Age Management

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Vor wenigen Tagen hat die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) bekannt gegeben, dass der Auftakt der 63er Regelung zum 1. Juli auf reges Interesse gestoßen ist. Die unendliche Geschichte des gerade verabschiedeten Rentenpakets der Großen Koalition geht damit in eine neue Runde. Etwa 12 000 Arbeitnehmer haben Anträge gestellt, nach 45 Beitragsjahren bereits im Alter von 63 und nicht wie bislang erst von 65 Jahren in die abschlagsfreie Rente gehen zu können. Die SPD, deren Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles dieses Rentenreformgesetz  in den parlamentarischen Hürdenlauf ein- und durchgebracht hat, setzt zur Beschwichtigung an. Der Parteivorsitzende, Sigmar Gabriel, lässt höchstpersönlich verkünden, dass er nicht mit einem Ansturm auf diese Möglichkeit des vorgezogenen Übergangs in die Altersrente rechnet. Außerdem gebe es gar keine Rente mit 63, sondern nur eine Rente nach 45 Beitragsjahren. Der Präsident der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, Ingo Krämer, läßt verlauten,  dies gefährde die unter großen Kontroversen in der vorherigen Großen Koalition ebenfalls unter einem SPD Arbeitsminister, Franz Müntefering, durchgeboxte Rente mit 67. Damit würden der demographisch bedingte Fachkräftemangel sowie das Wirtschaftswachstum erheblich gefährdet. Die Qualifikationen und Erfahrungen der älteren Arbeitnehmer werden dringend gebraucht.

Da bleibt nur sarkastisch zu fragen, warum die Wirtschaft nach wie vor so zögerlich ist, älteren Arbeitnehmer die erforderlichen Chancen zu Qualifizierung und Arbeit unter humanen und fairen Bedingungen zu geben. Denn abgesehen von einigen Leuchttürmen in großen Konzernen und Verwaltungen gibt es trotz allen medialen Trommelwirbelns keine alternsgerechte Gestaltung der Arbeit auf breiterer Basis in der mittelständischen Wirtschaft. Die Beschäftigung der über 50- und auch über 55-Jährigen ist in den letzten Jahren zwar spürbar gestiegen. Dabei ist allerdings der statistische Effekt zu sehen, dass die Anzahl der älteren Arbeitnehmer aus demographischen Gründen erheblich zunimmt. In wenigen Jahren werden die geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegszeit in die rentennahen Jahrgänge übergehen.

Beigetragen zur erhöhten Beschäftigung älterer Arbeitnehmer haben weiterhin die Abschaffung der großzügigen Regelungen zur Frühverrentung in der Renten- und Arbeitslosenversicherung. Zu nennen ist vor allem die spürbare Verschlechterung der Alters- und Erwerbsminderungsrenten durch die Riester Reformen. Verschärft wird dies durch die Heraufsetzung der Altersgrenze auf 67 Jahre seit 2012, die eine schmerzhafte Erhöhung der Abschläge für viele Rentner bedeutet. Dies gilt ebenso für die Abschaffung der vorherigen Möglichkeit, ab 58 Jahren nach einem Jahr Arbeitslosigkeit zwar Arbeitslosenunterstützung beziehen zu können, aber nicht mehr zur Arbeit verfügbar sein zu müssen. Auch die Einstellung der finanziellen Förderung der Altersteilzeit durch die Bundesagentur für Arbeit, die vor allem von Großbetrieben als Blockmodell zur Frühverrentung genutzt wurde, ist von spürbarer Bedeutung.

Damit lässt sich auch das vermeintliche Paradoxon leicht aufzulösen, dass einerseits immer mehr Rentner arbeiten und andererseits die Ausgaben des Staates für die Grundsicherung erheblich zunehmen. Viele ältere Arbeitnehmer müssen sich mit prekärer Arbeit in befristeter Beschäftigung, Leiharbeit, unsicheren Werkverträgen oder Minijobs mit Niedrigstlöhnen über Wasser halten. Zudem ist ihr Anteil bei den Langzeitarbeitslosen überdurchschnittlich hoch. Bereits ab einem Alter von 55 Jahren – in einzelnen sog. Mangelberufen in Produktion und Dienstleistungen teilweise noch erheblich früher- haben sie kaum noch die Chance zu einer qualifikationsgerechten Einstellung und Beschäftigung. Wie das Statistische Bundesamt gerade festgestellt hat, ist die Anzahl der Minijobber über 65 Jahre in den vergangenen zehn Jahren von 560 000 auf 830 000 gestiegen. Gleichzeitig wird die Grundsicherung im Alter wegen nicht existenzsichernder Renten von derzeit 5,5 Mrd. Euro auf 7,2 Mrd. Euro 2018 steigen. Bei Minijobs in Garderoben, Ein- und Ausräumen von Regalen, Wach- und Schließjobs, in der Gastronomie oder gar Toiletten  dürfte es sich kaum um berufliche Selbstentfaltung sowie Nutzung von Qualifikationspotentialen oder Erfahrungen der Älteren handeln, sondern die schiere Not, die kargen Renten aufbessern zu müssen.

BDA Präsident Krämer wäre daher gut beraten, bei seinen Mitgliedsverbänden und Betrieben dafür zu sorgen, dass ein alternsgerechtes Personalmanagement (Age Management) eingeführt wird, um die Qualifikationen und Erfahrungen ihrer Arbeitnehmer auch in den rentennahen Jahren noch unter human Arbeitsbedingungen nutzen zu können. Das SPD geführte Bundesarbeitsministerium kann und muss hierzu die notwendige Anregung und flankierende Unterstützung leisten. Dann erübrigt sich der Streit darüber, ob die 63er Regelung sozialer Schutz für langgediente Arbeitnehmer ist oder zu Defiziten bei Fachkräften und Wirtschaftswachstum beiträgt. Unabhängig davon bleibt die dringende Notwendigkeit: Derartige Sonderregelungen für Wenige -zumeist Männer mit überdurchschnittlichen Löhnen und Renten-sind über Steuern zu finanzieren und nicht –wie jetzt beschlossen- zu Lasten der Beitragszahler. Rente mit 67ist für alle auszusetzen, bis es genügend humane Arbeit auch für ältere Arbeitnehmer gibt.

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