Mindestlohn – ein GroKo Täuschungsmanöver

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Wenige Tage vor der Entscheidung des Bundestages über den gesetzlichen Mindestlohn lässt die GroKo die Katze aus dem Sack: Das Mindestlohnpaket enthält bei weitem nicht das, was drauf steht. Zusätzlich zu den bislang vorgesehenen Ausnahmen für Jugendliche bis 18 Jahren und Langzeitarbeitslose für die ersten 6 Monaten ihrer Beschäftigung sollen diese jetzt auch noch auf  Praktikanten, Saisonarbeitskräfte und Zeitungszusteller ausgedehnt werden. Damit ist die Verkündung der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles bei der Einbringung ihres Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie am 14.6. in den Bundestag Makulatur, dass den über 5 Mill Jobber/inne geholfen wird, aus dem Niedriglohn herauszukommen. Bei der Einbringung ihres Gesetzes in den Deutschen Bundestag am 14.6. erklärte sie „Der Mindestlohn kommt zum 1. Januar 2015. Das haben wir versprochen, und das wird gehalten.“ Noch wenige Tage zuvor erteilte Andrea Nahles Forderungen des Koalitionspartners nach weiteren Ausnahmen vom geplanten Mindestlohn eine klare Absage. Zudem lautete ihre deutliche Ansage, mit der „Generation Praktikum“ muss Schluss sein. Junge Menschen dürften nach einer Ausbildung oder einem Studium „nicht mehr monatelang für lau ausgenutzt werden.“

Offensichtlich gilt jetzt auch hier die Politikerweisheit: “Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern.“ In Zukunft sollen nicht nur Pflichtpraktika, sondern auch freiwillige Praktikanten über die bisher geltenden 6 Wochen  bis 3 Monate vom gesetzlichen Mindestlohn ausgeschlossen werden. Saisonarbeitskräften könnten die Ausgaben für Kost und Logis vom Mindestlohn abgezogen und Zeitungszusteller auch ohne tarifvertragliche Regelungen unter Mindestlohn bezahlt werden. Damit wären etwa 3 Millionen Arbeitnehmer vom Mindestlohn ausgeschlossen, vor allem diejenigen, die ihn dringend brauchen. Am meisten betroffen sind wieder einmal die Frauen, die mit 67 Prozent etwa doppelt so viele Dumping Löhner stellen, wie die Männer.

Die erklärte Zielsetzung in dem Tarifautonomiestärkungsgesetz verkommt  zu einer hohlen Floskel: „Durch die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor unangemessen niedrigen Löhnen geschützt. Zugleich trägt der Mindestlohn dazu bei, dass der Wettbewerb zwischen den Unternehmen nicht zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch die Vereinbarung immer niedrigerer Löhne, sondern um die besseren Produkte und Dienstleistungen stattfindet.“ Darüber hinaus wird der zumindest seit Hartz IV überfälligen Erkenntnis Ausdruck verliehen: Der Mindestlohn unterbinde den Lohnunterbietungswettbewerb zu Lasten der Sozialen Sicherungssysteme und schütze damit deren finanzielle Stabilität.

Ermutigung zu Ausweichmanövern

Wer jetzt beschwichtigend feststellt,  dies sei doch alles gar nicht so schlimm und die Ausnahme auch der freiwilligen Praktika bis 3 Monaten ganz vernünftig, verkennt die Kreativität bei den Ausweichmanövern. So wird aufschlussreich sein, wie sich in Zukunft die Zahl der freiwilligen Praktika unter drei Monaten erhöht, wieviel mehr Saisonarbeitskräfte mit Kost und Logis – vor allem aus dem Ausland- oder als Zeitungszusteller deklarierte Hilfskräfte es geben wird. Auch werden sich die Drehtüren für Langzeitarbeitslose aus der Beschäftigung in die erneute Arbeitslosigkeit nach den 6 Monaten bis zur Gültigkeit des Mindestlohnes beschleunigen. Bei einem Großteil der austauschbaren Tätigkeiten z.B. in der Gastronomie oder sonstigen personenbezogenen Diensten lässt sich der Mindestlohn durch Neueinstellungen Langzeitarbeitsloser ohne Anrecht auf Mindestlohn leicht umgehen. Festzustellen wird auch sein, wieviel mehr Jugendliche bis 18 Jahren es dann gibt, die mit Ein- und Ausräumen von Regalen oder sonstigen Aushilfstätigkeiten unter Mindestlohn beschäftigt sein werden.

Auch der Hinweis darauf, dass diese neuerlichen Ausnahmen nur auf Zeit bis zur endgültigen Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes ab 2017 gelten, ist für die betroffenen Niedriglöhner wenig beruhigend. So werden überhaupt nur wenige Singles durch einen Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde aus der Hartz IV Spirale befreit und Armutsrenten nicht verhindert werden können. Zudem bedürfte es einer jährlichen Anhebung um mindestens 3 Prozent, um überhaupt das derzeitige bereits niedrige Niveau zu halten. Je länger Einführung und Steigerung aufgeschoben werden, desto weniger ist ein Stundenlohn von 8,50 Euro wert. Die erklärten Ziele des Gesetzes und die Versprechungen der Bundesarbeitsministerin werden in immer weitere Ferne rücken.

Höchst problematisch ist darüber hinaus die Zulässigkeit von derartigen Ausnahmen für einzelne Wirtschaftsbereiche im deutschen und europäischen Arbeitsrecht. So erklärte die Bundesarbeitsministerin bei ihrer Rede im Bundestag “Eine Sonderregelung für Saisonarbeiter wäre eine Ausnahme vom Mindestlohn. Das ist nicht vorgesehen. Dann würden andere Branchen mit der gleichen Forderung kommen.“ Darüber hinaus wird ein derartiger Mindestlohn als Flickenteppich von den Arbeitsagenturen und Jobcentern bei der Vermittlung von Arbeitslosen kaum zu administrieren und deren Einhaltung von den chronisch personell unterbesetzten Kontrollbehörden nicht durchzusetzen sein.  Auch dies scheint die GroKo offensichtlich nicht davon abzuschrecken, mit ihrer erdrückenden politischen Mehrheit den über 5 Millionen Niedriglöhnern ein Mindestlohnpaket mit großen Versprechen, aber wenig Inhalt vorzusetzen.

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