Mediale Aufregung um Riesterrente – Debatte mit gezinkten Karten

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Fast könnte man meinen: Das von großem Medienwirbel  begleitete jüngste Gutachten der Universität Bamberg -im Auftrag der Verbraucherzentrale- zur herben Kritik an der Riesterrente sei von der Finanzindustrie bestellt.

Fast könnte man meinen: Das von großem Medienwirbel  begleitete jüngste Gutachten der Universität Bamberg -im Auftrag der Verbraucherzentrale- zur herben Kritik an der Riesterrente sei von der Finanzindustrie bestellt.  Dabei wird in diesem Gutachten bestätigt, was bei denen, die es wissen wollen, seit längerem bekannt ist: Seit die mannigfachen sogenannten Riesterprodukte auf den Markt kamen, sind diese für den Verbraucher bezüglich der Kosten und Renditen undurchschaubar. Zudem sind sie häufig mit viel zu hohen Verwaltungskosten behaftet. Für viele Menschen kann dies zu erheblichen Nachteilen führen, da sie bei Abschluss eines Riestervertrages über eine zusätzliche kapitalgedeckte Altersversorgung nicht wissen, wie sich ihr weiterer Berufs- und Lebensweg und damit die Möglichkeit der Spareinlagen gestaltet.

Müssen oder wollen sie die Einzahlungen zeitweilig verringern, aussetzen oder sind andere Riesterprodukte für sie sinnvoller? Etwa bei  Anstieg von Löhnen und Gehältern, Eheschließung, Familiengründung oder Ehescheidung – können  Riesterprodukte mit so hohen Verwaltungsgebühren belastet werden, dass dadurch die großzügigen Zulagen des Staates aufgezehrt werden. Es kann daher durchaus sein, dass die staatlich geförderten Riesterrenten ungünstiger für den Sparer sind als nicht geförderte private Zusatzrenten. Außerdem lohnen sich Riesterrenten für ältere Arbeitnehmer überhaupt nicht, da sie für ihre Einzahlungen nur Minizusatzrenten erhalten. All dies wird bei den Beratungsgesprächen durch die Finanzdienstleister meist schamhaft unter der Decke gehalten.

Unmittelbar nach Bekanntwerden dieser „Negativwerbung“ für die private Versicherungsbranche  durch das neuerliche Gutachten der Bamberger Universität setzte ein wahrer Trommelwirbel in den öffentlichen Medien für die Unabdingbarkeit und Ehrenrettung der Riesterrenten ein. Von überall kommen die bekannten Warnungen bis Drohungen: Für jüngere Menschen reichen die gesetzlichen Renten immer weniger aus. Es kommen die bekannten, aber dadurch noch längst nicht richtiger gewordenen Hinweise auf die Demographie und die Notwendigkeit des privaten Alterssparens. Als ob die Demographie -Zunahme der älteren und Abnahme der jüngeren Erwerbsbevölkerung- nicht die gleichen negativen Auswirkungen auf die Finanzierung der kapitalgedeckten privaten Altersvorsorge wie der gesetzlichen umlagefinanzierten Rente hätte.

Es wird von den Lobbyisten der privaten Versicherungs- und Finanzbranche nach wie vor erfolgreich verdrängt, dass  die Auszahlung der kapitalgedeckten wie der umlagebasierten  Altersrenten aus dem gleichen Finanztopf gespeist werden müssen, der von der geringer werdenden Zahl der Erwerbstätigen aufzubringen ist.

Dabei grenzt die zur Schau gestellte Sorge der Finanzindustrie und ihrer Helfershelfer um die Jungen  schon beinahe an Heuchelei. Denn mit der Einführung der Riesterrente ist das Rentenniveau  insgesamt drastisch für alle Rentner abgesenkt worden. Hier müsste der Aufschrei erfolgen, wenn  es mit den Sorgen um die jüngere Generation ernst gemeint ist. In Wirklichkeit war gerade die Finanzbranche maßgeblich daran beteiligt, über den damaligen Bundesarbeitsminister Walter  Riester und Exbundeskanzler Gerhard Schröder die Weichen für die massive öffentliche Förderung des Aufbaus der privaten Altersvorsorge zu Lasten der gesetzlichen Altersversicherung zu stellen.

Der Ausfall des Beitrags der Arbeitgeber für die allein von den Arbeitnehmern zu finanzierenden Sparbeiträge für die Riesterrente wird mit großzügigen Zulagen des Staates bzw. hohe steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten ausgeglichen.

In die Röhre gucken müssen nun diejenigen, die sich keinen Riestervertrag leisten können oder wollen. Nach dem Desaster der globalen Finanzkrise dürfte es nicht verwundern, wenn das Vertrauen der Menschen in die private Kapitalanlage zur Altersvorsorge abnimmt. In den USA und Großbritannien haben Millionen Menschen ihre Ansprüche an die private Altersvorsorge teilweise oder sogar ganz verloren und müssen bis ins hohe Alter in zum Teil entwürdigenden Tätigkeiten um ihre Lebensexistenz kämpfen.

 Die Glaubwürdigkeit für die private Finanzbranche wird mit Zusicherungen zu erkaufen versucht, dass es jetzt darauf ankomme, die Transparenz von Kosten und Erträgen bei den verschiedenen Riesterprodukten zu verbessern. Dabei wird die neue Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen gleich in die Verantwortung genommen – sozusagen als Generalbevollmächtigte für die Seriosität und Zuverlässigkeit der Riesterrenten zu sorgen.

Natürlich kann niemand etwas dagegen haben, dass die Finanzbranche die Transparenz der Verwaltungskosten und Renditen ihrer Altersorsorgeprodukte verbessern soll. Schon mit der Einführung der Riesterente im Altersvermögensgesetz von 2001 sind verschiedene Bedingungen für die Zertifizierung von Riesterrenten als Voraussetzung für die öffentliche Förderung genannt.  Danach muss zu Beginn der Auszahlungsphase -grundsätzlich ab dem 60.Lebensjahr- mindestens die Summe der eingezahlten Beiträge (Eigenleistung plus staatliche Zulage) garantiert werden. Dies ist eine wichtige, aber auch die einzige wirklich handfeste Absicherung, für die Menschen. Eher vage sind die gesetzlichen Vorschriften für die Informationspflichten über die Verwendung der Vorsorgebeiträge und vor allem über die Höhe der Verwaltungskosten. Höchst problematisch ist die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, die gesamten Abschluss- und Vertriebskosten auf nur fünf Jahre zu verteilen. Dies kann dazu führen, dass bei Vertragsänderung oder Kündigung keinerlei Rendite mehr übrig bleibt, da die Verwaltungs- und Abschlusskosten alles aufzehren. In den gesetzlichen Änderungen 2005 wurden die Zertifizierungsvorschriften sogar gelockert, vorgeblich um durch die Vereinfachung der Bürokratie die Riesterrente für die Bürger attraktiver zu machen – natürlich dann mit weniger Sicherheiten. Es bleibt die bange Vermutung, dass es bei diesen Lockerungsübungen vor allem darum ging, die Attraktivität der Riesterrenten für die Finanzvermittler zu erhöhen.

 Allerdings ist diese Erkenntnis  alles andere als neu. Bereits vor wenigen Jahren hatte die Verbraucherzentrale – damals noch unter dem Vorsitz von Frau Professor Edda Möller- ebenfalls erheblichen medialen Wirbel verursacht, da sie Gutachten veröffentlichte, die auf eben diese  undurchsichtigen und bei weitem zu hohen Verwaltungsgebühren der Riesterrenten hinwies. Alle Beteiligten waren sich damals  schnell einig, dass der Gesetzgeber zur Tat schreiten und die Rahmenbedingungen verbessern sollte. Die Ergebnisse gingen in die umgekehrte Richtung: Verstärkt wurden vor allem die Werbeanstrengungen sowohl von Seiten der Bundesregierung wie auch der privaten Finanzbranche.

Kaum ein öffentlicher Werbeplatz, keine Fernbahn-, S-Bahn und U-Bahn Station blieb frei von riesengroßen Riester-Postern. Eine  an den Interessen der Menschen orientierte Verbesserung ist bislang jedenfalls nicht erfolgt. Das macht die jüngste Untersuchung im Auftrag der Verbraucherzentrale jedenfalls deutlich.

Nicht zu vergessen ist der öffentliche Aufschrei, als die ARD in ihrer Monitor Sendung vor etwa einem Jahr eine Untersuchung der Freien Universität Berlin veröffentlichte. Darin wurde deutlich, dass sich „Riestern“ für viele Menschen nicht lohnt, die von  Langzeitarbeitslosigkeit und Hartz IV betroffen sind. Als nachrangige Sozialleistung wird das ALG II um die Riesterrente gekürzt. Gerade die Menschen im unteren sozialen Bereich, für die die Riesterrente mit ihren öffentlichen Zulagen – nach dem erklärten Willen ihrer Initiatoren – gedacht war, können sie am wenigsten nutzen. Dafür profitieren vor allem die Besserverdienenden von der großzügigen steuerlichen Förderung, die sich laut Deutscher Bundesbank 2009 auf insgesamt 12,5 Mrd. Euro beläuft. Aufkommen für diese Steuersubventionen müssen allerdings auch die Geringverdiener oder diejenigen, die zeitweilig von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind. Sie können sich eine eigene Riesterrente überhaupt nicht leisten oder müssen ihre Riesterersparnisse erst einmal aufbrauchen, bevor sie bei Langzeitarbeitslosigkeit ALG II Leistungen erhalten.

Hilfreich wäre, wenn es jetzt nicht nur bei einer generellen medialen Empörung  bliebe und dies nicht wieder als Anlass für die Ehrenrettung  und Verstärkung der Propaganda für die Riesterrente und die Finanzindustrie genutzt würde. Vielmehr kommt es darauf an, den Ursachen der  berechtigten Kritik auf den Grund zu gehen, um sie abzustellen. Die wichtigste Voraussetzung wäre,  der älteren und jüngeren Generation eine ausreichende gesetzliche Altersrente zu gewährleisten.  Eine wesentliche Bedingung dazu ist die Abschaffung der willkürlichen massiven Absenkung des Rentenniveaus durch den sog.

Riesterfaktor in der gesetzlichen Rentenformel. Dieser war von der vorherigen Regierungskoalition für zwei Jahre ausgesetzt worden, um den Rentnern nach mehreren Jahren Nullrunden erstmalig wieder nennenswerte Rentenzuwächse zu ermöglichen – auch ein Beitrag zur Konjunkturstützung. Wird er jetzt wieder eingeführt und sogar -wie es das Gesetz vorsieht- seine zweijährige Aussetzung in den nächsten Jahren nachgeholt, bedeutet dies für lange Zeit keine Rentensteigerungen bei Zuwächsen der Belastungen gerade für die Rentner aus der Kranken- und Pflegeversicherung sowie dem zu erwartenden Anstieg bei den Lebenshaltungskosten. Finanziert werden könnte dies aus einer Abschmelzung der großzügigen  Steuersubventionen für Riesterrenten.

Die Besserverdienenden dürften durchaus ohne unzumutbare Opfergänge in der Lage sein, bei Bedarf eine zusätzliche private Altersvorsorge aufzubauen, ohne dass die Masse der Steuerzahler dafür in Anspruch genommen werden.

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