Gesetzliche Krankenversicherung: Bringen die Zusatzbeiträge das „Fass zum Überlaufen“

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Sind die drohenden Zusatzbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nun für die Versicherten der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt? Die Empörung der etwa 90 Prozent gesetzlich versicherten Menschen in Deutschland ist nur allzu verständlich.

Sind die drohenden Zusatzbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nun für die Versicherten der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt? Die Empörung der etwa 90 Prozent gesetzlich versicherten Menschen in Deutschland ist nur allzu verständlich. Seit Jahrzehnten richten sich die sogenannten Reformen im Gesundheitswesen vor allem auf erhöhte Belastungen – Zuzahlungen zu Medikamenten, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausaufenthalten, Rehabilitationskuren und seit einigen Jahren auch Praxisgebühren. Damit wurde die Parität der Beitragsfinanzierung schleichend zu Lasten der Versicherten ausgehöhlt. Ganz ungeniert wird weiter einseitig in das Portemonnaie der Arbeitnehmer gegriffen: Für Zusatzrenten in Ergänzung der gesetzlichen Altersversorgung muss der Versicherte volle Beiträge entrichten  und noch schlimmer: Die höchst umstrittene Einführung des Gesundheitsfonds wurde nicht nur mit einer beträchtlichen Unterfinanzierung begonnen, sondern auch mit einer weiteren Durchlöcherung der Parität: Während die Arbeitgeberbeiträge 14 Prozent betragen, müssen die Arbeitnehmer 0,9 Prozent oder etwa 10 Mrd. Euro zusätzlich zahlen.

Bereits bei  dieser politischen Mißgeburt des Gesundheitsfonds war klar, dass diese Beiträge nicht ausreichen würden. Die damalige Große Koalition machte daraus auch keinen Hehl, da der Gesundheitsfonds höchstens 95 Prozent der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung abdecken sollten. Um den Ärger der Menschen in Grenzen zu halten, wurde diese finanzielle Lücke zunächst durch Steuern geschlossen. Jetzt kommt die Wahrheit der Deckungslücke ans Tageslicht: Die Große Koalition streitet über die Höhe des finanziellen Ausgleichs: An Stelle der erforderlich und ursprünglich auch zugesagten öffentlichen Zuschüsse von 8 Mrd. Euro, soll nur etwa die Hälfte aus Bundesmitteln ausgeglichen werden. Darüber hinaus haben bereits mehrere Kassen zu Beginn des Neuen Jahres angekündigt, von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch zu machen, für den drohenden Ausgleich der Deckungslücke Zusatzbeiträge nur von den Versicherten zu erheben. Zu Recht ist die Empörung der Versicherten erheblich. Zum einen bedeutet dies für viele Menschen mit niedrigen Einkommen und Renten einen erheblichen Aderlass. Zum anderen führt dies zu einer weiteren Aushöhlung der Solidarität  und der Parität in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Selbst wenn Bundesgesundheitsminister Rösler (FDP ) mit Empörung auf diese Ankündigung der Zusatzbeiträge reagiert und die Kassen auf ihre Verantwortung zu Kostensenkungen hinweist, passt dies nahtlos in die gesundheitspolitische Strategie der schwarz-gelben Bundesregierung: der Weg aus der solidarischen gesetzlichen Krankenversicherung über Kopfpauschalen hin in die weitere Privatisierung der Gesundheitsleistungen.

Das Ergebnis für die Menschen ist fatal: nicht mehr kontrollierbarer Anstieg der Gesundheitskosten, Absicherung weiterer Gesundheitsrisiken durch private Krankenkassen allein auf Kosten der Arbeitnehmer, Spaltung der Gesellschaft in die Zwei- und Dreiklassen Medizin. Die verheerenden Folgen sind:  die Menschen im unteren Einkommensbereich mit den oft höchsten Gesundheitsrisiken können sich die erforderliche Gesundheitsversorgung nicht mehr leisten – eine Spirale von Armut und Krankheit nach unten.

Bereits in ihrer Koalitionsvereinbarung hat Schwarz-Gelb vereinbart, dass der Arbeitgeberbeitrag bei 14 Prozent gedeckelt wird und somit alle zusätzlichen Belastungen einseitig von den Versicherten getragen werden müssen.

Längerfristig soll dann auch noch ein einheitlicher Beitrag für alle Versicherten eingeführt werden – die sogenannte Kopfpauschale. Dies bedeutet, dass dann der Chefarzt – sofern er überhaupt noch gesetzlich versichert ist – den gleichen Beitrag leistet, wie seine Arzthelferin mit einem Bruchteil seines Einkommens.

Für alle Besserverdienenden bringt dies eine erhebliche finanzielle Erleichterung, während die Geringverdiener zusätzlich belastet werden. Die Bundesregierung verteilt bereits erhebliche Beruhigungspillen: Derartige Gesundheitspauschalen würden für Niedrigverdiener mit einem steuerlichen Ausgleich durch den Staat verbunden. Dies sei doch erheblich gerechter als einkommensbezogene Beiträge bis zur Beitragsbemessungsgrenze, da alle Steuerzahler damit in die Ausgleichsleistungen einbezogen wären.

Wie die Erfahrung mit einem solchen System der Kopfpauschalen in der gesetzlichen Krankenversicherung in der Schweiz zeigt, sieht die Realität ganz anders aus: Ohne ausreichende Kontrollen der Ausgaben der sogenannten Gesundheitsanbieter in diesem 100rte  von Milliarden Euro bzw. Schweizer Franken schweren Gesundheitsmarkt  gibt es keine wirksame Begrenzung der Ausgaben. Die Gesundheitskosten in den Ländern mit den geringsten Kontrollen durch solidarische gesetzliche Krankenkassen  – USA und Schweiz – sind erheblich höher als in den übrigen vergleichbaren Staaten. In der Schweiz müssen inzwischen immer mehr  Versicherte zusätzliche Ausgleichsleistungen des Staates beziehen. Bezogen auf die Bundesrepublik könnte dies leicht zu einem weiteren finanziellen Fass ohne Boden für die Steuerzahler werden. Wie dies bewältigt werden soll bei den bereits jetzt unvorstellbar hohen Schulden als Folgewirkung der weltweiten Finanzkrise sowie den Koalitionsplänen zu generellen Steuersenkungen bleibt das Geheimnis der schwarz-gelben Koalitionäre.

Es wäre ein „Treppenwitz der Geschichte“, wenn in der Bundesrepublik als Ursprungsland der Bismarckschen Sozialversicherung die solidarische Krankenversicherung zerstört wird, während Präsident Obama in den USA erste Schritte einleitet, eine generelle gesetzliche Krankenversicherung einzuführen.

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