Bekämpfung der Altersarmut – Anspruch und Wirklichkeit

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Eines der maßgeblichen sozialpolitischen Ziele im Koalitionsvertrag der Großen Koalition ist die Bekämpfung der Altersarmut. „Wir wollen, dass sich Lebensleistung und langjährige Beitragszahlung in der Rente auszahlt. Wir werden daher eine solidarische Lebensleistungsrente einführen.“ Allerdings wurde die Erfüllung dieses Anspruchs auf das Jahr 2017 verschoben. Da in diesem Jahr die nächsten Bundestagswahlen stattfinden, ist nicht damit zu rechnen, dass sich derartig gewichtige politische Projekte noch in dieser Legislaturperiode durchsetzen lassen. Die entscheidenden Konzepte zur Wiederherstellung der gesetzlichen Rentenversicherung zur maßgeblichen Absicherung des Lebensstandards unter Einbeziehung aller Erwerbstätigen werden überhaupt nicht angepackt. Noch so schön klingende Initiativen wie Teilrentenmodelle oder eine „schwarz-grüne“ Deutschlandrente können keine nachhaltige Lösung bieten.

Mütterrente und 63er Regelung

Die Große Koalition hat zwar in ihrer ersten Halbzeit Reformen auf den Weg gebracht, die erstmalig seit Jahrzehnten wieder eine Verbesserung von Rentenleistungen ermöglichen-vor allem die längst überfällige Aufwertung von Rentenleistungen für Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren sind; die 63er Regelung der abschlagsfreien Rente mit 63 Jahren nach 45 Beitragsjahren sowie Verbesserungen bei den Erwerbsminderungsrenten. Bei der Mütterrente bestehen erhebliche Verbesserungsbedarfe – weitere Aufwertung der Rentenleistungen, Gleichstellung zwischen Ost und West, Abschaffung der Abschläge bei den Erwerbsminderungsrenten.

Außerdem müssen sowohl die Mütterrente wie auch die 63er Regelung mit etwa 10 Mrd. Euro im Jahr über Bundessteuern und nicht wie derzeit über Beiträge finanziert werden. Für die Bekämpfung der massenhaft drohenden Altersarmut können sie kaum einen Beitrag leisten. Vielmehr tragen sie infolge der Finanzierung über Beiträge dazu bei, dass das Rentenniveau weiter absinkt und bis zum Jahr 2030 unter 43 Prozent der Nettorente vor Steuern abzusinken droht. Dann werden auch Arbeitnehmer mit mittlerem Einkommen nach langjähriger beitragspflichtiger Beschäftigung auf oder sogar unter die Armutsgrenze bei den gesetzlichen Altersrenten rutschen. Da zudem die Mütterrente auf die Armutsrente Grundsicherung angerechnet wird, können gerade die Frauen, die sie am dringendsten brauchen würden, der Spirale von Armut bei Arbeit und im Alter am wenigsten entkommen, darunter auch die Alleinerziehenden. Die 63er Regelung gilt vor allem für männliche Arbeitnehmer mit dauerhaften Erwerbsbiographien, höheren Einkommen und entsprechend auch Rentenansprüchen.

Solidarische Lebensleistungsrente

Auch die bekannten Konzepte einer solidarischen Lebensleistungsrente der Koalitionsparteien sind nicht geeignet, einen wirksamen Beitrag zur Bekämpfung der Altersarmut zu leisten. Zum einen hängen sie die Messlatte für die dabei vorgesehene Aufwertung der Rentenleistungen bis auf 850 Euro viel zu hoch.  Mindestanforderungen von 30 Jahren durchgängiger Beschäftigung werden gerade die vor allem betroffenen Frauen wegen ihrer Familientätigkeit kaum aufweisen. Zudem werden sie noch weniger in der Lage sein, die Voraussetzungen einer betrieblichen Altersversorgung oder einer privaten Riesterrente zu erfüllen.

Die von der schwarz-grünen Koalition in Baden Württemberg vorgeschlagene Deutschlandrente kann diese gravierenden Mängel ebenfalls nicht beseitigen. Nach der massiven Ausdehnung von prekärer Beschäftigung ist die Anzahl der Arbeitnehmer mit Niedriglöhnen bis zu Armut bei Arbeit erheblich angewachsen. Bei ihnen fehlen die finanziellen Spielräume für zusätzliches Ansparen einer Altersrente, die dann häufig noch auf die Grundsicherung im Alter angerechnet würde. Zudem ist dies ein weiteres Aufweichen der umlagebasierten, paritätisch finanzierten gesetzlichen Altersrente, da die Arbeitgeber hierzu nach den bisherigen Konzepten keine Beiträge leisten müssen. Selbst wenn dieses angesparte Kapital von einer gemeinnützigen Institution verwaltet werden soll, um somit die unverschämt hohen Verwaltungskosten bei den privaten Zusatzversicherungen zu verhindern, bleibt die Gefährdung großer Kapitalansammlungen durch Finanzkrisen und den Zugriff der Politik.

Flexible Übergänge in Rente

Ebenso wenig ist ein Beitrag zur Bekämpfung der Altersarmut von der Flexibilisierung der Übergänge in die Rente zu erwarten. Dazu hat die Koalition einen Entschließungsantrag verabschiedet und eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die jetzt ihre Vorschläge vorgelegt hat. Vor allem soll die bisherige Möglichkeit der Wahl zwischen 2/3 und 1/3 Teilrenten sowie die Hinzuverdienstgrenzen von heute 450 Euro erheblich erweitert werden. Allerdings gibt es keine genaueren Vorschläge, wie dies praktisch umgesetzt werden soll. Es ist mithin nicht absehbar, ob und in welchem Maße hierdurch Altersarmut wirksam entgegengewirkt werden kann. Zudem ist ebenfalls nicht zu erwarten, dass hierzu noch in dieser Legislaturperiode konkrete Gesetzesvorhaben eingeführt werden können.

Fragwürdig sind auch die Vorschläge für die Erleichterung der Erwerbstätigkeit nach dem Bezug der Altersrente. Die zunehmende Beschäftigung von Rentnern ist auch eine Folge der rückläufigen Rentenleistungen und der drohenden Altersarmut. Die vorgesehene Nutzung der Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung für zusätzliche Rentenleistungen, wenn die Arbeitnehmer ebenfalls eigene Rentenversicherungsbeiträge entrichten, würden die Rentner zusätzlich belasten. Abzuwarten wären ebenso die beschäftigungs- und sozialpolitischen Auswirkungen der vorgesehenen Abschaffung der Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosenversicherung bei der Beschäftigung von Rentnern.

Bringschuld der Wirtschaft

Das Hauptproblem liegt jedoch darin, ob überhaupt Arbeitsplätze für Rentner oder Teilrentner angeboten werden, und wenn- mit welchem Einkommen sowie Arbeitsbedingungen. Bereits heute ist es trotz des immer wieder beschworenen Mangels an Arbeits- und Fachkräften kaum möglich, über 55jährige Arbeitslose überhaupt in Arbeit zu bringen. Seit Jahren steigt die Arbeitslosigkeit der älteren und behinderten Arbeitnehmer, während sie insgesamt erheblich zurückgeht und die Beschäftigung ansteigt. Es wäre daher zunächst eine arbeitsmarktpolitische Priorität und Bringschuld der Wirtschaft, diesen Personengruppen eine qualifikationsgerechte und humane Eingliederung in das Erwerbsleben zu ermöglichen. Zudem wäre dies ein wichtiger Beitrag zur Arbeits- und Fachkräftesicherung sowie Verhinderung der Verschwendung beruflicher Qualifikationen.

Einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Altersarmut könnte und müsste die Abschaffung der Zwangsverrentung ab 63 Jahren für Hartz IV Bezieher leisten. Hierzu muss eine entsprechende gesetzliche Veränderung erfolgen. Dies hat das Bundessozialgericht erst kürzlich in seinem Urteil vom 19.8.2015 bestätigt. Die in dem Abschluss Bericht der Arbeitsgruppe vorgesehenen Erweiterungen der Ermessensspielräume in den Job Centern reichen in keinem Fall aus.

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