Von der Flüchtlingskrise zur Integration

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Deutschland und Europa: von einer Krise zur nächsten – Euro, Banken, Griechenland. In allen Fällen gilt: Krisenmanagement  auf kurze Sicht kann keine nachhaltige Lösung sein. Dies gilt ganz besonders für den Zustrom von Flüchtlingen, insbesondere aus dem Mittleren Osten, Afrika und dem Balkan. Erwartet wurden in Deutschland in diesem Jahr zunächst 400 000 Flüchtlinge; dann verdoppelte sich ihre Zahl auf 800 000 und jetzt wird mit einer Million gerechnet. Ob wir dies schaffen – wie Bundeskanzlerin Angela Merkel, jetzt auch assistiert von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles öffentlichkeitswirksam und unüberhörbar ankündigt, wird entscheidend von ihrer  beruflichen Integration abhängen.

Mit der Nominierung des Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, für die Leitung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) – nach dem Rücktritt von Manfred Schmidt – sind die Weichen, zumindest personell, bestmöglich gestellt. Damit könnte es gelingen, die vielfältigen Schnittstellen zwischen diesen beiden für die Integration von Flüchtlingen entscheidenden Behörden zu verringern. Dabei wird es vor allem darauf ankommen, Organisation und Verfahren  beim Zugang zu Arbeit sowie Ausbildung und damit einer eigenständigen Existenz als unabdingbare Voraussetzung für jegliche Integration zu beschleunigen und zu verbessern.

Unerlässlich hierzu ist die Zusammenarbeit aller „Stakeholder“ insbesondere in Politik und Regierung, aber auch den Tarifparteien. Diese habe bereits ihre Bereitschaft signalisiert. Erst kürzlich hat die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände ihre umfassenden Anforderungen und Vorschläge zum Abbau gesetzlicher und administrativer Hürden bei der Einstellung von Flüchtlingen in Arbeit und Ausbildung öffentlichkeitswirksam dargestellt. Die Demographie mit der Erhöhung der Altersstrukturen und einer Schrumpfung der Erwerbspersonen um über 6 Millionen bis 2025 sind bedeutsame Rahmenbedingungen für die Eingliederung von Flüchtlingen.

Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Auseinandersetzung  darüber, ob und inwieweit die ständig von der Wirtschaft beklagte Fachkräftelücke tatsächlich besteht, dürfte hinter der gemeinsamen Aufgabe, der Integration von hunderttausenden Flüchtlingen, in den Hintergrund treten. Allerdings ist genauso vor der Illusion zu warnen, diese gewaltige Aufgabe könne durch kurzfristigen Aktionismus bewältigt werden. Vielmehr bedarf es hierzu eines umfassenden Konzepts, die Arbeitsangebote mit den Anforderungen, Qualifikationen und Qualifikationspotentialen der zuwandernden Menschen abzustimmen.

Selbst wenn nicht alle Flüchtlinge in Deutschland bleiben wollen und können, ist eine Herkulesaufgabe zu bewältigen – nicht nur wegen der hohen Zuwanderungszahlen, sondern vor allem auch der Schwierigkeiten bei Erfassung, Anpassung und Entwicklung beruflicher Qualifikationen sowie der praktischen Vermittlung in Arbeit und Ausbildung. Dabei sind zusätzliche Hürden zu überwinden – vor allem bei den oft weitgehend unzureichenden sprachlichen Voraussetzungen, den kulturellen Bedingungen sowie den gesundheitlichen, familiären, administrativen und sonstigen Hürden, einschließlich der Versorgung mit menschenwürdigem Wohnraum. So ist es nicht verwunderlich, dass bei den bisherigen Ergebnissen des Modellprojektes „Early Intervention“ nur wenige Prozente der Flüchtlinge in den Auffanglagern tatsächlich für die Vermittlung in den Arbeitsmarkt vorgesehen werden können. Auch erreichen die Anforderungen an Sprachkurse – allgemein und berufsbezogen – eine Größenordnung, die mit den verfügbaren Angeboten, nicht bewältigt werden können.

Darüber hinaus  muss  zwischen Bund, Ländern und Kommunen Einvernehmen über die Verteilung der zugewanderten Flüchtlinge, der Aufgaben und vor allem der finanziellen Lasten und Erstattungen  erzielt werden. Aufgegriffen werden sollten die Vorschläge der Bundesarbeitsministerin, dass Flüchtlingen aus sog. sicheren Balkanstaaten, unter bestimmten Bedingungen ein Bleiberecht mit dem Zugang zur Arbeit ermöglicht wird. Damit könnten die Asylverfahren auf diejenigen konzentriert werden, die aus ihren Ländern geflüchtet sind, wie insbesondere aus Syrien, die um Leib und Leben fürchten müssen.

Ihrem  Vorschlag, die Vorrangprüfung auszusetzen, ist unter klaren Bedingungen näher zu treten.  Bislang muss ein Flüchtling über 15 Monate nachweisen, dass für einen Arbeitsplatz kein Inländer, EU Ausländer oder anerkannter Ausländer aus Drittstaaten zur Verfügung steht. Dies kommt in der Realität einem 15-monatigen Arbeitsverbot gleich. Eine Aussetzung dieser Vorrangprüfung zur Erleichterung der beruflichen Eingliederung von Flüchtlingen ist an die Bedingung zu knüpfen, dass keine Schmutzkonkurrenz zu Lasten anderer Arbeitnehmer und der Arbeitsbedingungen erfolgt. Nachzuweisen sind bei einem Arbeitsplatz zumindest tarifliche oder ortsübliche Löhne bzw. Mindestlohn.

Allerdings gehen Entscheidungen und Pläne der Bundesregierung vor allem bei den finanziellen Bedingungen eher in die umgekehrte Richtung. So ist nach wie vor umstritten, in welcher Höhe der Bund die Länder und Kommunen bei der Bewältigung der Aufnahme von Flüchtlingen unterstützt. Die bisher genannten 3 Mrd. Euro in diesem Jahr reichen in Anbetracht der gegenüber den Erwartungen mehr als doppelt so hohen Zahl von Flüchtlingen keinesfalls aus. Die aus dem Bundesfinanzministerium bekannt gewordenen Vorstellungen, diese finanziellen Zusatzbelastungen aus Einnahmeüberschüssen infolge der guten wirtschaftlichen Entwicklung zu leisten, dürfte zumindest Fragen nach der Größenordnung und tatsächlichen Realisierbarkeit aufwerfen. Notwendig sind klare Absprachen zwischen Bund und Ländern über Höhe und Zeitpunkt der Zahlungen, damit die Länder dies zeit- und problemgerecht an die Kommunen weiterleiten und die erforderlichen Planungen und Investitionen erfolgen können.

Für die berufliche Integration der Flüchtlinge entscheidend ist eine ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung in den Job Centern. In den ersten  Monaten diesen Jahres  wurden hunderte Mill. Euro aus den für die Arbeitsmarktintegration zur Verfügung stehenden Budgets für die reguläre Unterhaltung der Job Center aufgewendet. Hier muss der Bund dringend aufstocken, damit die Job Center überhaupt erst einmal ihrer arbeitsmarktpolitischen Verantwortung nachkommen können. Dies gilt auch für eine quantitativ und qualitativ ausreichende personelle Ausstattung in Arbeitsagenturen, Job Centern sowie dem BAMF. Wenig hilfreich ist es, die Lücken an einer Stelle zu stopfen, indem sie an anderen Stellen aufgerissen werden. Dabei ist nicht zu vergessen, dass der Anteil langzeitarbeitsloser und schwervermittelbarer Personengruppen bei In- und Ausländern trotz guter Entwicklung von Wirtschaft und Beschäftigung seit Jahren nicht zurückgegangen ist – hier mithin weitere unbewältigte Aufgaben in den Arbeitsagenturen und Job Centern liegen.

Ebenso ist die Zusammenarbeit bei der beruflichen Eingliederung gerade der schwer vermittelbaren Personengruppen zwischen Job Centern, Optionskommunen, Arbeitsagenturen, Sozialämtern, Jugendämtern und sonstigen Institutionen dringend zu verbessern. Hilfreich wäre, wenn die Herausforderungen bei der beruflichen Eingliederung von Flüchtlingen in Arbeit und Ausbildung auch helfen würde, eingefahrene Barrieren bei der Kooperation und Koordination aller beteiligten „Stakeholder“ zu überwinden.

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