Jeder kann klüger werden!

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Dies gilt auch für den Spiegel, in dem in der Ausgabe 2 im Jahr 2011 ein bemerkenswerter Essay von Christoph Schwennicke veröffentlicht wurde mit dem bezeichnenden Titel: “Comeback des Superstars – Deutschland und Europa können politischen Moden souverän trotzen.“

Worum geht es? Mit der Riesterreform 2001 hat die der rot-grüne Bundesregierung mit Bundeskanzler Gerhard Schröder einen gravierenden Paradigmenwechsel in der gesetzlichen Rentenversicherung eingeleitet. Eingeführt wurde eine kapitalgedeckte Säule in die  gesetzliche Rentenversicherung. Der Essay von Christoph Schwennicke im Spiegel ist  eine Abkehr von einer immer noch dominierenden einseitigen Kapitaldeckungs-Ideologie, die  im Interesse der privaten Finanzindustrie mit hohem Werbe-und Vermarktungsaufwand ohne Rücksicht auf die eklatanten Fehlentwicklungen in der privaten Altersanlage, zu Lasten von Anlegern und Steuerzahlern weiter öffentlich gefördert wird.

Bis zur Riesterreform 2001 war die gesetzliche Rentenversicherung ausschließlich ein auf dem Umlageverfahren und der paritätischen Beitragszahlung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziertes Sozialversicherungssystem – allerdings mit einem hohen und steigenden Steueranteil infolge der drastisch gewachsenen gesamtgesellschaftlichen Ausgaben – insbesondere den deutschen Vereinigungsprozess, der zu einer „Renteneinheit“ führte sowie die massive Frühverrentung. Die Einführung der Kapitaldeckung bedeutete, dass die Arbeitnehmer über mehrere Jahre bis zu 4 Prozent ihres Bruttoeinkommens für die Anlage in einer privaten kapitalgedeckten Alterssicherung anlegen konnten. Allerdings gab es dafür keinen hälftigen Anteil der Arbeitgeber, dafür steuerliche Anreize und für untere Einkommensgruppen öffentliche Zuschüsse. Während die private Anlage in die Alterssicherung freiwillig blieb, wurden jedoch die Einkommen der Arbeitnehmer, die der Berechnung für die gesetzliche Altersrente zugrunde lagen, um 4 Prozent abgesenkt. Diese Veränderung der Rentenformel hatte eine gravierende Absenkung des Rentenniveaus für alle Arbeitnehmer zur Folge – unabhängig davon, ob sie überhaupt eine ergänzende private Alterssicherung abgeschlossen haben. Gerade die unteren Einkommensgruppen waren überhaupt nicht in der Lage, trotz der großzügigen öffentlichen Förderung zusätzliche finanzielle Mittel für eine private Altersversorgung aufzubringen.

Dies ist eine wesentliche Ursache für den gravierenden Anstieg der Altersarmut, der nach den amtlichen Rentenberichten ab dem Jahr 2015 in der Bundesrepublik zu erwarten ist.

Dieser Paradigmenwechsel bei der gesetzlichen Altersrente basiert auf der irrigen Annahme, dass die Kapitaldeckung bei der erheblichen demographischen Veränderung im Altersaufbau unserer Bevölkerung (Rückgang der Jüngeren und Zunahme der Älteren) sicherer sei als das Umlagesystem.

 Als für die Sozialpolitik zuständige Stellvertretende Vorsitzende des DGB sowie als Mitglied im Parteivorstand der SPD habe ich damals vergeblich versucht, diese falsche Annahme zurecht zu rücken: Auch die Kapitalbildung wird von den demographischen Veränderungen in der gleichen Weise erfasst wie das Umlageverfahren. Wenn weniger jüngere Erwerbstätige mehr älteren Menschen im Rentenalter gegenüberstehen, fehlen -genauso wie beim Umlageverfahren über Beiträge aus dem Erwerbseinkommen- die Kapitalzuflüsse in die privaten kapitalgedeckten Rentenfonds. Darüber hinaus sind solche Kapitalansammlungen gegenüber nationalen und internationalen Finanzkrisen in höchstem Maße anfällig, wie viele Menschen -vor allem in anderen Ländern- in der weltweiten Finanzkrise mit der Verminderung ihrer privaten Rentenansprüche erleben mussten. An Warnungen international renommierter Experten fehlte es nicht, wie der beigefügte Beitrag von Wolfgang Scholz, Alterssicherungsökonom der Internationalen Arbeitsorganisation, bereits vor 11 Jahren deutlich macht. Sie verhallten jedoch ungehört, da sie den Interessen der mächtigen Finanzindustrie im Wege standen. Dass die Finanz- und Wirtschaftskrise in der Bundesrepublik so schnell überwunden werden konnte, ist auch auf das gesetzliche Umlagesystems bei den Altersrenten zurückzuführen. Hierdurch konnten größere Einbrüche in der Konsumnachfrage der Rentner verhindert werden.

Die Einführung der Riesterrente wurde durch eine beispiellose nationale und internationale Kampagne in Wirtschaft, Politik und Medien begleitet. Diejenigen, die auf die Gefahren für viele Menschen im unteren und mittleren Einkommensbereich hinwiesen, wurden als “ewig Gestrige” bis zu unbelehrbaren “Zementköpfen” verunglimpft.

Das Essay von Christoph Schwennicke im Spiegel ist  eine Abkehr von einer immer noch dominierenden einseitigen Kapitaldeckungs-Ideologie, die im Interesse der privaten Finanzindustrie mit hohem Werbe- und Vermarktungsaufwand ohne Rücksicht auf die eklatanten Fehlentwicklungen in der privaten Altersanlage, zu Lasten von Anlegern und Steuerzahlern weiter öffentlich gefördert wird.

 >> Essay von Christoph Schwennicke

>> Beitrag von Wolfgang Scholz

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