steuerfinanzierten gesamtgesellschaftlichen Aufgaben zur Eingliederung und Betreuung langzeitarbeitsloser Menschen und ihrer Bedarfsgemeinschaften. Faktisch müssen die Beitragszahler bald vollständig die Arbeitsmarktpolitik für die Langzeitarbeitslosen finanzieren, allerdings ohne die diesbezüglichen Entscheidungen ausreichend beeinflussen zu können. Dies ist keine Grundlage für eine nachhaltige Arbeitsmarktpolitik – weder im SGB III, noch im SGB II. Ebenso unbefriedigend ist die Koordinierung und Kooperation zwischen SGB II und SGB III einerseits sowie mit dem SGB IX und SGB XII – mithin den gesetzlichen Grundlagen für die behinderten und schwerbehinderten Menschen. Ein besonderes gravierendes Problem ist die mangelnde Feststellung  von Behinderungen bei Arbeitslosen in den Job Centern, so dass keine geeigneten Maßnahmen einschließlich der Nutzung qualifizierter externer Dienstleister -z.B. Berufsförderungswerke, Werkstätten, Integrationsfachdienste- überhaupt in Anspruch genommen werden können.

Dies ist besonders problematisch, da trotz genereller Verbesserung der Situation auf dem Arbeitsmarkt, die Arbeitslosigkeit der behinderten und schwerbehinderten Menschen weiterhin auf hohem Niveau bleibt und teilweise weiter ansteigt. Erforderlich ist nicht ein finanzpolitisch motiviertes Herumkurieren an einzelnen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten als Privatisierungs- und Kürzungsprogramm, sondern ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel zu einer nachhaltigen Arbeitsmarktpolitik. Nur dann kann die erklärte Zielsetzung der Bundesregierung erfüllt werden: eine an den einzelnen Menschen orientierte Eingliederung in den Arbeitsmarkt.

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