Raubzug für “Schwarze Haushalts-Null”

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Rechtzeitig vor den Europawahlen in vier Wochen lässt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble eine für die geschröpften Steuerbürger besonders positive Botschaft verbreiten. Infolge der sprudelnden Steuereinnahmen könne mit ihm über den Abbau der kalten Steuerprogression geredet werden. Dieses langjährige besondere Ärgernis für die Steuerzahler führt häufig dazu, dass Lohnerhöhungen durch den Anstieg des Einkommenssteuertarifs und der Inflation nicht nur „aufgefressen“ werden, sondern sogar zu einer Verringerung des Nettoeinkommens führen. Für den Bundesfinanzminister hat dies mit dazu beigetragen, dass die Steuereinnahmen seit 2010  um 109 Mrd. Euro angestiegen sind. Nach Musterrechnungen des Bundes der Steuerzahler wird sich diese kalte Steuerprogression zwischen 2014 und 2018 exponentiell nach oben fortsetzen. Je nach Höhe des Einkommens und Familienstand  kann der Bundesfinanzminister  in dieser Vier-Jahresperiode zwischen 2074 Euro und 4 482 Euro pro Kopf der Steuerzahler mehr kassieren.

Dabei ist es ein besonders bitterer „Treppenwitz der Geschichte“, dass diese kalte Steuerprogression in etwa dem Jahresetat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für das Jahr 2013 von 119 Mrd. Euro entspricht. Ausgerechnet dieser Etat, der wesentliche Leistungen für Arbeitnehmer, Rentner, Kranke, Arbeitslose, Pflegebedürftige, Behinderte und Schwerbehinderte enthält, ist auf Initiative von Bundesfinanzminister Schäuble seit 2010 ständig eingeschränkt worden. Damit musste die gigantischen Bankenrettung in der Bundesrepublik und Europa sowie das ehrgeizige Ziel der „Schwarzen Haushalts-Null“ finanziert werden. Der Bundesfinanzminister muss sowohl die Kalte Steuerprogression abbauen wie den Griff in die Sozialkassen beenden. Die notwendigen finanziellen Spielräume könnten durch eine höhere Besteuerung von Spitzen-Einkommen, Vermögen und Kapitalerträgen erreicht werden. Dazu fehlt der GoKo allerdings die Bereitschaft. Der jetzt möglicherweise als Ersatz vorgesehene  steuerpolitische Dauerbrenner “Abbau von Steuersubventionen”  könnte  wie das “Hornberger Schießen” ausgehen.

Raubzüge in die Taschen der Beitragszahler

Seit 2010 hat der Bundesfinanzminister seine Raubzüge in die Taschen der Beitragszahler zu den Sozialversicherungssystemen mit  besonderer Ungeniertheit ausgeweitet. Bislang am stärksten betroffen ist die Bundesagentur für Arbeit. Dies ist der „Lohn“ für den spürbaren Abbau der Arbeitslosigkeit von etwa 5 Mio. registrierter Arbeitsloser 2006 auf derzeit unter 3 Millionen. Entsprechend angestiegen ist die Erwerbstätigkeit auf ein Rekordniveau von annähernd 42 Mio. Nach gültiger Faustformel belasten 100 000 Arbeitslose den Staat mit zwei Mrd. Euro.  Eine Verringerung der Zahl der Arbeitslosen um 2 Mio. bedeutet mithin eine Entlastung des Staates um 40 Mrd. Euro.

Zwischen 2010 und 1015 werden die Ausgaben des Bundes für die Arbeitsmarktpolitik um etwa 16 Mrd. Euro gekürzt. Die Maßnahmen und Leistungen zur Eingliederung Arbeitsloser in Arbeit sind seither von über 6 Mrd. Euro auf etwa 3 Mrd. Euro halbiert worden. Dabei ist die Langzeitarbeitslosigkeit trotz guter Konjunktur mit etwa 1 Million nach wie vor überdurchschnittlich hoch. Die Arbeitslosigkeit von Menschen im höheren Lebensalter sowie mit Behinderungen und Schwerbehinderungen steigt weiter an.

Der Griff wechselnder Bundesregierungen in die Taschen der Beitragszahler zur BA hat seit 2005 mit Einführung von Hartz IV eine neue Dimension erreicht. Seither mussten die Beitragszahler die Hälfte der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen für ALGII Empfänger von etwa 5 Mrd. Euro im Jahr finanzieren. Für diesen willkürlichen Raubzug gibt es keinerlei Rechtfertigung, zumal die Einführung von Hartz IV u.a. auch damit begründet wurde, dass eine klare Trennung der Finanzierung von ALGI über das Beitragssystem Arbeitslosenversicherung und das ALGII System über Bundessteuern erfolgen sollte. Seit 2005 haben die Beitragszahler das Hartz IV System mit etwa 50 Mrd. Euro finanzieren müssen. Dies ist jetzt zwar abgeschafft, aber dafür wird die der BA zustehende ein-prozentige Mehrwertsteuer von 8 bis 9 Mrd. Euro im Jahr gestrichen. Zusätzlich muss die BA Personal und Verwaltungsausgaben pro Jahr um 2 Mrd. Euro einschränken.

Wie damit der erforderliche Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit gelingen soll, bleibt das Geheimnis des Bundesfinanzministers. Bereits jetzt haben nur noch etwa ein Drittel der Arbeitslosen Anspruch auf Arbeitslosenversicherungsleistungen, obwohl Arbeitnehmer grundsätzlich Pflichtbeiträge zur BA von Ihrem Einkommen leisten müssen. Für die betroffenen Menschen in Hartz IV bedeutet dies weitere Verschlechterungen ihrer Eingliederungsleistungen und damit noch mehr Druck auf Löhne und Arbeits- sowie Lebensbedingungen.

Die im Zuge der guten Konjunktur  sowie der erfolgreichen Tarifpolitik der Gewerkschaften auf über 30 Mrd. Euro angewachsenen Überschüsse in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung haben die Begehrlichkeiten des Bundesfinanzministers besonders geweckt. Ohne jegliche Begründung wurden der Krankenversicherung für zwei Jahre 6 Mrd. Euro und der Rentenversicherung 2 Mrd. Euro pro Jahr entzogen. Darüber hinaus hat die GoKo mit ihren Rentenreformen zur Mütterrente sowie der 63er Regelung die gesetzliche Rentenversicherung bis zum Jahr 2030 mit 160 Mrd. Euro belastet. Diese finanziellen Fischzüge auf Kosten der Beitragszahler werden die finanziellen Reserven in der Kranken- sowie Rentenversicherung spätestens in drei bis vier Jahren aufgezehrt haben. Die dann wieder einsetzende öffentliche Kontroverse wird zu Lasten der Renten- und Krankenversicherungsleistungen und der Beitragszahler ausgehen. Bei der gesetzlichen Krankenversicherung werden die Arbeitnehmer doppelt belastet, da sie infolge der Deckelung der Beiträge für die Arbeitgeber allein für alle zusätzlichen Kosten aufkommen müssen.

Wenn der Bundesfinanzminister jetzt über eine Entlastung der Steuerzahler bei der kalten Steuerprogression laut nachdenkt und die SPD bereit ist auf die Erhöhung des Spitzensteuersatzes zu verzichten und statt dessen den Abbau von Steuersubventionen erwägt, bleiben die Steuer- und Beitragszahler wieder einmal die „Dummen“.

 

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