Sparpaket wird auf dem Arbeitsmarkt zum Bumerang

Beitrag per E-Mail versenden

Die Bundesregierung hat jetzt das größte Sparpaket ihrer Geschichte vorgelegt: 80 Mrd. Euro bis 2016 - allein über 11 Mrd. Euro in 2011. Damit dürften die bisherigen Erfolge in der Krisenbewältigung bei Beschäftigung und Arbeitslosigkeit schnell zunichte gemacht und in ihr Gegenteil verkehrt werden. Mit 29,5 Mrd. Euro sollen mehr als ein Drittel des Sparvolumens die Arbeitsmarktpolitik und die Arbeitslosenversicherung – und damit vor allem Arbeitslose und Langzeitarbeitslose – erbringen.

Folge: höhere Arbeitslosigkeit und Verschuldung

Die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel schreibt deutsche, europäische und internationale Geschichte – allerdings mit zweifelhaftem Ausgang. Mit den finanziellen Rettungspaketen für das überschuldete Griechenland und dem gigantischen Rettungsfonds für den Euro werden wir als Steuerzahler in unabsehbare finanzielle Verantwortung  genommen. Hiermit wird vor allem wieder einmal der Finanzbranche unter die Arme gegriffen – auf unsere Kosten als Steuerzahler. Gleichzeitig werden die Menschen in der Europäischen Union einem Sparzwang unterworfen, der die Gefahr eines wirtschaftlichen Abschwungs mit unvorhersehbaren sozialen und politischen Folgen nach sich ziehen kann. Auch in der Bundesrepublik hat die Bundesregierung jetzt das größte Sparpaket ihrer Geschichte vorgelegt: 80 Mrd. Euro bis 2016 – allein über 11 Mrd. Euro im kommenden Jahr.

Die Schwerpunkte dieses Sparpaketes sprechen der selbsternannten Maxime dieser Sparvorschläge Hohn: „Im Mittelpunkt steht der Mensch“. Von vielen Seiten aus Wirtschaft, Politik – auch aus den eigenen Reihen der Regierungskoalition – Gewerkschaften und Sozialverbänden ist auf die soziale Schieflage und die „Luftnummern“ bei der Heranziehung des Finanz- und Energiesektors eingehend hingewiesen worden. Dies wird auch nicht dadurch geheilt, dass die Ausgaben für Forschung, Bildung und Entwicklung erhöht werden sollen, zumal hierfür vorwiegend die Bundesländer zuständig sind.

Höchst erklärungsbedürftig ist auch die Verringerung der Bemessungsgrundlage für das Elterngeld (von 67 auf 65 Prozent für Einkommen über 1.240 Euro). Ziel des einkommensabhängigen Elterngeldes war es doch gerade, auch die besser verdienenden Männer zur Verantwortung für die Betreuung ihrer Kinder heranzuziehen. Ist dies jetzt wieder hinfällig und in der Familienpolitik der Weg nach rückwärts eingeleitet? Der für die gesetzliche Krankenversicherung vorgesehene Bundeszuschuss von zwei Mrd. Euro ist vor allem ein üppig bemessenes „Schmerzensgeld“ für die gescheiterte Gesundheitsreform von FDP Gesundheitsminister Rösler. Selbst in den Reihen des Wirtschaftsflügels der CDU wird auf die Notwendigkeit und Bereitschaft zu einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes in der Einkommenssteuer hingewiesen. Auch mehren sich die Stimmen zur Abschaffung der mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz eingeführten ermäßigten Umsatzsteuer für Hotelbetriebe. Es gäbe mithin genügend Möglichkeiten für die Rückführung der hohen öffentlichen Schulden, ohne in den Sozialbereich – und hierbei wieder vor allem bei Hartz IV – einzuschneiden. Sollten diese Sparprogramme vor allem zu Lasten der Arbeitslosen durchgesetzt werden, drohen noch höhere Arbeitslosigkeit und am Ende auch höhere öffentliche Schulden. Gewerkschaften und Opposition haben bereits massive Proteste angekündigt.

Mit diesem Sparpaket können die bisherigen Erfolge in der Krisenbewältigung bei Beschäftigung und Arbeitslosigkeit schnell zunichte gemacht und in ihr Gegenteil verkehrt werden. Mit 29,5 Mrd. Euro sollen mehr als ein Drittel des Sparvolumens die Arbeitsmarktpolitik und die Arbeitslosenversicherung – und damit vor allem Arbeitslose und Langzeitarbeitslose – erbringen. Wie damit die Beschäftigung verbessert sowie Arbeitslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit verringert werden sollen, bleibt das Geheimnis der Bundesregierung.

Sparen am falschen Ende

Mit dem Wegfall des Zuschlages für diejenigen Arbeitslosen, die aus ALG I in ALGII  fallen wird wieder einmal bei denjenigen gespart, die das Geld am dringendsten brauchen. Zudem waren diese Zuschläge (160 Euro im ersten und 80 Euro im zweiten Jahr für Alleinstehende und das Doppelte für Verheiratete) ein – wenn auch völlig unzureichendes – Mindestmaß an Ausgleich für die Verschlechterung der ALG II Leistungen gegenüber der vorherigen Arbeitslosenhilfe für diejenigen, die vorher oft jahrzehntelang gearbeitet und Arbeitslosenversicherungsbeiträge sowie Steuern gezahlt haben. Die Bundesregierung will jetzt ausgerechnet bei den Menschen, die von dem für sie oft verheerenden Abfall von ALGI in ALGII betroffen sind, sparen. Sie kann sicher sein, dass sie damit – abgesehen von dem sozialen Schaden – die wirtschaftliche Nachfrage unmittelbar einschränkt. Verstärkt wird dies noch dadurch, dass für ALGII Bezieher das Elterngeld abgeschafft – und die Heizkostenpauschale gestrichen wird.

Die vorgesehene Streichung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für ALG II Empfänger ist nichts anderes als ein erneuter Verschiebebahnhof zu Lasten der betroffenen Menschen sowie der gesetzlichen Rentenversicherung und ihrer Beitragszahler. Die bereits auf ein Minimum von 40,80 Euro abgesenkten Beiträge für Langzeitarbeitslose erbringen zwar nur wenig mehr als zwei Euro im Monat an Rentenleistungen. Ihre Streichung würde zu jährlichen Beitragsausfällen bei der gesetzlichen Rentenversicherung von 1,8 Mrd. Euro führen, die dann durch höhere Beiträge ausgeglichen werden müssen. Ebenfalls belastet werden die Kommunen mit den dann höheren Grundsicherungsleistungen für die Rentner. Dabei sind die Kommunen von der Krise und den einbrechenden Steuereinnahmen bereits hart getroffen. Die Logik einer Regierungspolitik ist schwer nachzuvollziehen, wenn einerseits eine Kommission zur Gemeindefinanzreform für eine stabile Finanzgrundlage der Kommunen eingerichtet wurde und andererseits den Kommunen weitere finanzielle Lasten aufgebürdet werden.

Sparen bei Arbeitsmarktpolitik – gefährlicher Bumerang

Wenig überzeugend sind die Begründungen für die massive Streichung der finanziellen Mittel für die Arbeitsmarktpolitik. Sie gleichen eher einer Quadratur des Kreises: Auf der einen Seite soll die Autonomie der „Bundesagentur für Arbeit“ gestärkt werden, Arbeitsvermittler mehr Flexibilität bei der Ausgestaltung der Arbeitsmarktprogramme erhalten, indem Pflichtleistungen in Ermessensleistungen umgewandelt werden. Gleichzeitig sollen die finanziellen Mittel für die Arbeitsmarktpolitik jedoch erheblich zusammengestrichen werden – um 16 Mrd. Euro bis 2014, davon bereits 6 Mrd. Euro in den nächsten beiden Jahren. Die größere Flexibilität für die Arbeitsverwaltungen wird sich somit schnell als Danaergeschenke erweisen.

Ihre Mitarbeiter werden vor allem den Mangel bei der Arbeitsmarktpolitik verwalten und gegenüber den Arbeitslosen begründen müssen. Gespart werden soll damit wiederum bei den Ärmsten der Armen, vor allem arbeitslosen und behinderten Jugendlichen. Das erst kürzlich noch vom damaligen Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) eingeführte Recht auf das Nachholen des Hauptschulabschlusses würde gestrichen – genauso wie Zuschüsse für Arbeit, Ausbildung sowie Unterhalt für behinderte Jugendliche in besonderen Werkstätten. Die Bundesregierung kassiert damit das – rechtzeitig vor den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen – mit großem Öffentlichkeitswirbel vorgestellte arbeitsmarktpolitische Programm ihrer Bundesarbeitsministerin zur verstärkten Förderung für benachteiligte Personen auf dem Arbeitsmarkt bereits nach wenigen Wochen wieder ein.

Völlig rätselhaft ist zudem, wie die Arbeitsvermittlung Langzeitarbeitsloser derartig verbessert werden kann, dass 2013 und 2014  4,5 Mrd. Euro eingespart werden können. Dies mit der demographischen Entwicklung zu erklären – wie die Bundesregierung vorsieht – ist wenig einsichtig: Auch wenn die Zahl der Erwerbstätigen demographisch bedingt zurückgeht, heißt dies noch längst nicht, dass Arbeitgeber bereit sind, Langzeitarbeitslose einzustellen. Wenn den Mitarbeitern in den Job Centern gleichzeitig die Mittel für Eingliederungsmaßnahmen und qualifiziertes Personal massiv gestrichen werden, sind sie noch weniger in der Lage, Langzeitarbeitslose in eine Arbeit zu vermitteln. Zudem weist selbst die Bundesregierung darauf hin, dass ihr Vorschlag zur Reform der Job Center mit einer höheren Anzahl von Optionskommunen Mehrkosten verursachen wird.

Bundesagentur für Arbeit – Sparschwein der Nation

Nicht nachvollziehbar ist, warum die Sparvorschläge vor allem auf die Bundesagentur für Arbeit zielen. Gerade sie hat mit ihrer Arbeitsvermittlung und Arbeitsmarktpolitik während des konjunkturellen Aufschwungs einen erheblichen Rückgang der Arbeitslosigkeit und große Einsparungen erzielt und in der Krise den Anstieg der Arbeitslosigkeit in Grenzen gehalten. Die Verbesserung bei der Beschäftigung und Arbeitslosigkeit in den letzten Monaten macht deutlich, dass sie mit ihrer Arbeitsmarktpolitik – vor allem der Kurzarbeitergeldregelung nachhaltige Erfolge erzielen konnte: Vielen Arbeitnehmern ist der schmerzhafte Gang in die Arbeitslosigkeit erspart, den Arbeitgebern qualifizierte und erfahrene Belegschaften erhalten geblieben und Ausfälle bei den Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern vermieden worden.

Erforderlich wäre jetzt, auf diesen Erfolgen aufzubauen, um die nach wie vor zu hohe Langzeitarbeitslosigkeit zu verringern. Gerade zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit ist ein Paradigmenwechsel in der Arbeitsmarktpolitik erforderlich – aber nicht zu weniger und billigerer Arbeitsmarktpolitik, sondern zu nachhaltigen arbeitsmarktpolitischen Eingliederungsmaßnahmen in den ersten und zweiten Arbeitsmarkt. Dies ist jedoch nicht zum „Nulltarif“ zu haben.

Werden jetzt die arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen derartig drastisch eingeschränkt, werden nur noch kurzfristige Trainingsmaßnahmen und Ein Euro Jobs angeboten werden können. Wie amtliche Untersuchungen der Bundesregierung, des Bundesrechnungshofes, der Bundesagentur für Arbeit und die praktische Erfahrung deutlich zeigen, ist hierdurch eine nachhaltige berufliche Eingliederung kaum zu leisten. Die Folge: Langzeitarbeitslosigkeit und Hartz IV bleiben für die betroffenen Menschen, ihre Familien und ihre Kinder ein verheerendes Schicksal und für den Steuerzahler ein „Fass ohne Boden“.

In den Sparvorschlägen ist vorgesehen, dass die Bundesagentur für Arbeit mittel- und längerfristig keine Zuschüsse und Darlehen des Bundes mehr erhalten soll.

Auch hier ist die notwendige Schlüssigkeit und Konsequenz zu vermissen: Bundesregierung und Gesetzgeber haben die Beitragssätze zur BA von 2006 bis 2009 von 6,5 auf 2,8 Prozent – um etwa 30 Mrd. Euro – reduziert. Es ist daher kaum verwunderlich, dass bei gestiegener Arbeitslosigkeit und hoher Inanspruchnahme durch die erweiterte Kurzarbeit ein Defizit entstanden ist. Hinzu kommt die nicht zu rechtfertigende Belastung der BA mit der Hälfte der Ausgaben für die Arbeitsmarktpolitik der ALG II Empfänger. Dies sind über 5 Mrd. Euro pro Jahr.

Erforderlich ist zuallererst die Entlastung der BA von diesem Beitrag für Hartz IV. Darüber hinaus ist eine moderate Anhebung der Beiträge über den vorgesehenen Anstieg auf 3,0 Prozent ab 2011 erforderlich. Mit einem Beitragssatz von etwa 3,5 Prozent und unter Wegfall des Eingliederungsbeitrags könnte die BA ihre Aufgaben finanziell eigenständig bewältigen.

Hinterlassen sie einen Kommentar

Pflichtfelder *


drei × 4 =