Ohne Quote geht es nicht

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Erst vor wenigen Tagen hat die CSU -sozusagen als eine der letzten „Männerbastionen“- nach heftigen Kontroversen eine Frauenquote von 40 Prozent für die Bundes- und Landesebene ihrer Partei beschlossen. Damit ist zumindest für wenige Tage die Diskussion um die Frauenquote in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Seit 2001 gibt es zwar ein Gleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst – selbst wenn dessen Erfolge immer noch zu wünschen übrig lassen. Längst überfällig ist aber ein Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft “mit Biss”, dessen Entwürfe seit bald zehn Jahren in den Schubladen des Ministeriums schmoren.

Es ist noch nicht lange her, da platzte der EU Kommissarin für Justiz- und Gleichstellungsfragen, der 59-jährigen Luxemburgerin Viviane Reding, der Kragen: Unzufrieden und enttäuscht über die Gleichstellung von Frauen in der Wirtschaft drohte sie mit der Einführung gesetzlicher Quoten. Wenn auch die EU seit ihren Anfängen die Gleichstellungspolitik als eines der wenigen sozialen gemeinschaftlichen Integrationsziele vorangebracht hat, ließ die Heftigkeit des „Ausbruchs“ von Frau Reding aufhorchen. Die Wirtschaft in den Mitgliedstaaten reagierte empört und abweisend. Dass inzwischen die deutschen  Landesjustizminister -nicht gerade an der vordersten Front der Gleichstellung-  für eine Frauenquote in der Wirtschaft  eintreten, kann als Fortschritt gewertet werden.

An Vorstößen mutiger Frauen mangelte es nicht: Bereits Christine Bergmann, Bundesfrauenministerin in der Rot-Grünen Koalition, machte einen ersten Vorstoß zur Einführung eines Gleichstellungsgesetzes in der privaten Wirtschaft. Unterstützt und aktiv begleitet wurde dies von den Frauen in den Gewerkschaften. Bereits 2001 gelang es in der Bundesrepublik ein Gleichstellungsgesetz in der Bundesverwaltung durchzusetzen, das in der Folgezeit verbessert werden konnte. Darin ist eine relative Quotenregelung enthalten. Seitdem werden Stellen im öffentlichen Dienst mit dem Zusatz versehen, dass bei gleicher Qualifikation Bewerberinnen bevorzugt werden.

Trotzdem sind in den Jahren seit dem Bestehen dieses Gesetzes bis heute nur wenige Frauen bis zu den begehrten Stellen von Unterabteilungsleiter/innen und Abteilungsleiter/innen vorgedrungen – geschweige denn darüber hinaus.

Die Gesetzesinitiative von Christine Bergmann scheiterte jämmerlich an der Mehrheit und Macht der Männer in den Spitzenetagen von Wirtschaft, Politik und Gewerkschaften. Heraus kam die Einigung auf ein Bündnis von Bundesregierung und Wirtschaftsverbänden zu freiwilligen Vereinbarungen über die Gleichstellung und Frauenförderung in der privaten Wirtschaft. Die Gesetzentwürfe zu verbindlichen Vorgaben blieben in der Schublade.

Stattdessen rückte die Familien- und Genderpolitik immer mehr in den Vordergrund. Dabei ging und geht es vor allem um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf -ein durchaus wichtiges Thema und Voraussetzung auch für die Frauenförderung- allerdings bei weitem nicht ausreichend. Dabei eint die meist männlichen Spitzenvertreter in Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften die Sorge um die krassen Geburtenrückgänge. Weniger geht es um die Förderung von Frauen in Wirtschaft und Beruf, vor allem, wenn diese die Bereitschaft der Männer zur Teilung von Macht und Pfründen erfordert. Da werden lieber gesamtgesellschaftliche Bündnisse -auch häufig männerdominiert- geschlossen, um eine Familienpolitik zu mehr Kindern zu fördern.

Entsprechend dürftig sind die Ergebnisse: Der Anteil von Frauen in den Vorständen der 200 größten Unternehmen in der Bundesrepublik beträgt lediglich 2,5 Prozent. In den Aufsichtsräten dieser Unternehmen haben es die Frauen gerade mal auf etwa ein Zehntel geschafft – dabei vor allem Vertreterinnen der Arbeitnehmerseite, die über die Betriebsräte und Gewerkschaften nach den Mitbestimmungsgesetzen für die Aufsichtsräte benannt werden. Auch die niedrige Geburtenrate in Deutschland hat sich nicht erhöht. Dabei passten sich die Neuen Bundesländer an die alte Bundesrepublik an. Im Osten halbierte sich die Geburtenrate seit der Deutschen Einheit und liegt sogar  geringfügig unter der des Westens.

Inzwischen werfen die dramatischen Veränderungen unserer Demographie immer längere Schatten auch auf die Wirtschaft. Immer häufiger beschäftigen sich Untersuchungen renommierter Forschungsinstitute und  namhafter Umternehmensberatungsfirmen mit diesen Fragen und heben den großen Wert der Frauen und ihrer Qualifikationen auch in den Führungsetagen unserer Wirtschaft hervor. Nach den Erhebungen des Branchenprimus McKinsey erzielen Unternehmen mit gemischtgeschlechtlichen Führungsteams höhere Betriebsergebnisse als solche ohne weibliche Führungskräfte. Eine Studie aus Finnland hat dies sogar berechnet und kommt auf 10 Prozent mehr Gewinn. Die Bertelsmann Stiftung folgert in einer Studie, dass Mütter mit hoher beruflicher Verantwortung besonders engagierte und fähige Führungskräfte sind.

Es fragt sich dann, warum die Spitzen in Wirtschaft und Gesellschaft mit so großem Schrecken und Abwehr reagieren, wenn das Beispiel Norwegens angeführt wird. Als erstes Europäisches Land führte Norwegen 2006 eine verbindliche 40 Prozent Quote für die Verwaltungsräte aller Aktiengesellschaften ein. Firmen, die diese Quote nicht erreichen, können aufgelöst werden. Politik und Gesetzgeber in Norwegen kamen bisher nicht in die Verlegenheit, einen solch rigorosen Sanktionsmechanismus in Gang setzen zu müssen. Bereits 2008 waren die 40 Prozent der Quote erreicht. Die Erkenntnis aus diesem Beispiel von Norwegen ist ganz klar: Ohne verbindliche Frauenquote und einen scharfen Sanktionsmechanismus wäre dieses Ergebnis nicht erreicht worden. Die ständigen Totschlagsargumente der Gegner haben sich als gegenstandslos erwiesen wie: Es gebe nicht genügend qualifizierte Frauen, die bereit wären, eine solch große Verantwortung in der Wirtschaft zu übernehmen; das Wahlrecht der Aktionäre dürfe nicht durch die Quotierung des Geschlechts ausgehebelt werden; „Quotenfrauen“ würden diskriminiert und daher in ihrer Arbeit beeinträchtigt; eine solche Aufgabe an der Spitze der Wirtschaft sei nicht mit der Verantwortung in der Familie und bei der Erziehung der Kinder zu vereinbaren. Die Entwicklung ist genau umgekehrt: Qualifikation und Alter in den Verwaltungsräten haben sich seither sogar erheblich verbessert. Zudem waren und sind genügend qualifizierte Frauen zur Besetzung dieser Funktionen verfügbar. Die Erfahrung bei der Familientätigkeit und Kindererziehung befähigen ganz besonders zu Managementaufgaben.

Bei der Frauenförderung geht es aber nicht nur um die Top Jobs in der Wirtschaft. Die Diskriminierung von Frauen bei der Entlohnung zieht sich durch die gesamte Arbeits- und Berufswelt. Die Bundesrepublik rangiert am untersten Rand im Vergleich der europäischen Mitgliedsländer: Die Einkommensdiskriminierung ist weiter angestiegen auf inzwischen 23 Prozent gegenüber 17 Prozent im EU Durchschnitt: Die traditionell besonders niedrige Beteiligung der Frauen am Erwerbsleben in der alten Bundesrepublik hat zwar in den letzten Jahren erheblich zugenommen – aber um einen hohen Preis für die Frauen: Sie wurden massenhaft in den sich explosionsartig ausbreitenden Niedriglohnsektoren abgedrängt – vor allem in den personenbezogenen Dienstleistungsberufen. Es verwundert daher nicht, dass der überwiegende Teil der in Teilzeit und geringfügiger Beschäftigung arbeitenden Frauen dies gezwungenermaßen tut und eine Vollzeitarbeit anstrebt. Dies gilt vor allem für ihren hohen Anteil von über zwei Dritteln an den 400 Euro Jobs, an der befristeten Beschäftigung sowie der niedrigen Bewertung der typischen Frauentätigkeiten auch in den Tarifverträgen bis hin zu ihrer unterdurchschnittlichen Beteiligung an der Arbeitsmarktförderung.

Um die im Grundgesetz geforderte Gleichstellung auch in der Arbeitsrealität herzustellen ist daher erheblich mehr notwendig als die Quotierung der Aufsichtsratssitze, wenn hiervon auch eine wichtige Signalwirkung ausgehen würde. Zusätzlich erforderlich ist die bessere Einführung von existenzsichernden tariflichen und gesetzlichen Mindestlöhnen; die Abschaffung jeglicher Tätigkeitsformen ohne Sozialversicherung; die Verbesserung und praktische Durchsetzung einer Quotierung in Ausbildung, Beschäftigung  sowie Arbeitsmarktpolitik und natürlich die Schaffung einer ausreichenden Infrastruktur zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf innerhalb und außerhalb der Unternehmen. Um diese gesellschaftspolitisch drängenden Eckpfeiler der vom Grundgesetz geforderten Gleichstellung auch Wirklichkeit werden zu lassen, ist ein Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft „mit Biss“ eine unabdingbare Voraussetzung.

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