Frauenpolitik: Macht und Ohnmacht

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Am 29. Januar fand die Landesbezirksfrauenkonferenz Nord von Verdi in Lübeck statt. Im ersten Teil dieser Konferenz wurden die wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitische Situation von Frauen in der Bundesrepublik und im Verdi Bezirk Nord (Hamburg, Schleswig Holstein, Mecklenburg-Vorpommern) ausführlich behandelt. Frau Dr. Hella Baumeister, Arbeitsmarktexpertin aus Bremen  referierte zu dem Thema: “Wandel in der Arbeitswelt – wo bleiben wir Frauen?”. Mein Beitrag “Frauenpolitik: Macht und Ohnmacht” befasste sich mit den vielfältigen Formen der Diskriminierung gegen Frauen in Arbeit und Gesellschaft sowie der erforderlichen Maßnahmen einer wirksamen Frauen- und Gleichstellungspolitik.  

1. Gute Wirtschaftsentwicklung

Die guten Wirtschaftsnachrichten überschlagen sich:

-Die Wirtschaftskrise ist überwunden. Allerdings schwelen die Finanzkrisen weiter – unterbrochen von teils heftigen Ausbrüchen maroder Banken und überschuldeter Euro-Länder.

-Wir haben in diesem Jahr ein Rekord-Wirtschaftswachstum von 3,7 Prozent; Die Zahl der Beschäftigten ist auf über 40,37 Millionen gestiegen; die Arbeitslosigkeit hat bereits im Herbst 2010 die Drei-Millionen-Marke unterschritten. Wirtschaftsexperten erwarten auch für die nächsten Jahre die Fortsetzung dieser guten wirtschaftlichen Entwicklung.

2. Demographisch bedingter Rückgang der Erwerbspersonen – Erwerbschancen für Frauen?

 Arbeitskräftelücke als Wachstumsbremse – Ruf nach Zuwanderungspolitik

Allenthalben wird bereits von einer Arbeitskräftelücke als Wachstumsbremse gewarnt. Dazu wird die demographische Entwicklung beschworen: der erhebliche Rückgang Jüngerer und entsprechend der Zuwachs bei älteren Menschen – infolge der äußerst niedrigen Geburtenrate einerseits und der wachsenden Lebenserwartung andererseits.

Aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft werden bereits wieder die Forderungen nach aktiver Zuwanderungspolitik aus dem Ausland über die Grenzen der EU hinweg laut. Etwas gedämpft werden sie derzeit nur durch die ab Mai erfolgende volle Freizügigkeit innerhalb der EU nach Mittel- und Osteuropa.

Bis 2025 wird die Zahl der erwerbsfähigen Menschen in der Bundesrepublik um 6,5 Millionen verringern.

Täglich können wir die Versprechungen von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft verfolgen: Auch Personengruppen, die bisher auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt waren, werden gute berufliche Chancen vorausgesagt. Dazu gehören insbesondere die Frauen.

Besonders hervorgehoben wird dabei der Anstieg ihrer Beteiligung am Erwerbsleben, der sog. Erwerbsquote auf 71,4 Prozent 2009 (6 Prozentpunkte über dem EU Durchschnitt, allerdings ebenfalls 6 Prozentpunkte unterhalb den skandinavischen Ländern).

3. Spaltung der Gesellschaft

Das Problem ist allerdings: Bei vielen Menschen in Deutschland kommen diese wirtschaftlichen „Jubelmeldungen“ nicht an. Dies gilt für:

- die immer noch über 3 Millionen registrierten sowie die über eine Million verdeckten Arbeitslosen;

- die 7 Millionen Menschen in Hartz IV;

- und noch einmal etwa die gleiche Anzahl von Niedriglöhnern.

Wir befinden uns in Deutschland nicht auf der Schnellstraße in die Vollbeschäftigung a la Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, sondern auf der Schnellstraße in die soziale Spaltung.

Leider steigen nicht mehr Menschen auf der sozialen Leiter nach oben, sondern geraten in die Spirale nach unten. Dies trifft Frauen in besonders hartem Ausmaß: Armut ist weiblich – bei Arbeit und in der Rente.  

4.Chancengleichheit in weiter Ferne

a. Gleichberechtigungsgebot im Grundgesetz

Es ist gerade im 100. Jubiläumsjahr des Internationalen Frauentages zu fragen: Wie steht es um das Gleichberechtigungsgebot in unserem Grundgesetz, das 1994 -nach der deutschen Einheit- sogar erweitert wurde?

Danach heißt es: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Somit hat der Staat eine besondere Verpflichtung zur aktiven Frauenförderung sogar im Grundgesetz verankert.

 

b. Die unendliche Geschichte der Lohnlücke

Deutschland: rote Laterne in der Europäischen Gemeinschaft (EU)

Die EU Kommission hat jetzt Alarm geschlagen, dass in der Bundesrepublik die Schere der Einkommen zwischen Männern und Frauen im EU Vergleich mit am höchsten ist und weiter auseinander geht: Frauen in Deutschland verdienen im Schnitt 23 Prozent weniger als Männer. In der EU insgesamt sind dies im Schnitt 17,4 Prozent.

Dies zeigt mit erschreckender Deutlichkeit  die Lohndiskriminierung gegenüber Frauen in Deutschland (rote Laterne mit Malta und Zypern).

Die EU Kommission führt dies auf das hohe Ausmaß an Teilzeitarbeit von annähernd 40 Prozent zurück.

Die Sachverständigenkommission des Bundesministerium für Familie Senioren, Frauen und Jugend für den Ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung -2008 noch von der damals zuständigen Ministerin Ursula von der Leyen ins Leben gerufen- stellt dazu fest:

„Wie die empirischen Daten…zeigen, ist eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern am Erwerbsleben in Deutschland bisher nicht realisiert…Die zunehmende Erwerbsbeteiligung von Frauen hat sich überwiegend auf der Basis kleiner Arbeitsverhältnisse und einer Umverteilung des Erwerbsvolumens unter Frauen vollzogen … und Frauen stellen „mehr als zwei Drittel aller Niedriglöhner in Deutschland“ (S.133)

 

c. Die Frauen sind selbst schuld

Im Sommer 2010 verkündeten das Statistische Bundesamt und das Bundesfamilienministerium unisono, dass es so schlimm mit der Lohndiskriminierung doch nicht sei.

Bei Berücksichtigung der strukturellen Unterschiede in der Beschäftigung von Männern und Frauen blieben als echte Lohnlücke nur mehr rund 8 Prozent.

Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft hat mit der Aktualisierung dieser strukturell bereinigten Lohnlücke noch einen drauf gesetzt:

- Zwar beträgt danach auf der Basis statistischer Daten von 2008 die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen beinahe 30 Prozent.

- Bei Bereinigung, d.h. bei gleicher Qualifikation, Berufserfahrung, Unternehmensgröße  und beruflichem Status schrumpft der Lohnabstand auf nur noch 13 Prozent.

- Dies wird dann noch weiter relativiert. Bei Ausstieg aus dem Erwerbsleben von Frauen wegen der Kindererziehung bis zu eineinhalb Jahren beträgt der Lohnabstand lediglich vier Prozent. Umgekehrt liegt er bei einem Ausstieg bis zu drei Jahren bei neun Prozent und für diejenigen, die dem Arbeitsmarkt jahrelang fernbleiben, bei 19 Prozent.

Daraus folgt:  Die Frauen sind selbst verantwortlich für ihre Lohndiskriminierung.

Und im Umkehrschluss heißt das: Sie haben es somit auch selbst in der Hand, ihre Diskriminierung bei Beschäftigung, Beruf und Einkommen zu beenden. Sie müssen nur mit den Männern gleichziehen bei Qualifikation, Berufserfahrung, Unternehmensgröße und beruflichem Status sowie nach der Kinderpause baldmöglichst wieder in den Beruf einsteigen.

Dies ist pure Heuchelei und Verdrängung der tatsächlichen Verantwortlichkeiten für die nach wie vor gravierenden Diskriminierungen von Frauen in Wirtschaft und Gesellschaft.  „Am eigenen Schopfe aus dem Sumpf zu ziehen“ kann weder Männern noch Frauen gelingen.

 

d. Frauen als Flexibilitätsreserve auf dem Arbeitsmarkt

Erst kürzlich hat die Bertelsmann Stiftung bestätigt:

„Frauen sind im zu Ende gegangenen Zweiten Jahrtausend immer noch die „Flexibilitätsreserve“ auf dem Arbeitsmarkt“

Diskriminierung bei der Arbeitszeit

Dramatisch ist trotz gestiegener Erwerbstätigkeit der Frauen in der Bundesrepublik der tiefe Fall im europäischen Vergleich bei der Vollzeitarbeit. Dabei nimmt sie mit nur 55 Prozent Vollzeit/gegenüber 45 Prozent Teilzeit (vor den Niederlanden) den vorletzten Platz ein.

Den letzten Platz hält die Bundesrepublik mit 18,5 Prozent bei der Wochenarbeitszeit der Frauen – mithin gut 1,5 Prozent unter dem EU-Durchschnitt.

Wie Erfahrungen und Untersuchungen deutlich zeigen, ist dies keinesfalls das Ergebnis freiwilliger Entscheidungen der Frauen. Vielmehr wünschen sie längere Arbeitszeiten und natürlich die damit verbundene höhere Entlohnung. Allerdings wird ihnen dies von der Wirtschaft und Gesellschaft verwehrt.

Die Bundesagentur für Arbeit hat gerade in einer viel beachteten Analyse geschätzt:

Durch die Verbesserung der Beteiligung von Frauen am Erwerbsleben und vor allem durch Tätigkeiten mit längeren Arbeitszeiten könnten bis zu 1.2 Millionen zusätzliche Arbeitskräfte gewonnen werden;

Dass damit auch höheres Einkommen für die Frauen verbunden wäre, zeigen ebenfalls wissenschaftliche Untersuchungen. Danach sind Teilzeittätigkeiten häufig mit niedrigeren Stundenlöhnen verbunden als Vollzeitarbeit – von den Aufstiegsmöglichkeiten nicht zu reden.

 

Skandal der Minijobs

„Als eine besondere erwerbsbiographische Falle…“ erweisen sich nach dem Urteil der Sachverständigenkommission die Minijobs (7 Millionen, davon 80 Prozent Frauen).

Hierdurch werden „…Anreize zu einer misslichen Allianz von Arbeitgebern und Arbeitnehmer/innen…“ geschaffen, die im Lauf der Lebensbiographie vielfach zu einer „…Sackgasse…“ führen (s. 134).

Vielfach haben Frauen, die nach der Familienphase oder Arbeitslosigkeit wieder einen Einstieg in das Berufsleben suchen, keine andere Wahl als diese 400 Euro Jobs mit erheblichen Nachteilen bei Stundenlöhnen und sozialer Sicherheit anzunehmen. Außerdem sind sie einem hohen Risiko der Entlassungen ausgesetzt. Darüber hinaus befinden sie sich in einer Armutsspirale für ihr weiteres Leben bis in die Rente. Wie die Erfahrung zeigt, haben sie kaum eine Chance aus der 400 Euro Falle herauszukommen und eine berufliche Tätigkeit mit Perspektive sowie existenzsicherndem Einkommen zu erreichen.

Die 400 Eurojobs und Hartz IV haben in Deutschland einen gigantischen Kombilohnsektor geschaffen. Damit werden in immer mehr Branchen und Tätigkeitsfeldern „Armutslöhne“ gezahlt, die durch Harz IV Leistungen öffentlich subventioniert werden- zu Lasten der betroffenen Menschen und der Steuerzahler

 

e. Ungerechte Verteilung der Pflichten für die Familie/Defizite bei Kinderbetreuung

Die nach wie vor große Diskriminierung gegenüber Frauen auf dem Arbeitsmarkt hat seine Wurzeln in der ungerechten Verteilung der Pflichten in der Familie einerseits und der Chancen auf dem Arbeitsmarkt andererseits.

Die Sachverständigenkommission weist in ihrem Bericht auf die tradierten gesellschaftlichen Rollenbilder und den eklatanten Mangel an institutionellen Einrichtungen und Dienstleistungen zur Betreuung, Bildung und Pflege hin.

So „…kommt es im Eheverlauf  mehrheitlich zu einer Re-Traditionalisierung der familiären Arrangements, bei der Frauen beruflich zurückstecken und einen Teil ihrer Einkommenserzielungsmöglichkeiten einbüßen.“ (S.134)

So wurde in Deutschland 2008 nur jedes 5. Kind unter drei Jahren außerhalb der Familie betreut; in fast allen anderen europäischen Mitgliedsstaaten liegt die Quote höher.

Zudem betrugen 2009 die Betreuungszeiten lediglich sieben Stunden – für Vollzeit arbeitende Eltern mithin nicht geeignet.

Noch größer ist dieser „Mismatch“ zwischen Betreuungsangeboten und -erfordernissen, wenn die meist starren Öffnungszeiten der Kinderbetreuung mit den Anforderungen an flexible Arbeitszeiten der Eltern berücksichtigt werden.

 

5. Was ist zu tun?

a. Mindestlöhne überfällig

Überfällig ist die Durchsetzung ausreichender Mindestlöhne. Auch die Sachverständigenkommission bezeichnet die Einführung von Mindestlöhnen als „alternativlos“.

Dies ist in der Bundesrepublik derzeit im Rahmen des  Arbeitnehmerentsendegesetzes sowie des aktualisierten Gesetzes über Mindestarbeitsbedingungen möglich. Nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz soll über Mindestlöhne in bundesweit wirksamen Tarifbereichen für in- und ausländische Arbeitnehmer Lohndumping verhindert werden. Derartige Mindestlöhne gelten bereits für die Baubranche, das Reinigungsgewerbe, die Briefzustelldienste sowie einen Teil der Pflegeberufe. Sowohl im Reinigungsgewerbe als auch bei den Briefzustelldiensten sind viele Frauen  beschäftigt – mit Niedrigeinkommen, vielen 400 Euro Jobs und inhumanen Arbeitszeiten sowie sonstigen Arbeitsbedingungen.

Inzwischen liegen Anträge auf tarifliche Mindestlöhne für weitere Branchen vor, die in das Arbeitnehmergesetz aufzunehmen sind (Wach-und Sicherheitsdienste,

Großwäschereien, Weiterbildungseinrichtungen, Spezial-Bergbaudienste).

Bei den Pflegeberufen, den Großwäschereien, aber auch den Weiterbildungseinrichtungen sind ebenfalls Frauen in besonders hohem Maße beschäftigt.

Es ist daher dringend geboten, dass die  Schwarz-Gelbe Regierungskoalition die von der vorherigen Großen Koalition getroffenen Vereinbarungen einhält und auch diese tariflichen Mindestlöhne für allgemeinverbindlich erklärt. Dies würde vielen Frauen helfen, aus den teilweise  menschenunwürdigen Niedrigstlöhnen herauszukommen.

Nur noch als Skandal ist es zu bezeichnen, dass die bereits seit zweieinhalb Jahren vorliegenden tariflichen Mindestlöhne der DGB Gewerkschaften für Leiharbeit (bis zu 7Euro50) immer noch nicht für allgemeinverbindlich erklärt werden sollen. Gescheitert ist dies bislang an der Blockade von CDU/ CSU und FDP, da konkurrierende Tarifverträge der christlichen Gewerkschaften vorliegen – allerdings zum großen Teil mit Hungerlöhnen.

Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes wurde den Christlichen Gewerkschaften die Tariffähigkeit abgesprochen – die Blockade der Bundesregierung müsste schleunigst aufgehoben werden.

Bleibt nur zu hoffen, dass es im Zuge der Reform von Hartz IV endlich gelingt, Mindestlöhne zumindest in der Leiharbeit gesetzlich festzuschreiben.

Bemerkenswert ist der in den Empfehlungen der Sachverständigenkommission wieder aufgelebte  Vorschlag, die öffentliche Auftragsvergabe an Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen zu binden.

Aber auch die Gewerkschaften sollten ernsthaft prüfen, wie sie die die Gerechtigkeit bei der Bewertung von Männer- und Frauentätigkeiten für die Entlohnung verbessern können – Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit!

 

b. Schutz bei prekärer Beschäftigung

Die gesetzlichen Anreize der öffentlichen Subventionierung von Minijobs muss beendet werden.

So spricht sich die Sachverständigenkommission dafür aus:

„…alle Erwerbsverhältnisse sozialversicherungspflichtig zu machen.“

Dem ist nichts hinzuzufügen!

Für Leiharbeit muss in erster Linie im Gesetz festgeschrieben werden: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Die Ausnahmeregelungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz von diesem Grundsatz sind zu streichen.

Dringend erforderlich ist die Abschaffung der Ein-Euro-Jobs für Langzeitarbeitslose. Hiervon sind viele Frauen – insbesondere in den Neuen Bundesländern betroffen.

Notwendig ist gerade in der fortschreitenden Wirtschafts- und Beschäftigungskrise die Schaffung eines funktionsfähigen Zweiten Arbeitsmarktes mit existenzsichernden Löhnen und ausreichender sozialer Sicherung.

 

c. Armut im Alter bekämpfen

In den nächsten  Jahrzehnten droht Altersarmut für Millionen Rentner – in erster Linie sind hiervon wiederum die Frauen betroffen, deren Rente im Schnitt mit unter 6ooEuro im Monat nur etwa die Hälfte der Durchschnitts-Rente der Männer ausmacht.

Hierbei besteht  ein enger Zusammenhang zwischen den „Reformen“ auf dem Arbeitsmarkt, sowie bei der Alterssicherung. Besonders eng ist der Zusammenhang zwischen  Arbeit und Rente bei der Heraufsetzung des Eintrittsalters in die gesetzliche Altersrente von 65 auf 67 Jahre zwischen 2012 und 2029. Schon heute ist die übergroße Mehrzahl der Arbeitnehmer und insbesondere der Arbeitnehmerinnen nicht in der Lage, bis zum 65. Lebensjahr zu arbeiten. Sie müssen daher in Zukunft Abschläge ihrer Altersrenten bis zu 25 Prozent hinnehmen. Die Heraufsetzung der gesetzlichen Altersrente ab 2012 ist in jedem Fall auszusetzen.

 

d. Staat muss handlungsfähig bleiben

Wenn der schon von den vorherigen Bundesregierungen versprochene Ausbau der Kindebetreuung auf ein Drittel der unter drei-jährigen Kinder bis 2013 eingehalten werden soll, müssen den Kommunen hierfür die notwendigen Steuermittel zur Verfügung gestellt werden.

Ebenso wie Experimente zur Abschaffung der Gewerbesteuer sind Pläne zur generellen Steuersenkung zu verhindern.

Notwendig ist vielmehr die stärkere Heranziehung hoher Einkommen, Unternehmensgewinne, Vermögen, Erbschaften und Kapitalerträge zur Finanzierung der auch zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf erforderlichen Infrastruktur.

 

e. Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft

Es ist noch nicht lange her, da platzte der EU Kommissarin für Justiz- und Gleichstellungsfragen, der 59-jährigen Luxemburgerin Viviane Reding der Kragen: Unzufrieden und enttäuscht über die Gleichstellung von Frauen in der Wirtschaft drohte sie mit der Einführung gesetzlicher Quoten. Die Wirtschaft in den Mitgliedstaaten hat umgehend empört und abweisend reagiert.

In der Bundesrepublik war es 2001 gelungen, ein Gleichstellungsgesetz für die Bundesverwaltung durchzusetzen, das in der Folgezeit verbessert werden konnte.

Darin ist eine relative Quotenregelung enthalten. Seitdem werden Stellen im öffentlichen Dienst mit dem Zusatz versehen, dass bei gleicher Qualifikation Bewerberinnen bevorzugt werden.

Trotzdem sind in den Jahren seit dem Bestehen dieses Gesetzes bis heute nur wenige Frauen bis zu den begehrten Stellen von Unterabteilungsleiter/innen und Abteilungsleiter/innen vorgedrungen – geschweige denn darüber hinaus.

An Vorstößen für ein Gleichstellungsgesetz in der privaten Wirtschaft hat es nicht gefehlt: Bereits Christine Bergmann, Bundesfrauenministerin in der Rot-Grünen Koalition machte einen ersten Vorstoß. Unterstützt und aktiv begleitet wurde dies von den Frauen in den Gewerkschaften

Diese Gesetzesinitiative scheiterte jämmerlich an der Mehrheit und Macht der Männer in den Spitzenetagen von Wirtschaft, Politik und Gewerkschaften.

Heraus kam die Einigung auf ein Bündnis von Bundesregierung und Wirtschaftsverbänden zu freiwilligen Vereinbarungen über die Gleichstellung und Frauenförderung in der privaten Wirtschaft. Die bisherigen Ergebnisse sind mehr als dürftig und stehen in keinem Verhältnis zu den großangelegten Öffentlichkeitsevents bei ihrer Verkündung.

Inzwischen beschäftigen sich Untersuchungen renommierter Forschungsinstitute bis zu namhaften Umternehmensberatungsfirmen mit diesen Fragen und heben den großen Wert der Frauen und ihrer Qualifikationen auch in den Führungsetagen unserer Wirtschaft hervor:

- Nach McKinsey erzielen Unternehmen mit gemischtgeschlechtlichen Führungsteams höhere Betriebsergebnisse als solche ohne weibliche Führungskräfte.

- Eine Studie aus Finnland hat dies sogar berechnet und kommt auf 10 Prozent mehr Gewinn.

- Die Bertelsmann Stiftung kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass Mütter mit hoher beruflicher Verantwortung besonders engagierte und fähige Führungskräfte sind.

Es fragt sich dann, warum die Spitzen in Wirtschaft und Gesellschaft mit so großem Schrecken und Abwehr reagieren, wenn das Beispiel Norwegens angeführt wird: Als erstes Europäisches Land führte Norwegen 2006 eine verbindliche 40 Prozent Quote für die Verwaltungsräte aller Aktiengesellschaften ein. Firmen, die diese Quote nicht erreichen, können aufgelöst werden.

Politik und Gesetzgeber in Norwegen kamen bisher nicht in die Verlegenheit, einen solch rigorosen Sanktionsmechanismus in Gang setzen zu müssen. Bereits 2008 war die 40 Prozent der Quote erreicht: Allen Kritikern zum Trotz haben sich Qualifikation und Alter in den Verwaltungsräten  seither sogar erheblich verbessert. Zudem waren und sind genügend qualifizierte Frauen zur Besetzung dieser Funktionen verfügbar.

 

6. Fazit: Netzwerke stärken

Es ist dringender denn je:

Die Frauen müssen ihre Netzwerke über die Grenzen von Parteien, Verbänden und sonstigen Institutionen stärken, um die wesentlichen Eckpfeiler unseres Sozialstaates -Gleichberechtigung und Soziale Sicherheit- zu erhalten und zukunftsfähig zu machen.

Erforderlich sind Frauenquoten von der betrieblichen Berufsausbildung bis zu den Aufsichtsräten der DAX Konzerne, aber auch in Parteien, den gesellschaftlichen Verbänden und allen sonstigen Institutionen von gesellschaftlicher Bedeutung.

Frauen sind die Hälfte der Bevölkerung und beanspruchen zu Recht gleiche Verantwortung und Chancen wie die Männer. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung für die Zukunft unserer Wirtschaft und Gesellschaft sowie unserer Demokratie.

 

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