Weiterbildung als Element guter Arbeit für Ältere

Beitrag per E-Mail versenden

Es ist dringend an der Zeit, die vielfältigen Ansätze der Weiterbildung – betrieblich, überbetrieblich und außerbetrieblich- transparent zu machen und aufeinander abzustimmen. Zu erarbeiten sind Konzepte der Weiterbildung mit der spezifischen Schwerpunktsetzung auf der beruflichen Weiterbildung und dabei der besonderen Lernbedingungen älter werdender  und älterer Arbeitnehmer.

Zuallererst möchte ich mich bei der Friedrich Ebert Stiftung bedanken, dass sie die zunehmende Problematik der alternden Menschen im Erwerbsleben auch in dieser Veranstaltung aufgreift. Dies ist eine wichtige Fortsetzung und Ergänzung der Fachtagung „Perspektive Arbeit und Alter – Gesellschaftspolitische Handlungsfelder“  vom 5. November 2007.

Wie die damalige Leiterin des Projekts „Gesellschaftliche Integration“ Franziska Richter in ihrem Vorwort zur Dokumentation dieser Fachtagung feststellt: Es komme darauf an, „wie den Auswirkungen des demographischen Wandels und insbesondere der zunehmenden Alterung unserer Gesellschaft begegnet werden kann. Ganz entscheidend wird dabei sein, die Potentiale der Älteren für den Arbeitsmarkt zu erkennen und zu nutzen.“

Ich selbst habe dabei festgestellt: “Wir haben unzureichende altersgerechte Beschäftigungschancen und Arbeitsbedingungen, erhebliche Defizite beim lebenslangen Lernen, hohe Abschläge bei den Renten und steigende Kosten für die Sozialversicherung. Es ist also höchste Zeit, sich diesen Herausforderungen zu stellen und die Qualifikationen der älter werdenden Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Erwerbsleben bestmöglich zu nutzen.“

Heute -zwei Jahre später- hat dies nichts von seiner Gültigkeit verloren, im Gegenteil: Die demographisch bedingte Alterung unserer Erwerbsbevölkerung schreitet mit großen Schritten voran. Dabei hat der Rückgang bei den jüngeren Arbeitnehmern in der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise zur Begrenzung des Anstiegs der Arbeitslosigkeit beigetragen. In der hoffentlich bald beginnenden wirtschaftlichen Erholungsphase werden der Mangel an Nachwuchs- und Fachkräften umgekehrt zu einer Bremse für die weitere Entwicklung von Wirtschaft und Wohlstand.

Umso wichtiger ist die bessere Ausschöpfung der Qualifikationspotentiale bei allen, die bisher zu den Benachteiligten auf dem Arbeitsmarkt gehören: gering qualifizierte jüngere Arbeitnehmer, Mädchen und junge Frauen, Migranten sowie behinderte Menschen. Dazu gehören auch und insbesondere die älter werdenden Menschen im Erwerbsleben.

Während der zwei Jahre guter konjunktureller Entwicklung 2007 und 2008 ist es mit massiven arbeitsmarktpolitischen Fördermaßnahmen gelungen, die Erwerbsbeteiligung der Arbeitnehmer über 50 und teilweise auch über 55 Jahre erheblich zu verbessern.

Es kommt jetzt darauf an, sicherzustellen, dass diese positiven Ansätze in der Krise nicht verschüttet werden.

Hierbei ist die umfassende Nutzung der erweiterten und verbesserten Kurzarbeiterregelung eine wichtige Hilfe: In Politik und Wirtschaft hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es sich wirtschaftlich rechnet, eingearbeitete Mitarbeiter auch in Krisenzeiten möglichst lange in Beschäftigung zu halten. Allerdings werden die nächsten Monate zeigen, ob die wirtschaftliche Erholung ausreicht, aus der Kurzarbeit wieder in volle Beschäftigung überzugehen.

Sollte dies nicht der Fall sein, werden weitere Maßnahmen der Verhinderung und Linderung von Arbeitslosigkeit erforderlich werden. Für ältere Arbeitnehmer ist die Übernahme in Transfergesellschaften und die zumindest befristete Verlängerung des Bezugs von ALG I besonders wichtig.

In allen Fällen würde es sich für die betroffenen Menschen sowie die Wirtschaft  buchstäblich auszahlen, wenn die arbeitsfreie Zeit zur Qualifizierung genutzt würde. Es ist daher bedauerlich, dass die Möglichkeiten und Angebote der BA kaum genutzt werden. Auch dies ist ein guter Grund aus aktuellem Anlass für diese Fachtagung, die sich mit der Weiterbildung für ältere Arbeitnehmer befasst.

Dabei ist ein weiteres Merkmal dieser Fachtagung besonders wichtig. Die Weiterbildung wird nicht als isolierte statische Aktion behandelt, sondern als ein lebenslanger Prozess im Rahmen des Gesamtkonzepts für gute Arbeit. Auch Arbeit und Beruf sind keine statischen Größen zu bestimmten Zeitpunkten, sondern lebenslange Prozesse, die sich  dynamisch weiterentwickeln.

Die steigende Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften im Zuge der fortschreitenden Globalisierung erfordern die bestmögliche Entwicklung und Nutzung der Ressource Arbeitskraft und damit die alterns- und altersgerechte  Gestaltung der Arbeitsbedingungen.

Die Zukunftsperspektive der betrieblichen Personalpolitik muss auf Prävention sowie die Erhaltung und Förderung der Beschäftigungsfähigkeit ausgerichtet sein. Hierbei spielt der Prozess des  Lernens im Lebensverlauf“ eine entscheidende Rolle.

Hierzu gibt es bereits  verschiedene Ansätze der Tarifparteien, die berufliche Weiterbildung in den Branchen und Betrieben zu verankern. Beispielhaft sind die Qualifizierungstarifverträge von IG Metall, IGBCE und Verdi sowie die Arbeitsgemeinschaft Netzwerk und Qualifikation in der Bauwirtschaft. Neuere tarifliche und betriebliche Vereinbarungen sehen die Bildung von Arbeitszeit- oder Lernzeitkonten vor, die auch für berufliche Weiterbildung genutzt werden können.

Die gesetzliche Verbesserung des Insolvenzschutzes von Langzeitkonten im Rahmen tariflicher und  betrieblicher Regelungen erleichtert die Vereinbarung auch der längerfristigen Lernzeitkonten.

Allerdings bestehen in der Bundesrepublik bei der präventiven Personal- und  Arbeitsmarktpolitik einschließlich der lebenslangen Weiterbildung nach wie vor erhebliche Defizite. Dies sind wichtige Herausforderungen in der Zukunft für die Wirtschaft, die Tarifparteien sowie die Arbeitsmarktpolitik, und hier insbesondere die Bundesagentur für Arbeit (BA)

Schaffung von Transparenz für die Personal- und Weiterbildungspolitik

Es ist dringend an der Zeit, die vielfältigen Ansätze der Weiterbildung – betrieblich, überbetrieblich und außerbetrieblich – transparent zu machen und aufeinander abzustimmen.

Zu erarbeiten sind Konzepte der Weiterbildung mit der spezifischen Schwerpunktsetzung auf der beruflichen Weiterbildung und dabei der besonderen Lernbedingungen älter werdender  und älterer Arbeitnehmer.

Die berufliche Weiterbildung muss auf Prävention sowie Förderung und Erhalt von Beschäftigungsfähigkeit während des gesamten Berufslebens bis in das höhere Lebensalter ausgerichtet werden.

Weiterbildungsberatung für kleinere und mittlere Betriebe

Dabei besteht ein hoher Bedarf an Weiterbildungsberatung  insbesondere in kleineren und mittleren Betrieben. Jüngere Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der BA (IAB) weisen auf erhebliche Defizite gerade bei der beruflichen Weiterbildung in diesem Bereich hin.

Festzustellen ist, dass in vielen Betrieben oft langfristig angelegte und kontinuierlich nachgehaltene Strategien zum vorausschauenden Personalmanagement fehlen.

Die IAB-Betriebspanels zeigen, dass sowohl die Nachfrage nach Fachkräften als auch die Schwierigkeiten der Betriebe, Stellen für Fachkräfte zu besetzen, zugenommen haben. Insbesondere Kleinbetriebe der Wissenswirtschaft und Betriebe im Westen Deutschlands haben Probleme bei der Besetzung mit Fachkräften. Noch immer haben Klein- und Mittelbetriebe weit unterdurchschnittliche Teilnahme an beruflicher Weiterbildung. Entsprechendes gilt für gering qualifizierte Arbeitnehmer. Die Fachkräftestudien und Programme mehrerer Bundesländer belegen regionalen Handlungsbedarf.

Systematische Personalentwicklung ist eine notwendige Voraussetzung, um Strategien des lebenslangen Lernens und der Anpassungsfortbildung über alle Altersgruppen, Qualifikationsebenen und Beschäftigungsfelder hinweg zu entwickeln.

Dabei ist die Zusammenarbeit zwischen Betriebsleitungen einerseits sowie Gewerkschaften und Betriebsräten andererseits erforderlich. Hierbei könnte auch  die Bildung von Qualifizierungsverbünden zwischen großen, mittleren und kleineren Betrieben hilfreich sein. Dazu ist die Kooperation mit den Handwerks- sowie Industrie- und Handelskammern auszubauen.

Zu stärken ist ebenfalls die Weiterbildung in Zeitarbeitsunternehmen. Hierbei könnte auch die verleihfreie Zeit für die Weiterbildung der Leiharbeitnehmer sinnvoll genutzt werden. Ein Beispiel hierfür bietet der Tarifvertrag der START Zeitarbeitsfirma des Landes NRW mit den Arbeitgeberverbänden und dem DGB. Tariflich vereinbart wurde die Einführung von Arbeitszeit- bzw. Lernzeitkonten mit dem Recht und der Verpflichtung zur Inanspruchnahme von Weiterbildung in Abstimmung mit dem Betriebsrat.

Im Rahmen einer derartigen demographiefesten Personal– und Weiterbildungspolitik sind folgende Schritte vorzunehmen:

Erstellung von kurz-, mittel- und langfristigen praxisorientierten Analysen der Qualifikationsbedarfe einerseits sowie der Qualifikationsprofile und –potentiale der Beschäftigten andererseits;

Erarbeitung von  passgenauen Strategien zur Weiterbildung unter Einbeziehung der verfügbaren arbeitsmarktpolitischen Instrumente;

Dabei ist auch die Aufstiegsfortbildung aus beruflicher Qualifikation in ein Hochschulstudium einzubeziehen bzw. die berufliche Qualifizierung von Geringqualifizierten zu Teilfach-/Fachkräften;

Begleitung des Betriebes bei der Durchführung und Evaluation der Weiterbildungsstrategien.

Einführung eines Bildungspasses

Als ein persönlicher Anreiz zur Weiterbildung könnte ein „Bildungspass“ eingeführt werden. In einem solchen Bildungspass müssten alle beruflichen Qualifizierungen eingetragen werden. Dazu gehören sowohl die formalen wie auch informelle Qualifizierungswege. Allerdings müssten für die Berechtigung zur Eintragung klare Kriterien vorgegeben werden.

Z.B. könnten auf diese Weise „credit points“ gesammelt werden, die für eine weiterführende Qualifizierung und berufliche Entwicklung  berechtigen sowie bei Wechsel von Arbeitsplatz und Arbeitgeber „mitgenommen“ werden können.

Die Weiterbildung als Element guter Arbeit für Ältere hat erneuten Auftrieb im Zusammenhang mit der Heraufsetzung des Rentenalters auf 67 Jahre -in Stufen zwischen 2012 und 2029 – erhalten. Die Bundesregierung ist gesetzlich verpflichtet (Überprüfungsklausel in § 154 SGB VI), 2010 zu überprüfen, ob die Anhebung der Regelaltersgrenze unter Berücksichtigung der Entwicklung der Arbeitsmarktlage sowie der wirtschaftlichen und sozialen Situation älterer Arbeitnehmer weiterhin vertretbar erscheint und die getroffenen gesetzlichen Regelungen bestehen bleiben können. Dabei zeigen alle verfügbaren Untersuchungen erhebliche Schwachstellen bei den Arbeitsbedingungen für älter werdende Arbeitnehmer.  Dabei sind die Risikofaktoren Gesundheitsbelastungen infolge ungünstiger Arbeitsbedingungen im weiteren Sinne zu verstehen. Es geht nicht nur um krankmachende physische und psychische Aspekte der Arbeit, sondern um die Arbeitsorganisation im Weiteren Sinne – einschließlich der Qualifikation.

Aufschlussreich ist der Unterschied der finnischen Vorgehensweise bei der Politik zur Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit älter werdender Belegschaften. Dort wurde in jahrelangen Forschungen und Kampagnen versucht, zuerst die auf die Arbeitswelt bezogenen Voraussetzungen für eine längere Beschäftigung älterer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu identifizieren und zu schaffen, bevor an eine Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters herangegangen werden soll.

Wie vielfältig die gesundheitlichen Gefährdungen heute für Arbeitnehmer in höherem Lebensalter sind, zeigt der DGB Index „Gute Arbeit“, der jährlich von allen Gewerkschaften erhoben wird und wobei 8ooo Arbeitnehmer befragt werden. Am Beispiel der Schicht- und Nachtarbeit bzw. stark versetzten Arbeitszeiten lässt sich dies besonders deutlich aufzeigen.

Die Verbesserung einer umfassenden integrierten präventiven Personal-, Gesundheits- und Qualifizierungspolitik in den Betrieben gewinnt  vor dem Hintergrund des demographisch bedingten Rückgangs der Erwerbsbevölkerung sowie der zu erwartenden Fachkräftelücke zunehmend an Bedeutung. So wies die Expertenkommission „Zukunftsfähige betriebliche Gesundheitspolitik‘“ schon 2004 auf den investiven Charakter von Ausgaben der Unternehmen für Prävention in der Gesundheit und Qualifizierung hin.

Erforderlich sind weitreichende Investitionen über das herkömmliche Spektrum von  Arbeitsschutzbestimmungen und betrieblicher Gesundheitspolitik hinaus – bis zu umfassenden lebenslangen Qualifizierungsangeboten, betrieblicher Organisations- und Personalentwicklung sowie Aktivitäten der überbetrieblichen, branchenbezogenen Arbeits- und Tarifgestaltung. Zu ergänzen ist die betriebliche Gesundheitspolitik durch einen geeigneten gesetzlichen Rahmen zur integrierten Prävention in der Gesundheitspolitik und ein Recht auf lebenslanges Lernen.

>>> Programm der Fachtagung der FES

Hinterlassen sie einen Kommentar

Pflichtfelder *


+ 3 = acht