Gute Noten für Deutschland

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Jetzt hat uns auch die Internationale Arbeitsorganisation in ihrem jährlichen Bericht über die „Welt der Arbeit“ bestätigt: Im weltweiten Maßstab ist es in der Bundesrepublik bislang gelungen, trotz vergleichsweise großer Wachstumseinbrüche den Anstieg der Arbeitslosigkeit in Grenzen zu halten.

Jetzt hat uns auch die Internationale Arbeitsorganisation in ihrem jährlichen Bericht über die „Welt der Arbeit“ bestätigt:  Im weltweiten Maßstab ist es in der Bundesrepublik bislang gelungen, trotz vergleichsweise großer Wachstumseinbrüche den Anstieg der Arbeitslosigkeit in Grenzen zu halten. Um einen falschen Zungenschlag zu vermeiden: Sowohl ein Niveau der registrierten Arbeitslosen von 3,4 Millionen im November 2009 und ein Anstieg von über 220 000 gegenüber dem Vorjahr ist wirtschaftlich, sozial und für die betroffenen Menschen verheerend.  Jedoch konnten  erdrutschartige Verschlechterungen auf dem Arbeitsmarkt -wie diese über einige andere Länder hereinbrachen- bei uns bisher verhindert werden.

Weltweit  sind seit Beginn der globalen Finanzkrise 20 Mio. Arbeitsplätze vernichtet worden, davon allein 6,1 Millionen in der Europäischen Gemeinschaft. Das tatsächliche Ausmaß der Einbrüche auf dem Arbeitsmarkt ist allerdings weit größer. Nicht bekannt ist vor allem auch der Anstieg der Arbeitslosigkeit, wenn die Arbeitsmarktprogramme zur Arbeitsumverteilung und Kurzarbeit auslaufen.

Die ILO warnt vor einem Anstieg der Arbeitslosigkeit weltweit auf 43 Millionen, wenn keine geeigneten beschäftigungspolitischen Maßnahmen ergriffen werden oder die bisherigen Konjunkturmaßnahmen zu früh auslaufen. Gefährdet von Arbeitslosigkeit sind vor allem gering Qualifizierte, Ältere und Migranten.

Beigetragen zu dem vergleichsweise geringen Anstieg der Arbeitslosigkeit in Deutschland hat die Konjunkturpolitik mit ihrer starken Orientierung auf beschäftigungssichernde Maßnahmen – vor allem die Umverteilung der Arbeit durch Verringerung der Arbeitszeiten und insbesondere Kurzarbeit, aber auch die Abwrackprämie für Altautos und die Förderung der öffentlichen Infrastruktur. Besonders gewürdigt wird gerade im internationalen Vergleich die stabilisierende Wirkung der sozialen Sicherungssysteme. Insbesondere die Arbeitslosenversicherung und die Arbeitsmarktpolitik haben eine bedeutende Rolle bei der Sicherung von Einkommen, Nachfrage und Beschäftigung in Deutschland übernommen.

Wie die ILO feststellt, haben zwei Drittel der Länder, für die Beschäftigungsdaten verfügbar waren, keine Arbeitslosenunterstützung. Darüber hinaus haben die Arbeitslosenversicherungsysteme dort -wo sie vorhanden sind- erhebliche Lücken bei den einbezogenen Personengruppen sowie den gewährten Leistungen. Für die große Mehrzahl der im informellen Sektor beschäftigten Menschen in den Entwicklungsländern gibt es überhaupt keine formale Arbeitslosenversicherung.

In Deutschland konnte mit der zeitlichen Ausdehnung, finanziellen Förderung und Erleichterung der Zahlung des konjunkturbedingten Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate im Jahr 2009 bis zu einer  halben Million Arbeitnehmer vor der Arbeitslosigkeit bewahrt werden.  Hinzu kommt die Sicherung vieler Arbeitsplätze durch Abbau von Überstunden und Arbeitszeitkonten in den Betrieben.

Wie der ILO  Bericht eindrucksvoll zeigt, hat Deutschland  einen beinahe doppelt so hohen Wachstumseinbruch erlitten als die 27 Staaten der Europäischen Gemeinschaft hinnehmen mussten. Doch der Rückgang der Beschäftigung blieb bei einem Bruchteil des Beschäftigungseinbruchs in der EU. Auch in den USA ist der Wachstumsverlust erheblich geringer, aber die Beschäftigungsrückgänge machten ein Mehrfaches der Arbeitsplatzverluste in Deutschland aus. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass diese Maßnahmen der Arbeitszeitverkürzung und Kurzarbeit mit Einkommensverlusten für die betroffenen Arbeitnehmer, zusätzlichen Kosten für die Arbeitgeber, aber vor allem der Bundesagentur für Arbeit  verbunden sind. Zudem bleibt abzuwarten, ob und in welchem Ausmaß Kurzarbeit durch Beschäftigung abgelöst werden kann oder doch noch zu Entlassungen und Arbeitslosigkeit führt.

In ihren Prognosen kommt die ILO zu der Einschätzung:  Selbst wenn der für das nächste Jahr erwartete Anstieg der Arbeitslosigkeit 2011 beendet werden kann, wird erst 2013 wieder die volle Stärke der Beschäftigung wie vor der Krise 2008 erreicht.

Aufschlussreich sind auch die Schlussfolgerungen in dem ILO Bericht – insbesondere für die Bundesrepublik:

Dabei wird zuerst auf die besondere Rolle der antizyklischen sozialen Sicherung verwiesen, die im  nächsten Jahr der wachsenden Gefährdungen auf dem Arbeitsmarkt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und damit auch die Beschäftigung sichert. Es ist daher richtig, dass die Bundesregierung  das krisenbedingte Defizit bei der Bundesagentur für Arbeit sowie dem Gesundheitsfonds mit Zuschüssen ausgleicht. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur konjunkturellen Stabilisierung. Den Vorstellungen der FDP zum Abbau der Sozialen Sicherung, die teilweise in den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung eingegangen sind, sollte daher eine Absage erteilt werden. Der vorgesehene Kahlschlag bei der solidarischen gesetzlichen Krankenversicherung durch die Einführung von Kopfpauschalen und Einfrieren der Arbeitgeberbeiträge mit der Folge höherer finanzieller Belastungen für viele Beitragszahler und schlechtere Leistungen für viele Kranke würde die labile Wirtschafts- und Beschäftigungssituation weiter gefährden. Entsprechendes gilt auch für die Vorstellungen der FDP aus ihrem Wahlprogramm zur Privatisierung der Arbeitslosenversicherung, drastischem Abbau der Arbeitsmarktpolitik sowie weiteren Einschränkungen der gesetzlichen Rentenleistungen. Gerade die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise hat uns mit aller Deutlichkeit vor Augen geführt, wie sehr die solidarischen gesetzlichen Sozialversicherungssysteme als wirtschaftliche Stabilisatoren wirken und wie unerlässlich sie auch für den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft sind.

Zu beachten ist zweitens die Warnung der ILO vor einem vorschnellen Ausstieg aus der  gesamtwirtschaftlichen Nachfrageförderung. Die Bundesregierung wäre gut beraten, ihre missratene Klientelpolitik der Steuersenkungen im Wachstumsbeschleunigungsgesetz nicht fortzusetzen. Hiermit gefährdet sie vor allem ihre eigene finanzielle Handlungsfähigkeit in der bei weitem noch nicht ausgestandenen Krise. Empfohlen werden von der ILO hingegen Maßnahmen zur Verbesserung der Einkommen im Niedriglohnsektor. Die von der Bundesregierung beschlossene Erhöhung der Freibeträge beim Altersvermögen sowie der Zuverdienstgrenzen für Hartz IV Empfänger sind richtige Schritte – reichen aber bei weitem nicht aus. Vordringlich ist eine bedarfsgerechte Bemessung und entsprechend Verbesserung der Kinderzuschläge in Hartz IV Haushalten, wie dies das Bundessozialgericht verlangt hat. Dringend erforderlich sind weitere Maßnahmen zur wirksamen Bekämpfung der Ausbreitung der Niedriglohnsektoren sowie der Armut bei Arbeit und im Alter.

Zu Recht verweist die ILO drittens auf die Notwendigkeit, ein Konzept für den mittelfristigen Abbau des hohen Schuldenberges  zu entwickeln, der zur Bewältigung der weltweiten Finanzkrise aufgehäuft wurde. Die Bundesregierung sollte dies bei ihrer zukünftigen Steuerpolitik berücksichtigen. Massive Steuersenkungen -wie im Wahlkampf vollmundig versprochen- passen nicht in eine nachhaltige Finanz- und Wirtschaftspolitik. Diese ist sowohl dem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht, der Währungsstabilität, einer hohen Beschäftigung sowie dem Stabilitätspakt der EU mit einer Nettoneuverschuldung im Jahr von maximal 3 Prozent verpflichtet. Vor allem muss sie gegenüber den kommenden Generationen verantwortet werden können.

Zutreffend sind viertens die Empfehlungen der ILO zu einer nachhaltigen Stärkung von Wirtschaft und Beschäftigung in Dienstleistungen und Ökologie. Während die Bundesrepublik im ersteren Bereich gegenüber anderen vergleichbaren Ländern erhebliche Defizite aufweist,  steht sie bei der „grünen Wirtschaft“ erheblich besser da. Aber auch hier könnte sie noch erhebliche ungenutzte Potentiale ausschöpfen. Hier kann Deutschland hinter Großbritannien auf die größte Verringerung der CO2 haltigen Produktion, gemessen am Beschäftigungsanteil im Vergleich zu anderen großen Industrienationen, verweisen.

 >> ILO Weltarbeitsbericht 2009

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