Deutscher Frauenrat – Regierungsdialog Rente

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Bei  dem Treffen mit den Präsidentinnen/Vorsitzenden der Mitgliedsverbände am 23. Juni 2012 wurde das Thema „Regierungsdialog Rente“ behandelt. Dazu waren als Diskussionsredner eingeladen: Michael Schröter, Diakonie Bundesverband und Mitglied der Sachverständigenkommission im Regierungsdialog Rente sowie ich selbst. In unseren Einführungsbeiträgen haben wir gemeinsam kritisch festgestellt, dass die hochgesteckten Erwartungen des Regierungsdialog Rente zur Bekämpfung der drohenden Altersarmut nicht erfüllt wurden. Das von der Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen vorgelegte Gesetz zur Anerkennung der Lebensleistung in der Rentenversicherung ist enttäuschend. Weder kann damit  die Altersarmut bekämpft, noch die Lebensleistung der langjährig versicherten Geringverdiener ausreichend berücksichtigt werden. Beide Diskussionsbeiträge enthielten umfassende Vorschläge für eine Rentenreform, die sowohl eine ausreichende und faire Rente gemäß der Lebensleistung der betroffenen Menschen sowohl im Berufsleben wie auch für die gesellschaftliche Tätigkeit in der Familie sichert und Altersarmut verhindert. Dies wurde in der anschließenden lebhaften Diskussion mit den Teilnehmerinnen des Treffens eingehend vertieft. Dabei wurden auch alternative Modelle der Rentenversicherung nach den Konzepten verschiedener Frauenverbände sowie der Schweiz und Schweden einbezogen.

Für die Rentner/innen gibt es zwei gute Nachrichten: In diesem Jahr werden die Altersrenten wieder merklich steigen: um 2,26 Prozent im Westen und 2,18 Prozent im Osten.

Und in der Kasse der gesetzlichen Rentenversicherung gibt es erhebliche Überschüsse.

Es sind mithin finanzielle Spielräume vorhanden, um die drohende Altersarmut endlich beherzt anzugehen – wie dies von der Bundesarbeitsministerin  öffentlichkeitswirksam versprochen und mit ihrem 2011 begonnenen Rentendialog vorbereitet werden sollte.

Dabei sollte die Rentenreform mit der versprochenen Zuschussrente für Geringverdiener von 850,- Euro und einer Verbesserung der Erwerbsminderungsrenten sowie der Zuverdienstmöglichkeiten für Rentner schon längst auf dem Weg sein.

Jedoch ist fraglich, ob die schwarz-gelbe Bundesregierung dafür überhaupt noch die Kraft aufbringt – vor allem nach dem Debakel im Deutschen Bundestag um das Betreuungsgeld sowie der Intervention des Bundesverfassungsgerichts bei der Verabschiedung von EU Fiskalpakt sowie dem ESM als einem dauerhaften Europäischen Rettungsschirm von 700 Mrd. Euro.

Erhebliche Absenkung von Rentenniveau und Rentenleistungen

Außerdem ist viel Wasser in den Wein der guten „Renten“-Botschaften zu gießen. Die Rentensteigerungen reichen gerade einmal aus, die hohen Preissteigerungen auszugleichen. Infolge der Erhöhung der Ausgaben für die Gesundheitsversorgung und die Pflegeversicherung wird allerdings kaum etwas im Portemonnaie der Rentner übrig bleiben.

Dabei haben die jetzt schon bereits jahrzehntelangen „Rentenreformen“ zu einer erheblichen Absenkung des Rentenniveaus geführt und werden nach den amtlichen Rentenberichten von Bundesregierung und Deutscher Rentenversicherung Bund in den nächsten Jahrzehnten millionenfache Altersarmut zur Folge haben.

Schon heute beträgt bei einem Rentenniveau von 51 Prozent die Durchschnittsrente für Männer im Westen 857 Euro und im Osten 878 Euro. Für Frauen sind die Durchschnittsrenten noch erheblich niedriger: 479 Euro im Westen und 683 Euro im Osten. Bis 2030 wird das Rentenniveau auf 43 Prozent sinken.  Viele Arbeitnehmer werden die notwendigen beitragspflichtigen Verdienste sowie die Beschäftigungszeiten für eine gesetzliche Altersrente oberhalb der Armutsgrenze daher nicht mehr erreichen.

Die hohen Überschüsse haben die Begehrlichkeiten der Bundesregierung schon längst geweckt; sie will mit festem Blick auf die Bundestagwahlen 2013 die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung weiter absenken: von 19,6 Prozent 2012 auf 19,2 bis 19,1 Prozent 2013 und 19,0 Prozent ab 2014. Damit würde die Nachhaltigkeitsreserve bei der DRV auf das gesetzliche Minimum von 0,2 Monatsausgaben abgeschmolzen. (Nach § 158 SGB VI soll der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung gesenkt werden, wenn die Nachhaltigkeitsrücklage 1,5 Monatsausgaben im Folgejahr übersteigt.)

Es blieben mithin keinerlei finanzielle Spielräume zur Verbesserung des Rentenniveaus. Vielmehr drohen bei konjunktureller Eintrübung weitere Verschlechterungen der Rentenleistungen und das politische Tauziehen um die Erhöhung der Beiträge.

Sozialabbau für die Rettung der Banken

Bereits jetzt sind die Bürger nicht nur mit ihren Steuern sondern auch als Beitragszahler zur Sozialversicherung für die Finanzierung der unabsehbaren finanziellen Rettungsschirme für die Finanzbranche in der Bundesrepublik und der EU in Haft genommen. Die Finanzplanung der Bundesregierung sowie die Haushaltsstrukturgesetze sehen bereits Kürzungen bei der gesetzlichen Krankenversicherung sowie der Arbeitsmarktpolitik vor. Zudem soll jetzt auch die Privatisierung in die gesetzliche Pflegeversicherung eingeführt werden. Der Abschluss einer privaten Zusatzversicherung soll durch eine staatliche Zulage von 5 Euro durchgesetzt werden. Die dringend notwendige Verbesserung der Qualität der Pflegeleistungen wird weiter aufgeschoben.

Zuschussrente – die Trauben hängen zu hoch

Enttäuschend ist auch das Ergebnis des Rentendialogs – der Entwurf eines Gesetzes mit dem vielversprechenden Namen „Anerkennung der Lebensleistung in der Rentenversicherung (RV-Lebensleistungsanerkennungsgesetz)“. Sein Herzstück ist die vorgesehene Zuschussrente von 850 Euro für Menschen mit niedrigem Einkommen. Allerdings wird sie sich für viele von ihnen als „Rohrkrepierer“ erweisen, weil sie niemals die hoch gesteckten Voraussetzungen erfüllen: 45 Beitragsjahre, davon 35 mit vollen Pflichtbeiträgen sowie zusätzliche Zahlung einer Riesterrente über 35 bzw. 45 Jahre.

Selbst bei großzügiger Anerkennung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten werden insbesondere Frauen, die hauptsächlich von Armut bei Arbeit und im Alter betroffen sind, diese Hürden nicht überwinden können. Infolge ihrer oft jahrzehntelangen Arbeit für die Familie sowie des skandalös hohen Anteils nicht nur an Teilzeitarbeit, sondern vor allem in den 400 Euro Jobs ohne eigene Sozialversicherung und mit Hungerlöhnen, sind sie überhaupt nicht in der Lage, die erforderliche berufliche Tätigkeit mit vollen Sozialversicherungsbeiträgen aufzubringen. Dies gilt auch für immer mehr Männer, die von der in Deutschland nach wie vor besonders hohen Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind. So wurden die mit knapp über 4 Euro im Monat bereits außergewöhnlich niedrigen Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für Langzeitarbeitslose mit entsprechend minimalen Ansprüchen an Rentenleistungen bei den letzten Kürzungsrunden für die Finanzierung der maroden Banken ganz abgeschafft.

Fazit: Für viele dieser Menschen sind die „Trauben der Zuschussrente“ so hoch gehängt, dass sie niemals daran kommen werden. Denn die Zeiten der Arbeitslosigkeit werden für die Erfüllung der Voraussetzungen überhaupt nicht anerkannt.

Auch die Verbesserungen bei den Erwerbsminderungsrenten versprechen weit mehr als sie halten. Dabei sind gerade Menschen, die infolge gesundheitlicher Einschränkungen nicht arbeiten können, besonders von Altersarmut getroffen. Wenn jetzt die Zurechnungszeiten für die Berechnung der Erwerbsminderungsrenten von bisher 60 auf 62 Jahre erhöht werden, klingt dies zunächst einmal gut. Der Pferdefuß ist allerdings, dass diese Verbesserung der Leistungen nur für Neurentner/innen gilt und zudem stufenweise bis 2029 gestreckt wird. Übrig bleiben somit nur wenige Euro zusätzliche Rentenleistungen für die mit ihrer Behinderung bereits besonders geschlagenen Menschen.

Ähnlich verhält es sich mit der vorgesehenen Einführung einer Kombirente. Danach können ältere Arbeitnehmer neben ihrer Rente mehr als die bisher zulässigen 400 Euro im Monat hinzuverdienen, ohne dass ihre Renten gekürzt werden. Dies klingt beim ersten Ansehen verlockend, erweist sich allerdings bei genauer Analyse als ein „Danaergeschenk“. Arbeitgeber werden geradezu angereizt, Arbeitnehmer in den vorzeitigen Rentenbezug zu drängen, da sie dann nur noch geringere Löhne zahlen müssen. Für die Arbeitnehmer ist der vorzeitige Rentenbezug mit Abschlägen von 3,6 Prozent pro Jahr verbunden. Dies ist nichts anderes als ein Kombilohn zu Gunsten der Arbeitgeber auf Kosten der Rentenversicherung. Gekniffen sind dann auch die Arbeitnehmer selbst. Nach Wegfall des Einkommens aus Arbeit müssen sie bis an ihr Lebensende mit den durch die Abschläge verringerten Rentenleistungen auskommen.

Bekämpfung der Altersarmut bleibt auf der politischen Agenda

Die Bekämpfung der Altersarmut erfordert umfassende Maßnahmen. Entscheidend ist die Wiederherstellung der dynamischen lohnbezogenen Altersrente durch Verbesserung der Rentenformel. Genauso notwendig ist die Verbesserung der Erwerbsminderungsrenten – insbesondere durch Streichung der Abschläge bei Beginn der Erwerbsminderung vor dem 60. Lebensjahr. Schließlich ist dies ein schwerer Schicksalsschlag, der nicht auch noch durch Kürzungen der kargen Erwerbsminderungsrenten bestraft werden darf. Erforderlich ist ebenso die Anhebung der Zurechnungszeiten von bislang 60 auf 63 Jahre – in einem Zuge und nicht wie bisher geplant in langjährigen Stufen (allein schon als Folge der pauschalen Heraufsetzung der Altersgrenze). Die finanzielle Deckelung der Leistungen für die medizinische Rehabilitation muss aufgehoben werden.

Für Geringverdiener müssen sowohl ausreichende Beiträge bei Arbeitslosigkeit wie auch eine höhere Zurechnung  bei der Bemessung der Rentenleistungen gewährt werden (Fortführung der Rente nach Mindestentgeltpunkten). Notwendig ist die Einführung von Freibeträgen bei der Anrechnung der eigenen Rentenleistungen auf die ergänzende Grundsicherung für langjährig Versicherte mit niedrigen Löhnen und Renten. Ihnen sind somit Rentenleistungen zu gewähren, die deutlich über dem Grundsicherungsniveau (Armutsniveau) liegen. Dies ist die bei weitem bessere Alternative zu der Zuschussrente. Vollständig zu streichen ist der Zwang zum Abschluss einer Riesterrente. Erforderlich ist auch die längst überfällige Weiterentwicklung zu einer Erwerbstätigenversicherung.

Ebenso notwendig ist die wirksame Bekämpfung der boomenden Niedriglohnsektoren – insbesondere durch: die Einführung von gesetzlichen Mindestlöhnen nicht unter 8Euro50; die Einbeziehung grundsätzlich aller Arbeitsverhältnisse in die Sozialversicherungspflicht; die Durchsetzung des Prinzips „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ bei Leiharbeit.

Aufbau der Nachhaltigkeitsrücklage

Diese wesentlichen Maßnahmen zu einer wirksamen Bekämpfung der Altersarmut sind ohne eine Erhöhung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung über die gesetzlich vorgesehene Deckelung auf 22 Prozent bis 2030 möglich, wenn weitere Absenkungen des Beitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung unterbleiben. Die Nachhaltigkeitsrücklage könnte dann für die Wiederherstellung einer existenzsichernden Altersrente eingesetzt werden. Zusätzlich kann die Heraufsetzung der gesetzlichen Altersrente auf 67 Jahre zwischen 2012 und 2029 ausgesetzt werden, bis die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen auf dem Arbeitsmarkt und bei der Gesundheit der betroffenen älteren Menschen vorliegen.

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