Kontroverse um Statistik der Arbeitsvermittlung

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Um die Statistik der Arbeitsvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (BA) ist erneut eine Kontroverse entstanden. Allerdings ist dies nicht vergleichbar mit der Skandalisierung der Vermittlungsstatistik 2001/2002…

Kontroverse entstanden. Allerdings ist dies nicht vergleichbar mit der Skandalisierung der Vermittlungsstatistik 2001/2002 mit den weittragenden Folgen der Neuorganisation der BA, den Hartz Gesetzen, der Agenda 2010, dem Aufstieg der Partei Die Linke und schließlich dem Regierungswechsel von Rot-Grün unter Bundeskanzler Gerhard Schröder zu Schwarz-Rot mit Bundeskanzlerin Angela Merkel 2005.

Seither hat die BA ihre Organisation und sowohl die Arbeitsvermittlung als auch die Arbeitsmarktpolitik professionalisiert. Im Zuge der wirtschaftlichen Verbesserung seit 2007 konnten mit Ausnahme der Krisenjahre 2008/2009 die Beschäftigung spürbar erhöht und die Arbeitslosigkeit erheblich verringert werden. Allerdings gibt es nach wie vor eine überdurchschnittlich hohe Langzeitarbeitslosigkeit. Seit Monaten ist dies Gegenstand einer Untersuchung des Bundesrechnungshofes. Die BA ist seit Jahren gemeinsam mit dem Verwaltungsrat aus Vertretern der Arbeitgeber, Gewerkschaften und der Öffentlichen Hand damit befasst, ihre Verfahren der Personalführung und arbeitsmarktpolitischen Steuerung zu verbessern.

BA: Statistik der Arbeitsvermittlung – Lehren aus der Vergangenheit

Mehr als 10 Jahre sind vergangen, seit die politisch hochgespielte Skandalisierung der Statistik über die Arbeitsvermittlung der damaligen Bundesanstalt für Arbeit – heute Bundesagentur für Arbeit (BA) – die Schlagzeilen beherrschte. Die Folgen waren wirtschaftlich, sozial und politisch im wahrsten Sinne des Wortes „weittragend“: Der damalige Präsident der BA, Bernhard Jagoda (CSU) sowie etwas später auch Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) wurden abgelöst. Auf Jagoda folgte der von Bundeskanzler Schröder handverlesene Florian Gerster, vormals Arbeits- und Sozialminister von Rheinland Pfalz. Nach seinem kurzen höchst umstrittenen Intermezzo an der Spitze der BA musste er dem Finanzvorstand der BA Frank Jürgen Weise Platz machen. Wolfgang Clement (SPD), abgewählter Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, trat an die Spitze der zusammengelegten Bundesministerien für Wirtschaft und Arbeit. Organisation und Struktur der BA wurden professionalisiert; die Rolle der Selbstverwaltung verringert; die Arbeitsmarktpolitik durch Hartz-Kommission und Hartz Gesetze flexibilisiert und privatisiert; prekäre Beschäftigung und Niedriglohnsektoren erheblich ausgeweitet. Dem Aufstieg der Partei der Linken und letztendlich dem politischen Wechsel von rot-grün zur schwarz-roten und später schwarz-gelben Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel war der Weg bereitet.

Seither hat sich bei der Bundesagentur, bei Arbeitsvermittlung und Arbeitsmarktpolitik – aber auch bei Beschäftigung und Arbeitslosigkeit viel verändert. Erstmalig erfolgte eine professionelle Steuerung der verschiedenen Bereiche der BA – Beratung, Vermittlung, Arbeitsmarktpolitik, Zahlung von Leistungen über Zielvereinbarungen und Controlling. Im Zuge der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe (ALG II und Hartz IV) ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen zunächst erheblich gestiegen. Mit der Übernahme der Finanzierung von ALG II durch den Bund wurde die Verantwortung für die Langzeitarbeitslosen auf BA und Kommunen in den Job Centern übertragen.

Die Bewertung dieser gravierenden Veränderungen in der Arbeitsmarktpolitik ist auch nach zahlreichen Gutachten bis heute höchst umstritten. Die Apologeten verweisen auf die seit 2007 mit Unterbrechung der Krisenjahre erhebliche Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt. Allerdings spüren davon die über 20 Prozent Menschen in prekärer Beschäftigung – Befristung, Leiharbeit und Minijobs sowie die Ausweitung von Niedriglöhnen und Armut bei Arbeit nichts. In jedem Fall haben die Zweiteilung von Arbeitsmarkt und Gesellschaft erheblich zugenommen. Die BA steht inmitten dieser Spannungen, wie sich an der erneut entzündenden Kritik ihrer Vermittlungsstatistik zeigt. Seit Einführung von Transparenz, Zielvereinbarungen und Controlling als Grundlage jeglicher Steuerung ihrer Leistungen hat es immer wieder Kritik, aber auch die Bereitschaft zu Korrekturen gegeben. Dabei ging es vielfach um die auch jetzt wieder kritisierte Vernachlässigung der schwer vermittelbaren Arbeitslosen. Eine perfekte Lösung bei den Zielvereinbarungen, den Indikatoren und Kontrollverfahren kann es in einer derartigen komplexen Massenverwaltung kaum geben. Entscheidend wird immer sein, ob die Bereitschaft zur Anpassung sozusagen als ein lernenden System fortgesetzt und verbessert werden kann.

Darüber hinaus sind auch die Politik und die Sozialparteien innerhalb und außerhalb der Selbstverwaltung gefordert. Die ständigen Nachbesserungen der mit heißer Nadel und teilweise kaum praktikablen Kompromissen „genähten“ Hartz Gesetze -vor allem Hartz IV- verweisen auf eine der großen Schwachstellen. Wenn mehrere Urteile des Bundessozial- und Bundesverfassungsgericht zur Gestaltung der Job Center sowie der Höhe der ALGII und Hartz IV Leistungen ergehen, spricht dies eine deutliche Sprache. Ergänzt wird dies durch die große Fülle von Sozialrechtsverfahren mit einem hohen Anteil des Obsiegens der Kläger.

Es ist daher an der Zeit, die erneute Kritik an der Arbeitsvermittlung der BA zum Anlass zu nehmen, die Hartz Gesetze zu überprüfen und zu korrigieren. Die Privatisierung von Arbeitsvermittlung und Arbeitsmarktpolitik durch Einschaltung von privaten Personalvermittlern und vor allem Leihagenturen und deren Ausdehnung auf schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose gehören genauso auf den Prüfstand wie die erheblichen Kürzungen bei Bundeszuschüssen und Personal. Bei der immer noch überdurchschnittlich hohen Langzeitarbeitslosigkeit sowie dem erneuten Anstieg der Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderungen und Schwerbehinderungen sind die drastischen Kürzungen bei den der BA zustehenden Bundessteuern von über 20 Mrd. Euro bis 2016 in Frage zu stellen. Dies gilt ebenso für Auflagen des Bundes zu drastischen Streichungen von Personalstellen und der Notwendigkeit, gerade bei der Betreuung Langzeitarbeitsloser auf einen hohen Anteil befristet Beschäftigter ausweichen zu müssen.

Bleibt nur zu hoffen, dass diesmal ein Vierteljahr vor den nächsten Bundestagswahlen die BA und die Arbeitsmarktpolitik nicht wie 2001/2002 kurzfristigen Wahlinteressen untergeordnet werden. Vielmehr müssen alle Beteiligten bei der Erstellung des Berichtes des Bundesrechnungshofes den notwendigen Weitblick für die Zukunft der BA als einen wesentlichen Eckpfeiler unseres Sozialstaates an den Tag legen. Korrekturen gerade bei der Eingliederung der schwer Vermittelbaren Arbeitslosen wird es nicht nur in der Praxis der BA, sondern auch bei den Hartz Gesetzen sowie den finanziellen und personellen Spielräumen für die BA geben müssen.

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