Bundesrat hat Reform der Job Center beschlossen

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Am 9. Juli hat der Bundesrat das Gesetz zur Reform der Stellen für Grundsicherung für Arbeitssuchende (Job Center) beschlossen. In den nächsten Monaten muss in den Kommunen über die zukünftige Organisation der Grundsicherung entschieden werden. Dabei ist das Ziel, die bestmögliche Betreuung langzeitarbeitsloser Menschen und ihrer Angehörigen in den Bedarfsgemeinschaften in den Vordergrund zu stellen.

Am 9. Juli hat der Bundesrat das Gesetz zur Reform der Stellen für Grundsicherung für Arbeitssuchende (Job Center) beschlossen. In den nächsten Monaten muss in den Kommunen über die zukünftige Organisation der Grundsicherung entschieden werden. Dabei ist das Ziel, die bestmögliche Betreuung langzeitarbeitsloser Menschen und ihrer Angehörigen in den Bedarfsgemeinschaften in den Vordergrund zu stellen. Dazu ist es erforderlich, die bisherige Praxis zu verbessern. Hierzu gehören eine bessere Integration in den Arbeitsmarkt, die breitere Nutzung der vielfältig vorhandenen arbeitsmarktpolitischen Instrumente, der zielgruppenorientierte Einsatz von Arbeitsgelegenheiten und Maßnahmen. Vor allem muss die große Zahl von Klagen vor den Sozialgerichten durch klare Gesetzesvorgaben und bessere Qualifizierung der Mitarbeiter in den Job Centern verringert werden. Die nachfolgend  aufgeführten Hinweise sollen bei der Entscheidung helfen, ob der Weg der Option beschritten oder aber Arbeitsmarktpolitik in einem gemeinsamen Job Center umgesetzt werden soll.

Argumente für gemeinsame Job Center von Arbeitsagenturen und Kommunen

(1) Mit der gesetzlichen Neuregelung werden die bisherigen  Reibungsverluste und Verzögerungen bei der Zusammenarbeit von Mitarbeitern der Arbeitsagenturen sowie der Kommunen – insbesondere zur Integration in den Arbeitsmarkt – durch die höhere organisatorische und personelle Eigenständigkeit der neuen Job Center überwunden. Der Geschäftsführer hat künftig eine stärkere Rolle und ist weniger abhängig von konkreten Einflussnahmen durch die Träger Agentur für Arbeit und Kommune. Zuständigkeiten werden klar geregelt. Künftig ist regelmäßig nur noch eine Personalvertretung zu beteiligen statt einer Vielzahl von Gremien.

(2) Synergieeffekte können durch die Zusammenführung der Vermittlungs- und Eingliederungsbemühungen der Agenturen für Arbeit mit den Leistungen der kommunalen Träger wie beispielsweise Kinderbetreuung, Sucht- und Schuldnerberatung genutzt werden.

(3) Eingespielte Teams bestehend aus den Mitarbeitern der beiden Träger können ihr jeweiliges Know-how einbringen.

(4) Erforderlich ist lediglich ein geringer Umstellungsaufwand von den bisherigen ARGEN auf die neuen Job Center.

(5) Auch kommunale Mitarbeiter, die Aufgaben der Agentur für Arbeit wahrnehmen, werden in die Schulungen durch die Bundesagentur einbezogen. Der aufwändige Aufbau einer eigenen Qualifizierungsinfrastruktur vor Ort entfällt.

(6) Die Job Center verfügen über ein dichtes Netzwerk zu Wirtschaft und Trägern arbeitsmarktlicher Dienstleistungen.

(7) Es besteht ein unmittelbarer Zugang zu den Stellenpools der Bundesagentur für Arbeit. Damit sind die Möglichkeiten zu örtlicher, regionaler, überregionaler und auch internationaler Arbeitsvermittlung gegeben. Es wird vermieden, dass sich regionale bzw. kommunale Arbeitsmärkte gegeneinander abschotten. Dies ist insbesondere für den ländlichen Bereich ein entscheidender Vorteil, wo vielfach vor Ort nur ein sehr eingeschränktes Arbeitsplatzangebot vorliegt.

(8) Es wird verhindert, dass die jeweilige Kommune bei krisenhaften Zuspitzungen beispielsweise auf dem lokalen Arbeitsmarkt alleine dasteht und in finanzieller und organisatorischer Hinsicht überfordert wird und die Arbeitsmarktpolitik zum alleinigen kommunalen Wahlkampfthema wird, obgleich sie weitgehend überörtlich bestimmt wird.

(9) Es besteht eine stärkere Vernetzung mit der Bundespolitik (Ministerien) und der Landesebene, um z. B. notwendige gesetzliche Anpassungen anzustoßen.

(10) Erhebliche Kosteneinsparung können durch die gemeinsame Nutzung der IT erreicht werden.

(11) Bei der Gestaltung und Nutzung arbeitsmarktpolitischer Leistungen kann ein besseres Verhältnis von Preisen, Leistungen und Eingliederungserfolgen durch überregionale Kontakte und die entsprechende Infrastruktur der Bundesagentur für Arbeit erzielt werden. Dabei können auch die langjährigen Erfahrungen und Verbesserungen bei Einkauf, Anpassung und Kontrolle derartiger Maßnahmen genutzt werden.

Chancen und Risiken der Option

(1) Für die Kommunen  bestehen Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich des Einsatzes der arbeitsmarktpolitischen Instrumente.

(2) Es existiert die Chance, die Schnittstellen zu kommunalen Aufgaben besser zu organisieren, etwa im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) oder der Leistungen bei besonderen sozialen Schwierigkeiten (SGB XII, 8. Kapitel).

(3) Es gibt keinen Abstimmungsaufwand wie bei den gemeinsamen Einrichtungen zwischen Agentur für Arbeit und Kommunen.

(4) Es ist eine unmittelbarere Einflussnahme auf das in der Optionskommune beschäftigte Personal vor Ort möglich. Damit kann eine stärkere Berücksichtigung von Bürgerbelangen erfolgen, wie sie von der Kommune wahrgenommen werden.

(5) Die lokal Verantwortlichen (Bürgermeister, Sozialdezernent usw.) können stärker auf die regionale Entwicklung Einfluss nehmen und im Erfolgsfall auch für ihre politische Arbeit nutzen. Andererseits stehen sie im Falle einer ungünstigen Arbeitsmarktentwicklung wesentlich stärker im Fokus der öffentlichen Kritik, da die Kommune aus der Sicht der örtlichen Öffentlichkeit als Träger von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende alleinig in der Verantwortung gesehen wird.

(6) Es besteht eine verschuldensunabhängige Haftung der Optionskommune für eine nicht rechtskonforme Verwendung von Bundesmitteln. Im Falle der Rückerstattung von Mitteln sind für den jeweiligen Betrag Verzugszinsen in Höhe von drei Prozent über dem Basiszinssatz zu zahlen.

(7) Es besteht die Gefahr, dass beim Übergang zur Option wegen der erforderlichen Umstellungsarbeiten (z. B. Verfügbarkeit IT, ggf. notwendiger Schulungsaufwand, sofern Personalwechsel nicht in ausreichendem Umfang möglich, zusätzlicher Aufwand durch Umstellungsarbeiten) das Arbeitslosengeld II nicht termingerecht ausgezahlt und es bei der Arbeitsmarktpolitik zumindest vorübergehend zu Einschränkungen bei der Leistungsfähigkeit kommen kann. Die Folge wäre ein entsprechender Unmut vor Ort.

(8) Die Nutzung einer eigenen kommunalen Software ist mit hohen Investitionskosten verbunden. Fehler in der Software würden dem kommunalen Träger angelastet. Für den laufenden Betrieb und notwendige Anpassungen der Software ist die Optionskommune alleine in der Verantwortung und ggf. entsprechender Kritik ausgesetzt.

(9) Die Qualifizierung der Mitarbeiter in den Optionskommunen ist weitgehend ungeklärt. Es müssten ggf. eigene Qualifikationsprogramme entworfen werden. Dies wäre mit einem entsprechend hohen Aufwand verbunden.

(10) Die Optionskommune hat anders als die gemeinsame Einrichtung keinen unmittelbaren Zugang zu den Angeboten an Dienstleistungen der Bundesagentur für Arbeit. Konkret bedeutet dies, dass die Optionskommune vielfach von einer kooperativen Zusammenarbeit mit der jeweiligen Agentur für Arbeit abhängt und ggf. Vereinbarungen mit dieser abschließen muss, um die Infrastruktur der Agentur nutzen zu können. Eine überregionale Arbeitsvermittlung/Auslandsvermittlung gehört hingegen zum Standard der Bundesagentur für Arbeit und wird durch die Job Center genutzt. Im Falle der Option wären entsprechende eigene Aktivitäten zu entwickeln.

(11) Das Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofes gegenüber den Optionskommunen bleibt in der bisher geregelten Form erhalten. Die jeweilige Optionskommune wird daher auch künftig mit Prüfungen durch den Bundesrechnungshof und den dazugehörigen Berichterstattungen konfrontiert sein.

(12) Die Optionskommunen sind an ein Zielvereinbarungssystem gebunden, welches das Bundesministerium für Arbeit mit den zuständigen Landesbehörden, die zuständigen Landesbehörden mit den Optionskommunen abschließen. Gleichzeitig haben die Optionskommunen aber keinen unmittelbaren Einfluss auf die Ausstattung mit Mitteln zur Eingliederung in Arbeit. Die Optionskommune ist also darauf angewiesen, dass entsprechende politische Entscheidungen (s. aktuell Sparpaket Bundesregierung) ihren Niederschlag in dem Zielvereinbarungssystem finden.

(13) Mit der Option kommt es vor Ort zum Aufbau von Doppelstrukturen (Optionskommune einerseits, Agentur für Arbeit für die Arbeitslosenversicherung andererseits). Bürger und Wirtschaft dürften kein Verständnis für das daraus resultierende Mehr an Bürokratie haben.

(14) Viele Arbeitslose werden heute in der Arbeitslosenversicherung und morgen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende betreut. Die organisatorische Trennung zwischen beiden Systemen erschwert eine einheitliche bzw. eine adäquate Anschlussförderung. Wechselnde Lebenssituationen der Arbeitsuchenden und ihrer Haushaltsmitglieder können zu relativ kurzfristig wechselnden Zuständigkeiten führen.

(15) Der Einsatz notwendiger Arbeitsmarktinstrumente und seine Wirkung auf den Arbeitsmarkt ist im ungünstigen Fall auf das Gebiet des kommunalen Trägers begrenzt. Soweit beispielsweise Zuschüsse an Arbeitgeber von der Höhe her variabel sind, besteht zwischen benachbarten Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende verstärkt die Gefahr eines Wettbewerbs um den höchsten Zuschuss, um den Arbeitgeber zur Einstellung von Arbeitsuchenden zu gewinnen. Einer kohärenten Arbeitsmarktpolitik über kommunale Grenzen hinweg stehen hohe Hürden entgegen.

(16) Der Übergang von der ARGE zur Option ist dann erschwert, wenn keine reibungslose Datenübermittlung mittels einer Schnittstelle zwischen der Software der Bundesagentur für Arbeit (A2LL) und der kommunalen Software gewährleistet ist.

(17) Es gibt keine Kostenerstattung durch den Bund für erhöhte Anlaufkosten (Erstausstattung z. B. für Software) zum Start der Option. Der Bund trägt allerdings die Kosten, soweit sie aufgrund der Auflösung der ARGE seitens der BA entstehen.

(18) Bei fehlender Zustimmung des Arbeitnehmers/Beamten zur Rückkehr zur Agentur für Arbeit muss der kommunale Träger ggf. 100 % des Personals der ARGE statt der vorgesehenen 90 % übernehmen.

(19) Die Aufgabenwahrnehmung wird maßgeblich bestimmt durch den Umfang der Mittel, die der Bund für Verwaltung und Eingliederung bereitstellt. Werden diese Mittel gekürzt – so wie jetzt mit dem Sparpaket der Bundesregierung für die kommenden Jahre beabsichtigt – ist es die Aufgabe der Optionskommune vor Ort, diese Entscheidung zu vertreten und umzusetzen. Die Vorbereitung der Antragstellung auf die Option ist sehr zeit- und ressourcenaufwändig.

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