Bürgerarbeit – wem nützt sie?

Beitrag per E-Mail versenden

Am 15. Juli hat Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen ihr Projekt „Bürgerarbeit“ zur beruflichen Eingliederung Langzeitarbeitsloser gestartet. Etwa die Hälfte der Job Center wollen sich mit 160 000 Langzeitarbeitslosen beteiligen. Insgesamt stehen 34 000 Arbeitsplätze für Bürgerarbeit zur Verfügung. Dafür soll ein monatlicher Lohn von 9oo Euro für 30 Wochenstunden Arbeit gezahlt werden. Diese Tätigkeiten sind -mit Ausnahme der Arbeitslosenversicherung- sozialversicherungspflichtig. Sie sollen für drei Jahre mit 1,3 Mrd. Euro von der Bundesregierung gefördert werden. Allerdings werfen die bisher bekannten Bedingungen für die Bürgerarbeit mehr Fragen als Antworten auf.

Am 15. Juli hat Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen ihr Projekt „Bürgerarbeit“ zur beruflichen Eingliederung Langzeitarbeitsloser gestartet. Dabei sind nur wenige Wochen vergangen, seitdem die Bundesregierung drastische Einsparungen vor allem zu Lasten dieser am meisten hilfebedürftigen langzeitarbeitslosen Menschen verkündet hat. Wenn jetzt neue Maßnahmen für Langzeitarbeitslose eingeführt werden, bleibt die bange Frage: Wo und bei wem soll gespart werden, um dieses neue Projekt zu finanzieren?

Bei der jetzt begonnenen Bürgerarbeit geht es um gemeinnützige Tätigkeiten für Langzeitarbeitslose (über ein Jahr arbeitslos) – z.B. im Bereich der Land- und Forstwirtschaft, Garten und Landschaftspflege, Reinigungs-, Betreuungs- und Pflegetätigkeiten. Etwa die Hälfte der Job Center wollen sich mit 160 000 Langzeitarbeitslosen beteiligen. In einer sechsmonatigen Aktivierungsphase wird zunächst individuell geprüft, mit welchen Eingliederungsmaßnahmen und Tätigkeiten die betroffenen Menschen in eine Arbeit integriert werden können.

Insgesamt stehen 34 000 Arbeitsplätze für Bürgerarbeit zur Verfügung. Dafür soll ein monatlicher Lohn von 9oo Euro für 30 Wochenstunden Arbeit gezahlt werden. Diese Tätigkeiten sind sozialversicherungspflichtig – mit Ausnahme der Arbeitslosenversicherung. Sie sollen für drei Jahre mit 1,3 Mrd. Euro von der Bundesregierung gefördert werden.

Bessere Alternative zu Ein-Euro Jobs

Unbestritten ist, dass die berufliche Eingliederung langzeitarbeitsloser Menschen verbessert werden muss. Die Langzeitarbeitslosigkeit ist mit über 930 000 betroffenen Menschen (2009) trotz rückläufiger Tendenz immer noch viel zu hoch. Bislang liegt der Schwerpunkt auf den sogenannten Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwand (Ein Euro Jobs). Die betroffenen Arbeitslosen beziehen weiter ihre ALG II Leistungen und erhalten für die Tätigkeit zwischen 1 Euro und 1,50 Euro in der Stunde. Diese Ein Euro Jobs begründen mithin keine Arbeitsverhältnisse. Sie dauern im Regelfall ein halbes Jahr. Danach sind die Betroffenen wieder ohne Arbeit. Aus dem ALG II Bezug und der Abhängigkeit von Hartz IV kommen sie nicht heraus.

Sowohl wissenschaftliche Begleituntersuchungen wie Berichte des Bundesrechnungshofes haben darauf hingewiesen, dass die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt durch diese Ein Euro Jobs minimal ist. Die Missbräuche durch die Träger derartiger Maßnahmen -Kommunen oder gemeinnützige Einrichtungen- betreffen mehr als die Hälfte der geförderten Ein Euro Jobs. Reguläre sozialversicherungspflichtige Teilzeit- und Vollzeitstellen werden durch diese Arbeitsgelegenheiten ersetzt und damit Personal und Kosten gespart.

Für die betroffenen Arbeitslosen sind diese Jobs allerdings oft der einzige Strohhalm, um überhaupt eine Arbeit mit einem kleinen Nebenverdienst zu haben. Dabei kommen sie nicht aus der verheerenden Abhängigkeit von Hartz IV und den teilweise entwürdigenden Bedürftigkeitsprüfungen heraus. Zudem ist dies wenig motivierend, da nach sechs Monaten die Tätigkeit im Allgemeinen beendet ist. Auch bei personenbezogenen Dienstleistungen, die häufig als Ein Euro Jobs erbracht werden, bestehen erhebliche Probleme. Ein Vertrauensverhältnis zu den zu betreuenden Personen lässt sich in sechs Monaten keinesfalls zufriedenstellend aufbauen. Wenn daher nach besseren Alternativen der Beschäftigung dieser langzeitarbeitslosen Menschen gesucht wird, ist dies zu begrüßen.

Bedingungen der Bürgerarbeit verbessern

Allerdings werfen die bisher bekannten Bedingungen für die Bürgerarbeit mehr Fragen als Antworten auf. Eine Verbesserung der Bürgerarbeit gegenüber den Ein-Euro-Jobs ist die Begründung eines Arbeitsverhältnisses und damit die Chance, aus Hartz IV herauszukommen. Dafür gibt es in Sachsen Anhalt, Thüringen, Bayern und Mecklenburg Vorpommern einige ermutigende Beispiele.

Sie zeigen mit aller Deutlichkeit, dass langzeitarbeitslose Menschen auch in höherem Lebensalter dringend nach einer Arbeit suchen. Nach oft mehrjähriger Langzeitarbeitslosigkeit und zusätzlichen Vermittlungshemmnissen -Mobilität, Sprache, gesundheitliche Einschränkungen, mangelnde berufliche Qualifikation- haben sie keine Chancen auf Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt. In einigen Fällen hat sich die Bürgerarbeit – vor allem bei handwerklichen Tätigkeiten sowie im Betreuungsbereich – auch als Brücke in den ersten Arbeitsmarkt erwiesen.

Lohndumping verhindern

Wenn es der Bundesarbeitsministerin mit ihrem Einsatz für Gerechtigkeit ernst ist, müssten auch für die Bürgerarbeiter tarifliche oder ortsübliche Löhne gezahlt werden. Für viele Langzeitarbeitslose -vor allem mit Familienverpflichtungen- wird ansonsten der Weg aus der Bedürftigkeitsfalle von Hartz IV verschlossen bleiben. 900 Euro für 30 Stunden Arbeit bei der geplanten Bürgerarbeit sind an der unteren Grenze und erreichen nicht einmal den vom DGB geforderte gesetzlichen Mindestlohn von 8 Euro 50 die Stunde.

Dann ist allerdings zu fragen, weshalb nicht die gesetzlich vorgesehenen Fördermaßnahmen für Arbeitsgelegenheiten mit Entgelt genutzt werden. Für derartige gemeinnützige Tätigkeiten müssen tarifliche oder ortübliche Löhne geleistet werden. Dies ist im Übrigen das beste Bollwerk gegen den missbräuchlichen Ersatz regulärer Beschäftigung durch derartige geförderte Tätigkeiten und damit Lohndumping auf dem Rücken der Menschen.

Besten auslese vermeiden

Wie Untersuchungen und Erfahrungen zeigen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass auch für die Bürgerarbeit nach den Auswahlverfahren nur die jeweils besten ausgewählt werden. Bei diesen Personen ist wiederum die Gefahr, dass sie nach Integration in eine derartige Bürgerarbeit nicht alle Chancen zum Übergang in den ersten Arbeitsmarkt nutzen.

Um diesen „Creaming“ Effekt zu vermeiden, hatte der damalige Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) die sogenannten „Beschäftigungszuschüsse“ eingeführt. Danach können schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose mit mehreren Vermittlungshemmnissen in zusätzliche Arbeit eingegliedert werden. Dafür erhalten die Träger Lohnkostenzuschüsse bis zu 75 Prozent der Löhne als Förderung. Gefördert werden sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse mit tariflichen bzw. ortüblichen Löhnen. Es stellt sich daher die Frage, warum die Bundesarbeitsministerin die zusätzlichen Steuermittel nicht zur finanziellen Aufstockung dieser vollwertigen Beschäftigung schwer vermittelbarer Langzeitarbeitsloser vorsieht. Sie hätte dann gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Dieses bisher wegen der zusätzlichen Eigenmittel der Träger wenig in Anspruch genommene Programm würde besser laufen und die Gefahren des „Creaming“ sowie Lohndumping wären erheblich verringert.

Für die Eingliederung schwer vermittelbarer Langzeitarbeitsloser in den kommunalen Beschäftigungsbereich waren für Regionen mit überdurchschnittlich hoher Langzeitarbeitslosigkeit ähnliche Förderprogramme (Kommunalkombi) vorgesehen. Sie sollen infolge geringer Inanspruchnahme -auch wegen der zu leistenden Eigenmittel- entfallen. Warum werden sie nicht besser finanziell durch den Bund gefördert? Dies wäre ein gutes Konzept für eine Bürgerarbeit mit tariflichen oder ortsüblichen Löhnen und Sozialversicherung.

„Eingliederungswunder“ kaum möglich

Bleibt noch eine weitere Frage: Wenn für 160 000 Langzeitarbeitslose nur 34 000 Bürgerarbeitsplätze zur Verfügung stehen, ist dies ein krasses Missverhältnis. Sollte davon ausgegangen werden, dass 126 000 Langzeitarbeitslose innerhalb der sechs Monate in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden, ist dies ein außerordentlich ehrgeiziges Unterfangen. Es ist kaum damit zu rechnen, dass sich selbst bei noch besserer Erholung der Konjunktur ein solches „Eingliederungswunder“ bewältigen lässt. In den Betrieben müssen erst einmal die Kurzarbeit abgebaut und die Arbeitszeitkonten wieder aufgefüllt werden. Darüber hinaus stehen die Leiharbeitsagenturen in den Startlöchern, um ihr Geschäft wieder auszuweiten. Erfahrungsgemäß sind sie am wenigsten bereit, langzeitarbeitslosen Menschen eine Chance zu geben -abgesehen davon, dass dies höchst zweifelhafte Berufschancen sind- mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an Armutslöhnen, die durch Hartz IV aufgestockt werden müssen.

Sollte die Bundesarbeitsministerin allerdings davon ausgehen, dass viele der nicht für einen Bürgerarbeitsplatz in Frage kommenden Langzeitarbeitslosen bereits selbst die Reißleine ziehen und sich aus der Arbeitslosigkeit und Suche nach Arbeit zurückziehen -wohin auch immer- wäre dies eine weitere bittere Enttäuschung für die Menschen, die am meisten Hilfe bedürfen. Der Preis für eine derartige Entlastung der Statistik der Langzeitarbeitslosen und arbeitsmarktpolitischen Aktionismus ist bei weitem zu hoch.

Hinterlassen sie einen Kommentar

Pflichtfelder *


5 × = zehn