Schäubles „Giftliste“ für Behinderte und Sozial Schwache

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Im Auftrag von Bundesfinanzminister Schäuble arbeitet die Regierungskommission „Reform der Gemeindefinanzen“  seit März und soll noch in diesem Jahr ihre Ergebnisse vorlegen. Die von ihrer Arbeitsgruppe unter dem technischen Namen „Standards“  bisher erarbeiteten 225 Kürzungsvorschläge lassen Schlimmes vor allem für Menschen mit Behinderungen, Pflegebedürftige und sonstige sozial Schwache in unserer Gesellschaft befürchten. Überschritten wird dabei jegliches Maß an sozialem Anstand und wirtschaftlicher Vernunft.

Im Auftrag von Bundesfinanzminister Schäuble arbeitet die Regierungskommission „Reform der Gemeindefinanzen“ seit März und soll noch in diesem Jahr ihre Ergebnisse vorlegen. Damit wird eine Vereinbarung aus dem schwarz-gelben Koalitionsvertrag umgesetzt. Danach sollen Vorschläge zur Neuordnung der Gemeindefinanzierung erarbeitet werden. Der Ersatz der Gewerbesteuer steht dabei erneut auf dem Programm.

Diese jahrelange Forderung der FDP für ihre Unterstützer in der Wirtschaft zu Lasten der Kommunen konnte bisher erfolgreich verhindert werden. Diesmal ist die Gefahr größer, dass sich die FDP mit ihrer Forderung nach Abschaffung der Gewerbesteuer durchsetzt. Dazu könnte auch beitragen, dass die Kommunen durch den gravierenden Einbruch der Gewerbesteuer während der Wirtschaftskrise schwer gebeutelt wurden. Ihre Einnahmen brachen von 41,0 Mrd. Euro 2008 auf 33,6 Mrd. Euro 2009 ein. Für 2010 wurde Anfang des Jahres ein Haushaltsdefizit der Kommunen von insgesamt 12 Mrd. Euro geschätzt. Abzuwarten bleibt, inwieweit sich dies infolge der unerwartet guten Entwicklung bei Konjunktur, Steuereinnahmen, Beschäftigung und Arbeitslosigkeit verringert.

Gesucht wird in dieser Gemeindefinanzkommission mit der Lupe nach Einsparungen im Bereich der Sozialausgaben der Kommunen, die im Jahr 2009 etwa 40 Mrd. Euro ausmachten. Die von ihrer Arbeitsgruppe unter dem technischen Namen „Standards“ bisher erarbeiteten 225 Kürzungsvorschläge lassen Schlimmes vor allem für Menschen mit Behinderungen, Pflegebedürftige und sonstige sozial Schwache in unserer Gesellschaft befürchten. Überschritten wird dabei jegliches Maß an sozialem Anstand und wirtschaftlicher Vernunft.

Diese erneute Kürzungsorgie zu Lasten der Schwächsten in unserer Gesellschaft ist eine nahtlose Fortsetzung der unsozialen Kürzungsmaßnahmen von Schwarz-Gelb im Rahmen der Haushaltsbegleitgesetze 2011.

Die Umsetzung derartiger „Giftlisten“ würde nicht nur fundamentale Rechte der Menschen mit Behinderungen beschneiden. Dies wäre genau das Gegenteil von dem, was durch die kürzlich in Kraft getretene UN-Behindertenrechtskonvention beabsichtigt ist, nämlich die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben und in der Gesellschaft zu fördern. Für die betroffenen Menschen bedeutet dieser vorgeschlagene soziale Kahlschlag eine tiefe Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte sowie ihrer Menschenwürde. Opposition und Verbände sind aufgerufen, diese „Giftliste“ zu Lasten der Behinderten und Schwächsten in unserer Gesellschaft mit aller Macht zu bekämpfen.

Kürzungen der Leistungen für Behinderte

Gesetzlich eingeschränkt werden soll das Recht behinderter Menschen, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche zur Gestaltung der Hilfen zu äußern. Dies bedeutet eine Praxis des „Vogel friss oder stirb“ für die Menschen, die sich am wenigsten gegen schlechte Leistungen, Einrichtungen sowie unwürdige Behandlung und Betreuung wehren können.

Behinderte sollen in Zukunft zu Vorleistungen für besondere ärztliche Leistungen herangezogen werden, die bisher vom Träger der Sozialhilfe übernommen und erst nachträglich von den betroffenen Menschen ihre jeweiligen Leistungsanteile abgefordert wurden. Für Menschen mit Behinderungen würde dies häufig die finanziellen Möglichkeiten überschreiten. Einige werden es dann nicht wagen, die notwendigen ärztlichen Leistungen überhaupt in Anspruch zu nehmen.

Behinderten in Werkstätten mit einem Monatsverdienst unter 299 Euro soll ihr Arbeitsförderungsgeld von 26 Euro im Monat in Zukunft auf die Sozialhilfe angerechnet und damit faktisch gestrichen werden. Wie tief muss ein „Gemeinwesen“ noch sinken, wenn auf dem Rücken dieser sozial schwächsten Menschen mit schwerwiegenden Behinderungen „gespart“ und ihnen diese 26 Euro im Monat gestrichen werden soll.

Weiterhin soll unter bestimmten Bedingungen das Kindergeld für die Eltern auf Transferleistungen für ihre behinderten Kinder angerechnet werden und damit ebenfalls entfallen. Es ist zutiefst unanständig und ökonomisch widersinnig, ausgerechnet bei Eltern mit behinderten Kindern den „Rotstift“ anzusetzen. Als ob diese Familien nicht schon genügend „Lasten“ zu tragen hätten.

Nicht einmal zurückgeschreckt wird in dieser Kürzungsliste vor einer erheblichen Einschränkung der Blindenhilfe, der unentgeltlichen Beförderung schwerbehinderter Menschen sowie Leistungen bei der Beschäftigung in Werkstätten für Behinderte. Derartige Vorschläge lassen ein Ausmaß an sozialer Kälte erkennen, das nur noch erschrecken kann.

Sparen zu Lasten der Pflege

Für pflegebedürftige Menschen, die zu Hause von der Familie, Nachbarn oder Freunden gepflegt werden, soll der Anspruch auf Pflegegeld gestrichen werden. Dies zeugt von einer erheblichen Ignoranz gegenüber den Pflegeleistungen im familiären und privaten Umfeld, insbesondere den großen physischen und psychischen Leistungen, die pflegende Angehörige, Nachbarn und Freunde erbringen. Zudem fallen erheblich höhere Kosten an, wenn die Pflege von professionellen Diensten oder in stationären Einrichtungen durchgeführt wird – abgesehen davon, dass dabei häufig die notwendige Zuwendung und Menschlichkeit gegenüber den pflegebedürftigen Menschen nicht geleistet werden kann.

Eingeschränkt werden soll für pflegebedürftige Menschen der Anspruch auf Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger für die stationäre Pflege: Standard wäre dann nur noch ein Anspruch auf Mehrbettzimmer. Der Übergang in eine Pflegeeinrichtung ist für die betroffenen Menschen oft bereits eine große persönliche und finanzielle Belastung. Hierbei ist es dringend erforderlich, die berechtigten Wünsche auf ein Mindestmaß an eigenständigem und gewohntem Wohnumfeld zu respektieren.

Kürzungen bei Sozial Schwachen und Familien

Für Menschen mit keinem oder geringen Einkommen sollen der Wohnstandard für eine angemessene Wohnung auf 25 qm für einen Alleinstehenden herabgesetzt, der Zwang zum Umzug in eine kostengünstigere Wohnung erhöht, das Wohngeld gesenkt, die bisherige Heizkostenpauschale gestrichen sowie Kinder und Eltern stärker zur Unterhaltsverpflichtung herangezogen werden. Dies bedeutet für viele betroffene Menschen eine weitere Verschlechterung ihres Lebensumfeldes und ihrer familiären sowie gesellschaftlichen Isolierung. Die Wiedereinführung der Unterhaltsverpflichtung von Kindern und Eltern würde dazu führen, dass auf notwendige Sozialhilfeleistungen verzichtet wird oder familiäre Beziehungen zerstört werden.

Der ab dem Jahr 2013 vorgesehene Anspruch für Kinder unter 3 Jahren auf einen Kindergartenplatz soll gestrichen wird. Die vollmundigen Erklärungen der schwarz-gelben Familienpolitik, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu stärken, entpuppen sich immer mehr als billige politische Propaganda – wenn diese bereits zugesicherte Mindestvoraussetzung der Kinderbetreuung wieder einkassiert wird, bevor sie überhaupt umgesetzt wurde.

Beratung und Hilfsangebote für alte Menschen, die bisher ohne Anrechnung von Einkommen und Vermögen gewährt wurden, sollen in Zukunft nur noch bei Bedürftigkeit gleistet werden. Viele alte Menschen sind dringend auf öffentliche Unterstützung bei den vielfältigen Schwierigkeiten und Diskriminierungen in allen Lebensbereichen, der medizinischen Versorgung sowie der Pflege angewiesen. Es gibt keinerlei Rechtfertigung, Beratung und Hilfsangebote für alte Menschen nur auf Bedürftige zu beschränken.

Einschränkung  der Sozialgerichtsbarkeit

Eingeschränkt werden sollen dann auch -in der Konsequenz des Sozialabbaus- die Rechte der Betroffenen auf Widerspruch und Anfechtungsklagen sowie Prozesskostenhilfen. Dies wäre eine besondere Härte für die betroffenen Behinderten, Pflegebedürftigen und Sozial Schwachen. Die tägliche Erfahrung der Sozialberatungsstellen sowie der Sozialgerichte zeugt von einem hohen Ausmaß an Mängeln bis zu eklatanten Fehlern und Versagen bei den verschiedenen sozialen Leistungen, Diensten und Einrichtungen. Die ständigen politischen Versuche, die eigenständige Sozialgerichtsbarkeit mit ihren professionellen haupt- und ehrenamtlichen Richtern in einer äußerst komplexen und komplizierten Materie aufzugeben und mit den Verwaltungsgerichten zu verschmelzen, müssen auch weiterhin wirksam bekämpft werden. Gleiches gilt für die immer wieder auftretenden politischen Absichten, die Freiheit von den Prozesskosten für die betroffenen Menschen aufzuheben. Sowohl die Rechte auf Widerspruch und Klagen vor den Sozialgerichten wie auch deren Gebührenfreiheit müssen mit „Zehen und Klauen“ verteidigt werden. Dies sind wesentliche Eckpfeiler unseres Sozialstaates – insbesondere wenn es um die Rechte der Schwächsten in unserer Gesellschaft geht.

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