Hartz IV – Kein „Kuhhandel“ zu Lasten der Menschen

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Das „Polit-Drama“ um die Hartz IV Reform erreicht einen neuen Höhepunkt. Nicht nur ist der vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Termin (1.1.2011) längst überschritten. Auch wäre die endgültige Abstimmung im Bundesrat am 11.2. gescheitert, hätten nicht die Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck (SPD), sowie von Sachsen Anhalt, Wolfgang Böhmer (CDU), die Reißleine gezogen und einen erneuten Einigungsversuch unternommen.

Ob es den beiden Ministerpräsidenten bei ihrer Initiative um die von Hartz IV betroffenen Millionen Menschen ging oder die Sorge um den berechtigten Ärger der Bürger an der mangelnden Einigungsfähigkeit von Bundesregierung und Opposition, ist letztlich unerheblich. Wahrscheinlich wird beides eine Rolle spielen. Denn in beiden Bundesländern sind im März Landtagswahlen. Möglicherweise stehen sie auch unter dem Druck ihrer Kommunen, die den von der Bundesregierung versprochenen „Geldsegen“ nicht aufs Spiel setzen wollen – Übernahme der Grundsicherung für Rentner und höhere Bundesbeteiligung an den Wohnkosten für Hartz IV. Es kann jedoch auch sein, dass beide Ministerpräsidenten als besonnene und erfahrene Polit-Unterhändler weiteren Schaden von der Politik durch Taktik und Medienshow abwenden wollten.

Vermittlungsverfahren wird fortgesetzt

Die Bundesländer haben zugestimmt, dass das Verfahren im Bundesrat unterbrochen und der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat erneut mit der Behandlung der Hartz IV Reform befasst wird. Bereits vor bald einem Jahr hat das Bundesverfassungsgericht eine transparente Neufestsetzung der Regelsätze -insbesondere für Kinder- verlangt. Im Übrigen hatte bereits im Jahr zuvor das Bundessozialgericht die Regelsätze der Kinder als verfassungswidrig kritisiert. Es war also genügend Zeit, eine verfassungsfeste Neuregelung von Hartz IV vorzubereiten – sowohl die inhaltlichen Konzepte, die praktische Durchführung sowie das Ringen um einen tragfähigen politischen Kompromiss. Leider hat die Bundesarbeitsministerin monatelang mit medialen Nebelkerzen um impraktikable „Chipkarten-Vorschläge“ für die Sachleistungen an die Kinder das notwendige politische Abstimmungsverfahren um die Regelsätze heraus gezögert. Wenn jetzt immer wieder von beiden Parteien eine baldige politische Lösung angemahnt wird, ist dies richtig. Entscheidend dabei bleibt allerdings der Inhalt einer politischen Einigung. Dabei sind tiefe Gräben zu überwinden.

Bei der strittigen  Neufestsetzung der Hartz IV Regelsätze hat sich die Bundesregierung bisher nicht bewegt. In der letzten Abstimmungsrunde ist von den Unterhändlern der schwarz-gelben Koalition auf „Weisung“ der Bundeskanzlerin höchst persönlich an der Minierhöhung von 5 Euro auf 364 Euro festgehalten worden. Damit würde das Gesetz erneut vor dem Bundesverfassungsgericht landen. Die Vorgabe nach transparenten Regelsätzen, die eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen, ist keinesfalls erfüllt.

Kein „Kuhhandel“ zu Lasten der Arbeitsmarktpolitik

Die bereits in den vorherigen Verhandlungsrunden erzielte Einigung, die Kommunen mit der Umsetzung des Kinderpaketes zu beauftragen, ist offenbar schon wieder hinfällig. Dabei wäre dies dringend erforderlich, sollen die Job Center nicht noch mehr überlastet werden. Bereits jetzt können sie ihrer Hauptaufgabe, der Eingliederung Langzeitarbeitsloser in Arbeit, kaum ausreichend nachkommen. Gemäß der Verfassung fehlt dem Bund die Kompetenz, den Kommunen direkt  Aufgaben und Finanzen zu übertragen. Das Angebot der Bundesregierung,  die Kommunen als Ausgleich für die Übernahme der Kinderleistungen von der Grundsicherung für arme Rentner zu entlasten, hat gleich mehrere gravierende Pferdefüße. Zum einen dürften die „gebotenen“ 12,5 Mrd. Euro bis 2015 keinesfalls ausreichen – weder für die Kinderleistungen noch für die steigende Altersarmut. Darüber hinaus ist dieses „Geschenk“ den Kommunen bereits als Teil der überfälligen Reform der notleidenden Gemeindefinanzen versprochen worden. Verlockend ist allerdings das Angebot des höheren Bundesanteils an den steigenden Wohnkosten für Hartz IV.

Nur noch als skandalös zu bezeichnen ist, dass sich die Bundesregierung das Geld dafür aus den Taschen der Bundesagentur für Arbeit holen will. Dies bedeutet eine weitgehende Streichung der  Arbeitsmarktpolitik, höhere Arbeitslosigkeit und noch mehr finanzielle Lasten auch für die Kommunen. Mit dem von der rot-grünen Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder eingeführten Hartz IV System sollte eine klare Trennung zwischen beitragsfinanzierter Arbeitslosenversicherung und staatlicher Verantwortung für die Langzeitarbeitslosigkeit erfolgen. Dies ist bereits jetzt gravierend ausgehöhlt. Sollten jetzt noch die steigenden Ausgaben der Kommunen für die Grundsicherung bei Altersarmut aus den Kassen der Arbeitslosenversicherung geholt werden, würden Arbeitnehmer und Arbeitgeber als Beitragszahler immer mehr zu Finanziers der Langzeitarbeitslosigkeit. Das ist „Ball Verkehrt“ auf dem Rücken der Arbeitnehmer und Arbeitslosen.

Eine weitere Hartz IV Baustelle ist ebenfalls offen geblieben: die Eindämmung der explodierenden Leiharbeit. Die Behauptung der Bundesarbeitsministerin, die SPD überfrachte die Verhandlungen über die Hartz IV Reform, ist falsch. Leiharbeitnehmer müssen häufig zusätzlich zu ihrem Hungerlohn Hartz IV Leistungen beziehen. Es ist mithin ein wesentliches Anliegen jeglicher Hartz IV Reform, diese massive Subventionierung von Löhnen durch Hartz IV Leistungen endlich zu stoppen. CDU/CSU und FDP blockieren seit bald fünf Jahren, dass der zwischen DGB Gewerkschaften und maßgeblichen Verbänden der Leiharbeit  ausgehandelte Mindestlohn für alle Arbeitnehmer in dieser „boomenden“ Branche  gilt. Dieser Skandal muss umgehend beendet werden. Darüber hinaus muss im Gesetz klar geregelt werden, dass Leiharbeiter den gleichen Lohn wie Stammarbeitskräfte erhalten. Die von der Regierungskoalition auf massives Betreiben der FDP geforderte Karenzzeit von 9 Monate ist reiner Zynismus. Die durchschnittliche Verleihdauer beträgt gerade einmal drei Monate. Die Begrenzung der Leiharbeit auf tatsächliche „Auftragsspitzen“, „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ und existenzsichernde Mindestlöhne sind eine unabdingbare Voraussetzung, um das „Fördern“ durch nachhaltige Eingliederung der Langzeitarbeitslosen in existenzsichernde und zukunftsfähige Arbeit zu ermöglichen.

Für die Menschen in Deutschland und die Verhandlungsparteien dieser Hartz IV Reform steht viel auf dem Spiel. So müssen die Arbeitslosen und Armen bei Arbeit und Rente im Mittelpunkt der  Verhandlungen stehen. Nur dann kann eine tragfähige Lösung erreicht und eine weitere Beschädigung der Glaubwürdigkeit in die Politik verhindert werden.

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