EU Jugendgipfel – Verantwortung statt Ideologie

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Bereits die Vorgeschichte zu dem EU Jugendgipfel in Mailand am 8. Oktober 2014 ist bezeichnend für eine EU Politik, die das Systemrisiko der Banken weit höher bewertet als die steigende Arbeitslosigkeit, vor allem für junge Menschen. Dabei mangelt es nicht an medialen Ankündigungen der EU Kommission zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und Jugendgipfeln. Rechtzeitig von den letzten Bundestagswahlen hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Juli 2013 zu einem weiteren EU Jugendgipfel in Berlin geladen. Dabei wurde die sog. Jugendgarantie, wie von der EU Kommission bereits verschiedentlich mit großem medialen Trommelwirbel vorgeschlagen, von den Regierungschefs beschlossen. Danach soll jedem Jugendlichen spätestens vier Monate nach Beendigung der Ausbildung oder Eintritt der Arbeitslosigkeit eine Arbeit, Ausbildung oder ein Praktikum geboten werden. Hier ist nur daran zu erinnern, dass eine derartige Massnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit seit Jahren von der EU Kommission verkündet werden. Nur  leider haben die diesbezüglichen Ankündigungen und Beschlüsse bis auf höchster Ebene wenig Wirkung. Die Arbeitslosigkeit junger Menschen in Europa ist nach wie vor auf Rekordniveau; etwa ein Viertel – zwischen 5 und 6 Millionen- hat weder Arbeit noch Ausbildung und damit keine Zukunftsperspektiven. In den südeuropäischen Krisenländern Griechenland und Spanien beträgt die Jugendarbeitslosigkeit weit über 50 Prozent.

Vor diesem Hintergrund ist kaum nachvollziehbar, dass eher Verwirrung als Klarheit darüber besteht, wie hoch die zusätzlich verfügbaren Mittel der EU für die Jugendgarantie tatsächlich sein werden. Die Spanne der offiziellen Verlautbarungen mit zwischen 6 und 20 Mrd. Euro ist beträchtlich. Nach Einschätzungen der Internationalen Arbeitsorgansiation müssten es in Anbetracht der großen Tragweite dieser Problematik weit über 20 Mrd. Euro sein. Ungeklärt ist vor allem, welche Mittel des Europäischen Sozialfonds, die bislang auch und gerade von den Krisenländern noch gar nicht abgerufen wurden, für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit eingesetzt werden sollen und wie die jährlich zusätzlich 10 Mrd. Euro der Europäischen Investitionsbank sinnvoll und koordiniert eingesetzt werden können.   Eineinviertel  Jahr nach dem Gipfelbeschluss im Juli 2013 zur Aktivierung der Jugendgarantie haben bislang nur  wenige Länder überhaupt förderungsfähige Projekte vorgelegt. Stattdessen eskaliert der politische Streit, ob 6 Mrd. Euro aus EU Mitteln für die Jugendgarantie ausreichend sind. Eines ist zumindest sicher: Gemessen an den hunderten von Mrd. Euro an Zahlungen und Haftungsverpflichtungen für die Rettung von Banken und Krisenländern sind 6 Mrd. Euro für die Jugendgarantie ein Tropfen auf den heißen Stein. Hinzu kommt die Unklarheit darüber, welche und wievi zusätzliche Mittel aus den EU Sozial- und Strukturfonds dazu eingesetzt werden können. Zudem bleibt die Verantwortung der EU Kommission, die Bedingungen für die finanzielle Eigenbeteiligung der Mitgliedsländer an die finanziellen Möglichkeiten der unter dem Sparzwang der „Troika“ stehenden Krisenländer anzupassen. Auch müssen wirksamere Hilfestellungen geleistet werden, die administrativen Hürden für diese Jugendprojekte zu überwinden.

Der Dramatik der hohen Jugendarbeitslosigkeit ist es alles andere als angemessen, wenn EU Jugendgipfel erst einmal angekündigt, dann wieder abgesagt und verschoben werden- wie im Vorfeld des Jugendgipfels in Mailand. Die Millionen jungen Menschen in Arbeits- und Perspektivlosigkeit müssen sich von der hohen Politik verlassen vorkommen. Daher ist es ein wichtiger Schritt, dass der EU Jugendgipfel unter der italienischen Ratspräsidentschaft überhaupt zustande gekommen ist. Allerdings scheinen hierbei die nationalen politischen Interessen der „Gipfelstürmer“ wieder einmal im Vordergrund gestanden zu haben. Dabei ging es um die bekannten Kontroversen zwischen der Nachfragepolitik mit massiver Förderung öffentlicher und privater Investitionen einerseits und den ständigen Ermahnungen zur Reform- und Kürzungspolitik nach dem Muster der Agenda 2010 andererseits. Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und vor allem die Durchsetzung der Jugendgarantie gerät dabei immer mehr aus dem Blick.

Dabei ist es ohne Zweifel wichtig, immer wieder darauf zu verweisen, dass noch so viel finanzielle Mittel für Maßnahmen zur Eingliederung junger Menschen in Arbeit und Ausbildung keine nachhaltigen Erfolge haben können, wenn Investitionen und Arbeitsplätze fehlen. Gleichermassen ist jedoch der Ruf nach mehr Mitteln der EU zur  Stärkung der wirtschaftlichen Nachfrage keinesfalls eine Garantie für die wirksame Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Dies gilt noch mehr für die Propagierung der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes a la Agenda 2010. Die jungen Menschen in den südeuropäichen Krisenländern leiden bereits unter der prekären Beschäftigung. Dies ist auch einer der Gründe für ihre hohe Arbeitslosigkeit. Die dringenden Verbesserungen bei der Ausbildung und qualifikationsgerechten Beschäftigung mit Zukunftsperspektiven erfordern Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt, die viel tiefer und nachhaltiger ansetzen müssen. Dabei kommt den Tarifparteien ein entscheidende Verantwortung zu. Dies ist eine der wesentlichen Grundlagen für die vergleichsweise niedrige Arbeitslosigkeit jünger Menschen in Deutschland und Österreich. Vor allem müssen sowohl die Wirtschaftsverbände, wie auch die Gewerkschaften Verantwortung für die Ausbildung und Beschäftigung der jungen Menschen übernehmen. Die Regierung muss dazu die notwendige Rahmengesetzgebung, die erforderlichen institutionellen Einrichtungen und die nötige praktische Unterstützung gewährleisten. Aufgabe und Verantwortung der europäischen Kommission ist es, die notwendige Aufklärung, Informationen und Erfahrungsaustausch zu gewährleisten. Dies darf sich nicht in medialen „ public relations events“ erschöpfen, sondern braucht einen langen Atem mühseliger und wenig öffentlichkeitswirksamer Kleinarbeit.

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